David pfeffert seine Sporttasche mitten ins Wohnzimmer, nicht wie abgemacht in eine Ecke. Die Mutter bückt sich automatisch. „Ständig räumst du dem Fratz hinterher. So wird David nie erwachsen“, blafft der Vater. Teenager David ist das so-was-von-egal. Ist ja jeden Tag das Gleiche.
Reicht das, damit der Familienfrieden wackelt? Aber ja! So eine herumkullernde Tasche bietet jede Menge Zündstoff! Für Kinderlose kaum vorstellbar.
Mama die Gute. Papa der Buhmann
Wie machen wir es richtig? Was ist das Beste für unseren Nachwuchs? Besonders beim ersten Kind erhitzen sich elterliche Gemüter über diese Frage. Eines ist klar: Völlig einig werden Mutter und Vater kaum sein. Weil eben kein Mensch dem anderen gleicht, jeder anders denkt, fühlt und handelt, sowie in Stresssituationen dazu neigt, zu reagieren wie die eigenen Eltern einst. Auch wenn man dies nicht möchte.
„Dem Kind schadet das nicht. In alltäglichen Situationen dürfen Eltern unterschiedlich entscheiden, sich so verhalten, wie sie es für sinnvoll erachten. Das Kind lernt, sich auf unterschiedliche Persönlichkeiten einzustellen. Zu vergleichen und zu akzeptieren, dass nicht nur eine Meinung zählt und die richtige ist“, sagt Angelika Braza, zertifizierte Elterntrainerin aus Vorarlberg. „Strenger, konsequenter ist, wer die meiste Zeit mit dem Sprössling verbringt. Die Mutter häufig. Väter hingegen schwenken schon mal das weiße Fähnchen, statt einen vorabendlichen Kleinkrieg anzuzetteln.“
Hü oder hott?
Unterschiedliche Erziehungsstile sind aber nicht nur Knackpunkt zwischen Eltern. Wenn’s bei Oma und Opa Süßigkeiten als „Trösterli“ gibt, Eltern ihren Kindern Naschzeug hingegen ausschließlich „wertfrei“ (ohne Weh) verteilen – dann gibt’s Ärger. „Enkerl nach Kräften zu verwöhnen liegt im Wesen von Großeltern“, meint Angelika Braza. „Das sollten sie auch tun dürfen.“
Die Expertin rät zu konsensorientiertem Vorgehen: „Miteinander im Gespräch bleiben. Gemeinsame Linien finden oder Unterschiedlichkeiten akzeptieren. Bei Kinkerlitzchen die Goldwaage einpacken. Krasse Probleme hingegen sofort ansprechen.“ Nehmen Sie nichts schweigend hin, was Ihnen Sorgen macht.
Kleine Blitzgneißer
Unter fünf Jahren spielen Kinder Eltern eher unbewusst gegeneinander aus. Raffi nierter gelingt das mit Beginn der Volksschulzeit: Wo gehe ich hin, um etwas zu bekommen? Wer schenkt mir jederzeit Aufmerksamkeit? Ruckzuck haben Kids den Dreh heraus, welche „Knöpfe“ sie bei Erwachsenen drücken müssen.
„Unterschiedliche Erziehungsstile dürfen jedoch nicht dazu missbraucht werden, um sich beim Kind einzuschmeicheln (ich hab dich lieber …) oder den Partner auszuspielen (was Papa nicht weiß …)“, sagt Angelika Braza. Sonst verstricken sich Kinder in Loyalitätskonflikten: Zu wem halte ich nun?
Worum geht’s eigentlich?
Hinter dem Streit um Kindererziehung steckt nicht immer das Wohl des Kindes, sondern: Besserwisserei, Macht oder ungeklärte Partnerschaftskonflikte. „Werden Erziehungsstreitigkeiten zum belastenden Dauerthema, ist es Zeit, sich mit der eigenen Beziehung auseinanderzusetzen“, sagt Angelika Braza. Sich zu fragen: Worum geht es mir eigentlich? Um die Sache selbst? Oder kann ich den Konflikt gerade nicht ertragen, weil seine Wurzeln in der Lebensgeschichte meines Partners stecken?
Streiten vor dem Kind?
„Ein fairer Streit, auch eine heftige Diskussion schadet Kindern nicht“, so die Expertin. „Vorausgesetzt die Familienatmosphäre ist grundsätzlich von Achtung, Liebe und Vertrauen geprägt.“ Wichtig dabei: Kinder, Kinder sein lassen. Nicht versuchen kleine Erwachsene aus ihnen zu machen, ihnen gar Verständnis für Ehezwistigkeiten abzuverlangen, die ihre seelischen Kräfte überfordern. Trennen sich die Eltern, ist von Einstimmigkeit oft keine Spur.
Zu Lasten der Kleinen. Kindergarten- oder Vorschulkindern ist jetzt Einheit und Klarheit bezüglich struktureller Dinge besonders wichtig: Wann und wie oft holt Papa mich ab? Wie sieht mein neues Zimmer aus? Wo steht mein Bett? Meine Spielsachen? Natürlich sollte man nicht heile Welt spielen – Kinder bekommen das mit. Besser ist, „einstimmig“ zu erklären,warum Mama und Papa nicht mehr zusammen wohnen.
Papa hat aber gesagt …
Beim Ex-Partner wird bis spät abends Rommé gespielt? Es gibt mehr Fernsehen? Mehr Knabberzeug?
„Halb so schlimm“, sagt Angelika Braza. „Lassen Sie Ihre Kinder unterschiedliche Erfahrungen in verschiedenen Haushalten machen. Ist das Kind gerne beim Vater, dann passt das auch.“ Erst bei krassen Erziehungsunterschieden ist Einmischen gefragt. Mütter müssen nicht immer alles kontrollieren oder richtungsweisende Kommentare aussenden.
Nichts Unmögliches verlangen
Erlauben. Verbieten. Doch erlauben. Klar, man kann Kinder auch verwirren. Gelten Regeln, an denen sonst eisern festgehalten wird, mit einem Mal nicht mehr, so verunsichert das kleine Erdenbürger.
Deshalb: Ein Mindestmaß an Absprache muss sein. „Klären Sie Grundsätzliches wie: Wann ist Schlafenszeit? Darf das Kind ins Ehebett? Wenn ja – unter welchen Umständen? Was passiert, wenn das Kind lügt? Stiehlt? Welche Konsequenzen setzen wir ein?“, rät Angelika Braza.
Fazit: Kinder vertragen Abwechslung. Damit, dass Erwachsene eben verschieden sind, können sie ganz gut leben. Und dabei lernen: Mama und Papa sind Worauf es ankommt auch nur Menschen.
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