Blut ist ein ganz besonderer Saft –
und so individuell, wie Sie selbst es sind. Neben Gewebe-Eigenschaften und der Blutgruppe kommt unter den zahlreichen Blutfaktoren vor allem dem Rhesusfaktor entscheidende Bedeutung zu, insbesondere für die werdende Mutter und ihr ungeborenes Kind.
Rhesus negativ – was bedeutet das?
Der Rhesusfaktor gehört zu den Blutgruppenmerkmalen und sagt aus, ob ein bestimmtes Eiweiß auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorhanden ist oder nicht. Dieses Protein wurde 1940 im Blut von Rhesusaffen entdeckt; daher auch der Name. Heute verwendet die Wissenschaft dafür die Bezeichnung „Rhesusfaktor D“: Hat eine Person – wie die allermeisten Menschen – das Rhesusfaktor- D-Antigen im Blut, ist sie rhesuspositiv (Rh+). Hat sie es nicht – wie rund 15 bis 17 Prozent –, dann ist sie rhesusnegativ (Rh–).
Rhesusnegative Mutter
In der Schwangerschaft bekommt der Rhesusfaktor nur dann Bedeutung, wenn eine rhesusnegative Frau von einem rhesuspositiven Mann schwanger wird – und das Kind wie der Vater (Rh+) ist: Genetisch sind beide Varianten möglich, bis zur Geburt ist nicht klar, ob das Kind den Faktor geerbt hat … was hierzulande etwa neun- bis zehntausend oder rund 12 Prozent aller Neugeborenen betrifft.
Das Ungeborene als „Feind“
In jeder Schwangerschaft kann es zur Vermischung von mütterlichem und kindlichem Blut kommen. Problematisch wird das bei rhesusnegativen Frauen, die ein rhesuspositives Kind erwarten. Das Immunsystem der Mutter betrachtet die roten Blutkörperchen des Kindes nämlich als „Feinde“ und bildet Abwehrstoffe (Antikörper), die sie angreifen und vernichten. Außerdem merkt sich das Immunsystem der Mutter diese „Feinde“ unwiderruflich ein Leben lang – man spricht von einer „Rhesussensibilisierung“, die in Österreich aber nur bei rund 300 Schwangerschaften beobachtet wird.
Was passiert in der Schwangerschaft?
Zu Beginn der ersten Schwangerschaft – Achtung: auch vorangegangene Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche zählen! – patrouillieren die Abwehrzellen noch nicht: Die Mutter hat noch keine Antikörper gebildet. Aber schon während der Schwangerschaft kann sich Blut des Kindes in den mütterlichen Blutkreislauf „verirren“. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit der Dauer der Schwangerschaft und ist im letzten Drittel am höchsten. Auch diverse Diagnose- und Behandlungsmethoden – Fruchtwasseruntersuchungen, Placenta- Biopsien, intrauterine Bluttransfusionen – erhöhen das Risiko; ebenso wie vorzeitige Wehen, Eileiterschwangerschaften und Bauchtraumen (Unfälle, Misshandlung, Stichverletzungen). Spätestens bei der Geburt können dann aber messbare Mengen kindlicher Zellen in den mütterlichen Kreislauf gelangen – wie es bei jeder zehnten Spontangeburt und sogar bei vier von zehn Kaiserschnitten der Fall ist! Wenn Babys rote Blutkörperchen von Mamas Antikörpern angegriffen werden, so kann das unbehandelt beim Kind zu Blutarmut, Wassersucht und Gelbsucht führen, teilweise gar tödlichen Ausgang haben.
Die Rhesusprophylaxe
Das muss alles nicht sein. Seit 30 Jahren lässt sich die gefürchtete Rhesussensibilisierung durch eine Art Impfung verhindern: Ein Pieks, und das war’s. Dazu wird jeder (Rh–)-Mutter in der 28.–30. Schwangerschaftswoche eine Dosis „Anti-D-Immunglobulin“ gespritzt, um zu verhindern, dass sie überhaupt Rhesus- Antikörper bildet. Diese (gut verträglichen und risikoarmen) Anti-D-Immunglobuline fangen die kindlichen roten Blutkörperchen sofort beim Übertritt in den mütterlichen Blutkreislauf ab, noch bevor Mamas Immunsystem sie als fremd erkennen kann. Die Abwehrreaktion unterbleibt, die Wirkung hält rund drei Monate an. Nach der Geburt eines rhesuspositiven Kindes wird einer rhesus-negativen Mutter innerhalb von 72 Stunden dann eine weitere Dosis verabreicht.
Tests zur Risikoeinschätzung
Noch vor der Prophylaxe weist der Coombs-Test nach, ob und in welcher Konzentration Rhesus-Antikörper im Blut der Mutter vorhanden sind. Lassen sie sich selbst bei einer 16-fachen Verdünnung (1:16) der Probe noch nachweisen, so gilt die Schwangerschaft als Hochrisikofall – eine Diagnose, mit der in Österreich jährlich rund 30 Schwangere konfrontiert werden. Zusätzliche Tests klären dann, ob noch weitere Unverträglichkeiten anderer Blutgruppenmerkmale vorliegen und eine pränatale Behandlung erfolgen soll.
Gesunde Kinder trotz Hochrisiko
Diese Hochrisikofälle sollten engmaschig betreut werden, wie Univ. Prof. Dr. Josef Deutinger, Leiter des Instituts für Pränatale Diagnostik und Gynäkologische Sonographie in Wien, betont: „Pränatalmediziner können heute dazu beitragen, dass 99 Prozent dieser Kinder gesund zur Welt kommen!“ Sorgfältig wird die Entwicklung des Kindes per Ultraschall überwacht, nach Anzeichen für eine Schädigung der kindlichen roten Blutkörperchen gefahndet: Tritt Flüssigkeit aus der Blutbahn in das umliegende Gewebe, so deutet das auf Wassersucht hin. Wird das Kind ausreichend mit Sauerstoff versorgt? Der Doppler-Ultraschall, der die Strömungsgeschwindigkeit in den kindlichen Gefäßen misst, gibt Auskunft! Leidet das Baby unter schwerer Blutarmut, bietet eine weitere technisch aufwändige Möglichkeit Hilfe: Die von Spezialisten vorgenommene Nabelschnurpunktion ist Diagnosemittel und Therapiemöglichkeit zugleich. Zwei Minuten dauert es, einen Blutbefund des Babys zu erstellen, dann kann bei Bedarf eine Bluttransfusion gegeben werden.
Gleich und Gleich …
Auch wenn heute keine Frau mehr als Hexe verbrannt wird: Die Folgen einer Rhesussensibilisierung können für Frau und Ungeborenes immer noch dramatisch sein. (RH–)-Frauen dürfen sich dennoch beruhigt zurücklehnen: Im Fall des Falles garantiert die Rhesus-Prophylaxe größtmöglichen Schutz. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, kann ja bei der Partnerwahl höchst selektiv vorgehen – und nur rhesusnegative Männer in die engere Auswahl kommen lassen.
ratz fratz Links zum Rhesus-Wissen www.gynschall.at/rhesus www.gesundheitpro.de/Neugeborenengelbsucht www.9monate.qualimedic.de/Rhesusfaktor.html |
Mag. Elisabeth Sorantin
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