Lars zappelt an Kathrins linker Hand – glückselige Funken sprühen aus seinen blanken Kinderaugen. Er kann es kaum erwarten. Auf dem Spielplatz wird er seinen Drachen im Wind knattern lassen, mit anderen Kindern durchs Gebüsch preschen, auf Bäume kraxeln, bis in den Himmel hoch schaukeln. Stunden, prall gefüllt mit Freude und Abenteuer, liegen vor Lars.
Ganz anders geht es seiner Mutter Kathrin: Sie steht auf dem Spielplatz meist alleine herum. Und darauf hat sie wie immer gar keine Lust. ,,Ich gehöre nicht dazu. Bin zu wenig oft hier. Das weiß ich und sie wissen es auch“, klagt Kathrin. Sie – das sind die anderen Mütter aus der näheren Umgebung. In der Sandkiste hocken stets die gleichen Mamas, wühlen hingebungsvoll mit ihrem Nachwuchs im Sand, stürzen feuchte Kuchen aus bunten Plastikförmchen. Sie scheinen sich seit ewigen Zeiten zu kennen.
Tauschen sich aus über die Tücken des Alltags, zerren Streithähne auseinander, putzen auch mal einem anderen Rabauken die Nase. So wird eine lange Weile kurz auf dem Spielplatz. Die Zeit, die rennt. Man merkt es kaum. Die Frauen scheinen sich selbst genug, zeigen wenig Initiative von sich aus ihren Mütterkreis für eine Neue zu öffnen. So kommt es zumindest Kathrin vor.
Der erste Schritt – kein Kinderspiel
„Schade“, hadert Kathrin und gleichzeitig scheut sie davor zurück, selbst aktiv zu werden. Sich einfach mit ihrem Sohn dazuzusetzen. „Die ist lieber allein“, geistert vielleicht durch die Köpfe der anderen Mütter. So denkt jeder am anderen vorbei, keiner tut den ersten Schritt. Achtlosigkeit, Vorurteile und Unsicherheit türmen sich zu einer unsichtbaren Mauer. Blockieren mögliche Freundschaften, neue Einsichten, vergnügliche Stunden. Denn nichts passiert.
„Dabei lohnt es sich, Brücken zu schlagen“, meint Dr. Martina Leibovici- Mühlberger, Erziehungsexpertin, Ärztin, Psychotherapeutin und Lehrmediatorin. „Egal, ob berufstätig oder nicht, In- oder Ausländerin, jünger oder älter – alle Mütter haben etwas gemeinsam.
Ihre Kinder. Sich trauen, auf Menschen zuzugehen ist stets ein Gewinn. Mit Kindern über eigene Alltagsgrenzen zu blicken, über andere Erziehungsmethoden als die eigenen zu reflektieren, zu erfahren wie andere Haushalte funktionieren.“ Wenn das nur so einfach wäre. Kathrin ist nicht die Einzige, die keinen Anschluss findet.
Eine junge Frau stöckelt auf High Heels zwei Buben mit erhitzten Gesichtern hinterher. Sie sieht aus, als wäre sie mitten aus einem Business-Meeting gestürzt und gedanklich noch nicht auf der Spielwiese angekommen. Auf einer gelben Wackel-Ente heult ein Mädchen, die Mutter tröstet es auf Schwedisch.
Auch sie ist allein. Die Blicke der Mütterrunde erreichen das angedeutete Lächeln der jungen Frau nicht, bohren sich von unten nach oben an Schuhwerk und knallenger Hose fest. Am liebsten käme ich gar nicht mehr her, denkt Kathrin und fühlt sich schuldig. Denn Lars, ihr Sohn, erlebt Sternstunden hier.
Soziale Ängstlichkeit wird übertragen
Soziale Ängstlichkeit wird oft von den Eltern auf die Kinder übertragen. Wer selbst menschenscheu ist, hat meist nur einen kleinen Freundeskreis. Kinder haben seltener die Gelegenheit, spontan neue Spielkameraden kennen zu lernen. Können ihre natürliche Freude an der Gemeinschaft weniger oft ausleben.
„Wer Gespräche mit anderen Eltern meidet, vielleicht gar nicht mehr auf den Spielplatz geht, weil er sich selbst nicht wohlfühlt, rettet lediglich seine eigene Haut“, meint die Erziehungsexpertin Dr. Leibovici- Mühlberger weiter. „Oft genug springen Mütterpräferenzen auf die Kinder über. Wen man zu Geburtstagsfeiern einlädt oder ausschließt, ist letztendlich eine persönliche Entscheidung.“
Das eigene Kind im Abseits. Nicht eingeladen zu vergnüglichen Kindernachmittagen, da bebt jedes Mutterherz. Freunde machen glücklich. Kinder mit Freunden sind einfühlsamer, großzügiger und selbstbewusster. In schwierigen Phasen verlieren sie nicht so leicht den Boden unter den Füßen. Das gilt auch für Erwachsene.
Warum nicht die freien Stunden auf dem Spielplatz nutzen? Wieder neugierig sein auf den Menschen, der drei Meter vor uns sein Kind hochschaukelt, Hemmschwellen überwinden. Eigene Schatten sind zum Überspringen da. Die Kinder, sie schauen zu und lernen, worauf es im Leben ankommt: mit anderen Menschenumzugehen. Und schon kann ein glanzloser Nachmittag auf dem Spielplatz in einem ganz anderen Licht erstrahlen.
Titelfoto: pixabay/Manfred Antranius Zimmer