Papi in spe läuft nägelkauend und kettenrauchend im Gang vor dem Kreißsaal auf und ab, bis der Sprössling endlich seinen ersten Schrei tut – in den 1960er-Jahren war das Usus. Heutzutage ist das Bild ein anderes: Die Gänge sind von wartenden Omas und Opas samt Babys Geschwisterchen okkupiert, das Rauchen ist nicht nur auf den Gängen, sondern im gesamten Spitalsgelände untersagt. Einzig der Kaffee aus dem Automaten schmeckt gleich (schlecht). Das stört den „modernen, aufgeklärten“ Mann kaum, denn er ist ja im Kreißsaal … Das hat viele Vorteile – gelegentlich können daraus aber auch Enttäuschungen resultieren.
Eine Metaanalyse der University of Toronto* kam beispielsweise zu dem Schluss, dass sich die Zahl der Kaiserschnitte und Zangengeburten signifikant erhöht hat, seit Männer ihren Frauen bei der Geburt beistehen – möglicherweise, weil der werdende Vater seine Nervosität auf die Partnerin überträgt. Danach gefragt, von wem Frauen am liebsten zur Geburt begleitet werden, geben sie – Überraschung! – einer vertrauten weiblichen Person den Vorzug …
Überwältigendes Ereignis
Mehr als 90 Prozent aller österreichischen Paare sehen es als selbstverständlich an, dass der werdende Vater bei der Geburt dabei ist. Für seine Anwesenheit spricht auch viel: Eltern werden beide gemeinsam. Die Geburt ist ein überwältigendes Erlebnis, das die Paarbeziehung stärken kann. Und: Die Anwesenheit des Partners wirkt in vielen Fällen sehr beruhigend auf die Gebärende. „Mein Mann war mir eine große Unterstützung im Kreißsaal“, erinnert sich Carolyn, 32. „Er hat Händchen gehalten, mein Krankenhausessen gegessen, mir gut zugeredet, mich massiert und mir eine Lektion in Atemtechnik erteilt. Die Hebamme meinte hinterher schmunzelnd, er habe den Beruf verfehlt.“
Nun erweisen sich zwar viele, aber bei weitem nicht alle Männer für ihre Partnerin als Stütze. Manche Frauen beklagen das mangelnde Einfühlungsvermögen ihrer Männer während der Geburt; manche können nicht richtig „loslassen“, solange der Partner bei ihnen sitzt – die Geburt geht erst dann auffallend voran, wenn er den Kreißsaal für eine Weile verlässt.
Traumatische Erfahrungen
„Ich stelle mir das horrormäßig vor, wenn der Mann zusieht, wie ich da liege, hocke, hänge oder was auch immer – schreiend, schwitzend, hechelnd, blutend“, gesteht Tamara, 27. „Erinnert er sich dann nicht später beim Sex daran, wie schlimm das alles ausgesehen hat?“ Dass solche und ähnliche unausgesprochene Ängste den Geburtsvorgang nicht eben beschleunigen, versteht sich von selbst. Nun behauptet Bestsellerautor Michael Odent, ein bedeutender Verfechter der sanften Geburt und selbst Geburtshelfer, dass sich die Anwesenheit von Vätern tatsächlich langfristig negativ auf die Sexualität des Paares auswirke. Und er ist nicht der Einzige … Die empirische Forschung kann diese Behauptung allerdings nicht bestätigen. Vielmehr zeigt sich, dass die meisten Männer ihre Frauen nach der Geburt körperlich mindestens ebenso anziehend finden wie zuvor. Sie erinnern sich später vor allem an die Tapferkeit ihrer Partnerin und an das Glücksgefühl, als alles geschafft war und das Neugeborene in ihren Armen lag.
Doch es gibt natürlich auch Ausnahmen: Männer, denen – von der Geburt überfordert – die Lust am Sex vergangen ist. Patrick, 38, wagt darüber zu sprechen: „Die Geburt meiner Tochter war für mich ein traumatisches Erlebnis“, sagt er. „Ich musste zusehen, wie meine Frau leidet, und konnte rein gar nichts tun. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich das Ganze verarbeitet habe, in dieser Zeit hatte ich null Bock auf Sex.“
Gefälligkeiten? Kontraproduktiv!
Um vom Geschehen im Kreißsaal und der eigenen Hilflosigkeit nicht völlig übermannt zu werden, ist es wichtig, dass sich das starke Geschlecht gut auf die Geburt vorbereitet, also etwa einen Geburtsvorbereitungskurs besucht. Darüber hinaus empfiehlt es sich, während der Schwangerschaft regelmäßig über die jeweiligen freudigen und sorgenvollen Erwartungen im Hinblick auf die Geburtssituation zu sprechen … und auch „Was wäre wenn“-Szenarien durchzuspielen: Während der Entbindung soll die werdende Mama nämlich sagen dürfen, wenn sie den Partner gerne mal ein bisschen draußen hätte. Und wenn’s dem Mann zu viel wird, muss er die Möglichkeit haben, den Kreißsaal zu verlassen. Überhaupt: Wer sagt, dass Mann unbedingt der Geburt beiwohnen muss? Hier heißt es kritisch hinterfragen: Wie viel ist gesellschaftliches Normbild, wie viel Druck durch die Frau? „Ist der Mann nämlich nicht überzeugt, dabei sein zu wollen, kann er seiner Frau nicht den nötigen Halt und die dadurch mögliche Sicherheit geben. Er würde vielleicht vorhandene Ängste und Unsicherheiten verstärken“, gibt der deutsche Psychologe und Körperpsychotherapeut Mag. Gerd Poerschke im neu erschienenen Buch „Vater werden ist nicht schwer“ zu bedenken. „Ebenso muss klar sein, dass die Frau ihren Mann tatsächlich dabei haben möchte. Es sollten in beiden Fällen keine Gefälligkeiten im Spiel sein.“
Freundin kommt mit
Manche Frauen planen ohnehin von vornherein die beste Freundin oder die Schwester als Geburtsbegleiterin ein. Es spricht auch nichts dagegen, dass sich der Kindesvater und die vertraute weibliche Person im Kreißsaal ablösen. Bastian, 38, hat’s ausprobiert: „Dass die Schwester meiner Frau mit dabei war, nahm die große Last von mir, die alleinige Verantwortung zu tragen“, erzählt er von seinen Erfahrungen. „Als mir alles zu viel wurde, konnte ich mich eine Zeitlang ohne schlechtes Gewissen zurückziehen, weil ich ja wusste, dass meine Frau gut umsorgt wird. Im entscheidenden Moment, als unser Sohn das Licht der Welt erblickte, war ich wieder bei meiner Frau, und diese Erfahrung möchte ich nicht missen!“
ratzfratzDoula – „Dienerin der Frau“ Vater werden ist nicht schwer? |
Mag. Karin Martin
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