Zwillinge im Fokus

Zwillinge werden von der Wissenschaft genau erforscht. Warum das auch für "Einlinge" so wichtig ist, erklärt der renommierte Zwillingsforscher Dr. Andreas Busjahn im Gespräch mit fratz&co.

Warum sind wir so, wie wir sind? Sind die Gene der Grund dafür oder doch die Prägung durch die Umwelt. Und was hat mehr Gewicht? Beeinflussen die Gene unsere Ernährung oder ist es umgekehrt? Sind die Erbanlagen oder unser Lebensstil schuld, wenn eine Krankheit ausbricht? Die idealen Forschungskandiaten für solche und ähnliche Fragen sind Zwillinge. Der Einfluss der Gene und der Umweltfaktoren lässt sich am besten durch den Vergleich von eineiigen Zwillingen, diese haben nahezu idente Erbanlagen, und zweieiigen Zwillingen, deren Gene zur Hälfte übereinstimmen, abschätzen.
„Zwillingsschwestern brachten Babys am selben Tag zur Welt“, „Zwillinge, warum ihre Erforschung uns allen nützt“. Mit solchen und ähnlichen Schlagzeilen ist Aufmerksamkeit garantiert.
fratz&co hat sich auf die Spuren der Zwillingsforschung gemacht. Antworten auf unsere Fragen haben wir vom renommierten Berliner Zwillingsforscher, Dr. Andreas Busjahn, Leiter des Instituts HealthTwiSt, „Health Twin Studies – Zwillingsforschung für die Gesundheit“ bekommen. Er betont: „Wir sind den Zwillingen sehr dankbar, die uns in unseren Studien unterstützen und hierfür einiges an Zeit opfern. Ohne diese Bereitschaft wäre eine moderne Gesundheitsforschung viel schwieriger, denn nicht alles lässt sich von der Untersuchung an Mäusen auf den Menschen übertragen.“

Zwillingsschwangerschaften im Fokus der Medizin

Doch die moderne Medizin profitiert nicht nur von der Zwillingsforschung. Sie kann inzwischen auch sehr viel für Zwillinge tun, und zwar auf deren Weg ins Leben, der ja nicht immer ganz komplikationsfrei ist. „Zwillingsschwangerschaften sind immer als Risikoschwangerschaften anzusehen, da verglichen mit Einlingen häufiger Fehlgeburten, Wachstumsprobleme, Frühgeburten und Geburtskomplikationen auftreten“, weiß Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Philipp Klaritsch, vom Grazer Kompetenzzentrum für komplizierte Mehrlingsschwangerschaften an der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde. „Doch aufgrund der guten Vorsorge in unseren Breiten verläuft ein Großteil der Schwangerschaften ohne ernsthafte Probleme“, unterstreicht Klaritsch die Notwendigkeit, spezielle Risikofaktoren früh zu erkennen und zu behandeln.

Ein Mutterkuchen für zwei

Hierzulande werden immer mehr, derzeit rund 1.200, Zwillinge pro Jahr geboren. Die tatsächliche Anzahl der Mehrlingsschwangerschaften ist höher, da ein Teil vor der Geburt an Komplikationen verstirbt. Die Gründe für ein Plus bei Zwillingsgeburten sind ein höheres Alter der Schwangeren sowie ein zunehmender Einsatz der künstlichen Befruchtung.
Ein Drittel aller Zwillingsschwangerschaften ist eineiig, wobei etwa zwei Drittel davon ganz spezifischen Komplikationen ausgesetzt sein können. „Sie sind monochorial. Das bedeutet, dass sich die beiden Kinder eine gemeinsame Plazenta (Mutterkuchen) teilen“, erklärt Klaritsch. Die Folge kann eine lebensbedrohliche Durchblutungsstörung (FFTS, feto-fetales Transfusionssyndrom) sein.
Die Blutgefäße, die auf der Oberfläche der Plazenta laufen, verbinden die Nabelschnüre der Zwillinge und somit auch deren Kreisläufe. „In zehn Prozent der Fälle entwickelt sich ein erhebliches Ungleichgewicht im Blutaustausch, was eine Kreislaufüberlastung des einen und eine Unterversorgung des anderen Zwillings zur Folge hat“, führt der Mediziner aus und warnt: „Ohne Behandlung führt das FFTS meist zum Versterben der betroffenen Kinder.“ Heute kann man mittels eines minimal-invasiven Laser-Eingriffs das Problem beheben. In der Vergangenheit war die einzig mögliche Behandlung durch Fruchtwasserpunktion Komplikationen, wie einen vorzeitigen Blasensprung oder eine Frühgeburt, zu verhindern. Dabei wurde aber die Ursache der Erkrankung nicht behoben.
Beim Laser-Eingriff hingegen erzielt man eine Unterbindung der verbindenden Gefäße und erreicht eine Gesamtüberlebensrate von 70 bis 80 Prozent sowie eine normale neurologische Entwicklung in 85 Prozent der Fälle. „Wichtig ist also eine frühzeitige Identifizierung eines monochorialen Mutterkuchens“, unterstreicht Klaritsch. „Im ersten Schwangerschaftsdrittel kann dies mittels einer Ultraschalluntersuchung eindeutig bestimmt werden“. Außerdem entfällt im Fall der Fälle für einen Eingriff die Reise ins Ausland, wie dies früher notwendig war. In Graz hat man sich erfolgreich auf die Behandlung komplizierter Mehrfachschwangerschaften spezialisiert.
Zum Interview mit Dr. Busjahn
Text: Helene Fiegl
Foto: SvetlanaFedoseyeva – shutterstock.com
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