Der Kaiserschnitt erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit: Immer mehr Frauen in Österreich entscheiden sich für diesen Weg, um ein Baby auf die Welt zu bringen.
Es ist ein Trend:
Immer mehr Frauen hierzulande wie in ganz Mitteleuropa wollen ihr Baby per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Lag die Quote dieser Geburtsart Ende der 90er Jahre noch bei rund 15 Prozent und damit voll im Rahmen der WHO-Empfehlung, hat sie drastisch zugenommen. Bundesweit entbinden inzwischen fast ein Drittel aller Frauen per Kaiserschnitt, im Vergleich mit unseren Nachbarländern ein Spitzenwert.Getoppt wird dieser Wert in manchen Kliniken, wo die Rate sogar den Schwellenwert von 50 Prozent übersteigt. Generell muss man zwei Arten von Kaiserschnitten unterscheiden. In einigen Fällen ist diese Geburtsart medizinisch angezeigt. Zum Schutz der Gesundheit von Mami und Kind wird dann der Eingriff vorgenommen. Davon zu trennen sind die Wunsch-Kaiserschnitte, die von so manchem Mediziner und Psychologen kritisch gesehen werden. Aber warum?
Pfannenstiel vs. Misgav-Ladach
Dazu müssen wir uns zunächst den Ablauf eines Kaiserschnittes genauer ansehen. Dabei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, der in der heutigen Zeit zu den Routineeingriffen gehört und ohne das Auftreten von Komplikationen je nach Methode zwischen 15 und 30 Minuten dauert. Der Standard ist der Kaiserschnitt nach Pfannenstiel. Der Schnitt misst dabei zwischen acht und 15 Zentimeter. Er wird vom Operateur in den meisten Fällen quer über den Bauch zwei bis drei Zentimeter oberhalb des Schambeins ausgeführt. Dadurch wird diese Kaiserschnittvariante auch „Bikinischnitt“ genannt – die Narbe ist bei der Wahl des entsprechenden Bade-Outfits nicht zu sehen. Im Zuge der OP müssen neben der Haut auch das Fettgewebe, das Bindegewebe, die Bauchmuskulatur sowie das Bauchfell durchschnitten werden. So gelangt der operierende Mediziner bis zur Gebärmutter, die er ebenfalls mit einem Schnitt öffnen muss. Durch den entstehenden Spalt kann die Fruchtblase etwas nach außen treten. Sie wird ebenfalls geöffnet, wobei das Fruchtwasser abgesaugt wird.
Unmittelbar daran anschließend wird das Baby aus der Gebärmutter geholt. Als sanfter Kaiserschnitt wird die Methode nach Misgav-Ladach beurteilt. Der Operateur setzt auch hier einen bis zu zwölf Zentimeter langen Querschnitt oberhalb des Schambeins. Im Vergleich zu Pfannenstiel werden die darunter liegenden Schichten deutlich schonender behandelt. Sie werden nämlich nur leicht eingeschnitten, auseinandergezogen und auf diese Weise gedehnt. Die Verletzungen von Blutgefäßen und insbesondere von Nervenbahnen wird so auf ein absolutes Minimum reduziert. Auch der Gebärmutterschnitt fällt mit zwei Zentimetern kleiner aus als bei der Pfannenstiel-Methode. Während bei der Pfannenstiel-Methode sowohl die Gebärmutter als auch alle Schichten genäht werden müssen, beschränkt sich dies bei Misgav- Ladach auf die Gebärmutter, die sie umgebende Hülle sowie die Haut. Diese kann unter Umständen auch nur geklammert werden.
Vorteile der Misgav-Ladach-Methode sind geringere Risiken durch die kleineren Verletzungen, ein daraus folgender schnellerer Heilungsprozess und ein deutlich geringerer Einsatz von Schmerzmitteln. Nicht für jede Frau kommt die sanfte Version des Kaiserschnitts in Frage. Bei bestimmten Vorerkrankungen oder vorausgegangenen operativen Eingriffen im Bauchraum kann Misgav-Ladach nicht möglich sein. Auch bei stark übergewichtigen Frauen scheidet diese Methode meist aus. Bei Ihnen wird der Kaiserschnitt durchaus senkrecht – also in Verlängerung vom Brustbein – ausgeführt.
Die Anästhesie
Da es sich um einen schweren operativen Eingriff mit entsprechenden Schmerzen handelt, werden Kaiserschnitte nur mit entsprechender Anästhesie durchgeführt. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Vollnarkose und die Periduralanästhesie ( PDA ). Die zweite Variante gehört zu den Betäubungen der Rückenmarksnerven. Deren Wurzeln werden dazu schmerzfrei gemacht, weil sie den zu operierenden Bereich durchziehen. Bei einer PDA ist die körperliche Belastung nicht so groß wie bei der Vollnarkose. Zudem bietet diese Form der Anästhesie der Frau die Möglichkeit, die Geburt mitzuerleben. Und: Unmittelbar nachdem das Baby das Licht der Welt erblickt hat und erstversorgt wurde, kann Mami den Säugling schon in die Arme nehmen. Das fördert die Mutter-Kind-Bindung. Bei der Vollnarkose muss die Aufwachphase hingegen erst abgewartet werden. Das Argument der Mutter-Kind-Bindung in Verbindung mit den größeren Risiken einer Vollnarkose im Vergleich zur PDA gibt den Ausschlag für die Periduralanästhesie.
Warum Kaiserschnitt?
Wie bereits erwähnt gibt es medizinisch indizierte Fälle, in denen ein Kaiserschnitt die (einzige) sinnvolle Lösung bietet. Die allermeisten davon sind geplante Eingriffe. Nur in Ausnahmesituation, wenn beispielsweise unmittel bar vor oder während der Geburt Komplikationen auftreten, kann ein Akut-Kaiserschnitt durchgeführt werden. Ziel ist es dabei immer das Leben von Mutter und Kind zu retten! Zu den typischen Ursachen für diesen schnellen Eingriff zählen eine mögliche Unterversorgung des Babys mit Sauerstoff, ein Stillstand des Geburts vorgangs, ein vorzeitiger Blasensprung, ein Nabelvorfall und so weiter. Für einen geplanten Kaiserschnitt sprechen unterschiedliche Gründe. Ist der Körper des Babys zu groß und besteht damit die Gefahr, dass es nicht durchs Becken der Mutter passt, kann der Arzt den Kaiserschnitt empfehlen. Gleiches gilt, wenn die Lage des Babys eine reibungslose natürliche Geburt aussichtlos erscheinen lässt, etwa bei Quer- oder Beckenendlage.
In Fällen, in denen das Risiko von Komplikationen erhöht ist, kann es sinnvoll sein, von vornherein auf den Kaiserschnitt zu setzen: Dies ist bei Mehrlingsschwangerschaften ebenso der Fall wie bei Frühchen vor der 32. Schwangerschaftswoche. Ein wesentliches Argument für einen Kaiserschnitt ist auch eine HIV-Infizierung der Mutter. Denn bei der natürlichen Geburt besteht ein deutlich höheres Risiko. Wissenschaftliche Studien dokumentieren eine Verringerung der Infektionsrate des Babys während der Geburt durch einen Kaiserschnitt auf fast die Hälfte. Daneben bestehen – wie bei jedem chirurgischen Eingriff – auch beim Kaiserschnitt Risiken für die Betroffenen.
Während des Eingriffes kann es zu unbeabsichtigten Blutungen durch die Verletzung eines Gefäßes. Auch die Möglichkeit einer Nervenschädigung ist bei Operationen dieser Art immer eine Gefahr. Zudem könnten auch Nachbarorgane im Bauch beschädigt wer den. Wie bei vielen chirurgischen Eingriffen besteht auch beim Kaiserschnitt die Gefahr, dass es zu einer Embolien kommen kann. Darunter wird eine mitunter höchst lebensbedrohliche Verstopfung von Blutgefäßen verstanden. Weiters sind natürlich alle Gefahren einer Voll- oder Teilnarkose mit in die Überlegungen eines Kaiserschnitts einzubeziehen. Ein Risiko, was ebenfalls bei jeder Operation besteht, ist eine anschließende Infektion der betroffenen Bereiche. Dies kann die inneren Organe ebenso betreffen wie die Haut.
Hier kann es zu einer optisch unschönen Narbenbildung kommen. Um einer Reihe von Folgeerkrankungen vorzubeugen, erhalten Kaiserschnitt-Patientinnen nach dem Eingriff Heparinsprizten und müssen Stützstrümpfe tragen. So soll einer Venenthrombose Vorschub geleistet werden. Ferner soll die Zurückbildung der Gebärmutter mit der Gabe von Oxytocin, einem Hormon, unterstützt werden. Die frischgebackene Mami steht für mindestens 24 Stunden unter regelmäßiger ärztlicher Beobachtung. In Intervallen vor circa vier Stunden sollte der Gynäkologe die Standardparameter wie Puls und Blutdruck sowie den Stand der Gebärmutter kontrollieren. Der Kaiserschnitt ist nicht nur für die werdende Mami ein anstrengender Akt. Das Kind erlebt auch diese Art der Geburt mit. Hieraus resultiert immer wieder, dass das Baby in den ersten Tagen auf dieser Welt einfach erschöpft und müde ist. In der Folgezeit ist es recht schläfrig. Daneben kann es zu Komplikationen bei der Atmung des Kindes kommen.
Denn vor natürlichen Geburt wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, was für die Wehentätigkeit mit verantwortlich ist. Es hat zudem eine Wirkung auf Babys Lunge. Die wird dadurch quasi final aktiviert und auf die bald kommende eigene Atmung vorbereitet. Beim Kaiserschnitt entfällt die Ausschüttung des Oxytocins weitgehend. Der Kaiserschnitt – in Verbindung mit der folgenden Baby-Ernährung – kann zu einer minderausgebildeten Darmflora mit langfristigen Folgen führen. Bei der natürlichen Geburt wird der Verdauungstrakt regelrecht aktiviert – von der Massage in Mamis Bauch bis hin zur Aufnahme erster Keime.
Wird das Baby in der Folgezeit gestillt, werden Magen-Darm-Trakt und Immunsystem optimal fürs Leben vorbereitet. Beim Kaiserschnitt fällt die geburtliche Vorbereitung von Magen und Darm weg. Erhält ein Baby dann auch noch künstliche Nahrung, besteht das Risiko, später an Asthma, Allergien oder Fettleibigkeit zu erkranken. Dies haben kanadische Wissenschaftler erforscht. Weiters können psychische Störungen im Verhältnis von Mutter und Kind auftreten. Dies gilt besonders für den Kaiserschnitt unter Vollnarkose. Die Mami ist dann zwar oft schon nach etwa zehn Minuten ansprechbar, wach ist sie aber erst nach deutlich längerer Zeit.
Es ist von Fall zu Fall abhängig, wie schnell diese Mütter Ihr so ersehntes Baby zum ersten Mal im Arm halten können. Je früher das passiert, desto intensiver ist die prägende Mutter-Kind-Bindung. Das Bonding ist inzwischen Standard in den Geburtskliniken. Denn der direkte Hautkontakt schafft die ideale Grundlage für eine optimale Stillbeziehung zwischen Mutter und Baby. Warum wollen – gerade auch vor dem Hintergrund der bestehenden Risiken – Frauen immer häufiger eine Kaiserschnitt-Geburt? Eines der stärksten Gefühle spielt da eine Rolle.
Die Angst
Sie kann ein grundsätzliches Gefühl in Bezug auf den Ablauf der natürlichen Geburt sein. Immer wieder berichten Frauen auch, dass sie einfach Angst vor den immensen Schmerzen hätten. Wichtig für diese Frauen ist, dass sie sich mit ihren Ängsten auseinandersetzen. Diverse Stellen in Österreich bieten hierfür Sprechstunden oder Gesprächsrunden. Scheuen Sie sich nicht, dieses Angebot wahrzunehmen. Denn für seine Ängste muss sich niemand schämen. Sie sind ganz natürlich und gehören zu einem.
Text: Stefan Trockel
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