Die Ernährung in den ersten 1.000 Tagen im Leben eines Menschen prägen das gesamte Leben enorm. Das beginnt schon im Mutterleib. Wie durch Muttermilch das Adipositas-Risiko bei Kindern verringert werden kann, welche Rolle die Beikost-Einführung für die Nahrungsmitteltoleranz hat und welche weiteren Faktoren Einfluss auf die häufigsten Stoffwechselerkrankungen bei Kindern haben, darüber geht es neben anderen Themen beim 10. Kongress der europäischen pädiatrischen Fachgesellschaften (EAPS), der vom 17. bis 20. Oktober im Austria Center Vienna stattfindet.
„Die Fortschritte in der Kinder- und Jugendmedizin sind derzeit rasant. Sie helfen uns, den Immun- und Stoffwechsel sowie das Zusammenspiel mit der Genetik besser zu verstehen. Das ist wichtig, denn die Ernährung in den ersten 1.000 Tagen im Leben eines Menschen prägen das gesamte Leben – viel stärker als bisher angenommen“, so Univ.-Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin am Dr. v. Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Universität München und Präsident der European Academy of Paediatrics. Daher kommt dem Neugeborenen-Screening eine besondere Bedeutung zu, denn bei diesem können viele Stoffwechselerkrankungen gut erkannt und den Betroffenen viel Leid erspart werden.
Prägung des Stoffwechsel- und Immunsystems startet im Mutterleib
Da der menschliche Körper in den ersten zwei Lebensjahren unglaublich schnell wächst und gleichzeitig die Organe und Gewebe aufgebaut werden, haben die Nährstoffe, die der Nachwuchs zu dieser Zeit erhält, einen wesentlichen Einfluss auf das spätere Leben. „Man kann sich das so vorstellen: Wie ein Computer einmal verdrahtet wird, so wird er später dann auch funktionieren. So hat beispielsweise das Kind einer adipösen Mutter auch ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst im späteren Leben an Übergewicht oder Adipositas zu erkranken, eben weil die Funktion des kindlichen Organismus schon durch die Bedingungen im Mutterleib geprägt wird“, so Koletzko.
Muttermilch als beste Nahrung für alle Säuglinge, auch für Frühgeborene
Auch nach der Geburt spielt die Ernährung eine zentrale Rolle. „Die beste Ernährung für Babys ist und bleibt die Milch der eigenen Mutter. Gerade auch für frühgeborene Säuglinge hat die Milch der eigenen Mutter große Vorteile und schützt z. B. vor ernsten Darmerkrankungen. Daher unterstützen wir ganz besonders Mütter von frühgeborenen Kindern, Milch abzupumpen, solange das eigene Kind noch zu schwach ist, selbst trinken zu können. Diese Muttermilch wird dann mit einem „Muttermilchverstärker“ mit Eiweiß und anderen Nährstoffen angereichert, die Frühgeborene in höherer Menge als reifgeborene Säuglinge benötigen“, erklärt Koletzko. Hat die Mutter keine eigene Milch, gibt es mit Muttermilchverstärker angereicherte gespendete Frauenmilch oder aber eine Spezialnahrung für Frühgeborene.
Einfluss von Stillen auf Adipositas
Ab dem Erreichen eines normalen Geburtsgewichtes hat der geringere Eiweißgehalt in der Muttermilch im Vergleich zu Flaschennahrung den Vorteil, dass einer übermäßigen Gewichtszunahme vorgebeugt wird. Stillkinder haben daher ein geringeres Risiko an Adipositas zu erkranken. „Unsere eigenen Untersuchungen bei fast 10.000 Kindern zeigen, dass früher gestillte Kinder im Schulalter 25 % weniger Risiko für Übergewicht und 30 % weniger Risiko für Adipositas haben“, erklärt der Experte den Zusammenhang. Das spätere Übergewichtsrisiko wurde nicht nur durch Stillen, sondern auch durch Auswahl einer Säuglingsnahrung mit niedrigem Eiweißgehalt und das Meiden von Kuhmilch als Getränk im ersten Lebensjahr vermindert.
Beikost als Schlüssel zur Nahrungsmitteltoleranz
Während früher oft eine späte Beikosteinführung und ein möglichst später Kontakt mit Lebensmitteln, die Unverträglichkeiten auslösen können, empfohlen wurde, zeigen umfangreiche neue Studiendaten, dass im Gegenteil eine frühe Beikostgabe das Allergierisiko reduziert. „Im 4. bis 6. Lebensmonats des Kindes zeigt das Immunsystem offenbar ein wichtiges Zeitfenster für die Immun- und Toleranzentwicklung. Werden in diesem Alter mit der Beikost Lebensmittel wie Hühnereiweis, pürierte Nüsse, Weizen und Fisch eingeführt, können bis zu 60 % der Nahrungsmittelallergien im späteren Kindesalter verhindert werden“, betont der Kinderarzt.
Geburtsart als Risikofaktor für Diabetes und immunologische Erkrankungen
Auch die Art der Geburt hat Einfluss auf den Stoffwechsel der Kinder. Während Babys, die natürlich auf die Welt kommen im Geburtskanal mit mütterlichen Milchsäurebakterien in Kontakt kommen, wird bei Babys, die durch Kaiserschnitt geboren werden, die Besiedlung durch verwendete Antibiotika und die Keime aus der Umgebung des Krankenhauses verändert. Das führt zu einer unterschiedlichen Bakterienbesiedelung des kindlichen Darms, verbunden mit erhöhten späteren Krankheitsrisiken. So haben Kaiserschnittkinder ein um 20-30 % höheres Erkrankungsrisiko für Diabetes, Übergewicht, und immunologische Erkrankungen. „Daher würde ich mir wünschen, Kaiserschnittgeburten auf medizinische Indikationen zu beschränken. Das sind ca. 10-12 % der Geburten. In vielen europäischen Ländern wird aber mehr als jedes dritte Kinder mit einen Kaiserschnitt-geboren“, so Koletzko.
Manchmal ist weniger mehr
Für die Gesundheit ist es wichtig, dass das kindliche Mikrobiom nicht zu viel gestört wird. „Eine zu häufige Gabe von Antibiotika im frühen Kindesalter kann das Risiko von Durchfallerkrankungen, und wahrscheinlich auch Diabetes und Autoimmunerkrankungen erhöhen sowie Antibiotika-Resistenzen auslösen. Wichtig ist daher, diese wichtigen Medikamente gezielt nur dann einzusetzen, wenn sie wirklich gebraucht werden“, so Koletzko. „Wir wissen mittlerweile, dass häufige Infektionen bei Kindern wie eine Mittelohrentzündung und Atemwegsinfektionen zumeist durch Viren ausgelöst werden. Bei diesen viralen Erkrankungen können Antibiotika nicht helfen und sollten daher dem Kind auch nicht verabreicht werden,“ so Koletzko. Die European Academy of Paediatrics formuliert daher auch entsprechende Empfehlungen.
Diabetes und hohes Cholesterin – häufigste Stoffwechselerkrankungen bei Kindern
Etwa eines von 400 Kindern erkrankt an einer Zuckerkrankheit (Typ-1-Diabetes), eines von 250 Neugeborenen leidet an einer erblichen Form eines stark erhöhten Blutcholesterinspiegels. Diese häufigen Stoffwechselerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen haben Kinderärzte im Blick und versuchen, sie früh zu erkennen. Teil der Therapie ist eine gezielte Ernährungsumstellung, die regelmäßig durch Medikamente ergänzt werden muss.
Über die IAKW-AG und den EAPS-Kongress
Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft) ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 21 Sälen, 134 Meetingräumen sowie rund 26.000 m² Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen.
Der 10. Kongress der European Academy of Paediatric Societies (EAPS) wird von den beiden europäischen Gesellschaften European Academy of Paediatrics (EAP) und European Society for Paediatric Research (ESPR) durchgeführt. Die European Academy of Paediatrics ist die geeinte Stimme für die Kindergesundheit und die Kinder- und Jugendmedizin in ganz Europa und vertritt 53 nationale Fachgesellschaften für Pädiatrie und 14 europäische Fachgesellschaften der pädiatrischen Teilgebiete. Der Kongress diskutiert neueste pädiatrische Fortschritte, beispielsweise in der Neonatologie, bei körperlichen und seelischen Erkrankungen, ihrer Erkennung und neuen Behandlungsmethoden. Der EAPS-Kongress wird von der Kenes Group für EAP und ESPR organisiert.
Aussender: Austria Center Vienna
Foto: Berthold Koletzko
Datum: 2024-10-16
Anmerkung fratz.at: Bei den hier stehenden Nachrichten handelt es sich um Originaltexte der jeweiligen Aussender.