Allergien

Ob ein Kind Allergiker wird oder nicht, entscheidet sich zu einem großen Teil im ersten Lebensjahr. Aufmerksame Eltern können dabei helfen, Allergien zu vermeiden.  Unser Immunsystem ist grundsätzlich eine feine Sache. Es überwacht, was alles an Mikroorganismen in unserem Körper herumwuselt, und bekämpft Viren, Bakterien sowie Pilze, die uns schädlich werden können. Zusätzlich räumt es auch jene körpereigenen Zellen auf, die abgestorben sind oder Probleme machen. Mit Immunsystem ist ein Schnupfen lästig. Ohne wäre er tödlich.

Immungedächtnis

Das Beste am menschlichen Immunsystem ist jedoch, dass es lernfähig ist und ein Gedächtnis hat. Jeder neue Mikroorganismus im Körper wird analysiert und als gefährlich oder ungefährlich erkannt. Das Immunsystem merkt sich diese Entscheidungen und hat, wenn der Organismus wieder auftaucht, gleich die passenden Antikörper bereit. Diesen Prozess nennt man Sensibilisierung.

Überreaktion

Die Sensibilisierung wird dann zum Problem, wenn das Immunsystem eine falsche Entscheidung trifft. So kann es dazu kommen, dass harmlose Bestandteile von Nahrungsmitteln, Blütenpollen oder Tiersekreten als schädlich kategorisiert werden. Wenn das Immunsystem darauf mit einer Entzündung – zum Beispiel der Nasenschleimhäute oder der Bronchien – reagiert, spricht man von einer Allergie.

Risikokinder

Allergieprävention – also das Vermeiden von Allergien – ist für die meisten jungen Eltern ein großes Thema. Zu Recht, denn die „Lernphase“ des Immunsystems findet insbesondere im ersten Lebensjahr eines Kindes statt. Es gilt also, möglichst früh die richtigen Maßnahmen zu setzen, gerade bei allergiegefährdeten Kindern. Als Risikobabys gelten Babys von Eltern, die ihrerseits unter Allergien leiden, wobei die Mutter hier eine größere Rolle spielt als der Vater. Ist auch nur ein Elternteil allergisch, steigt das Allergierisiko des Kindes um das Dreifache. Sind beide betroffen, ist es fünfmal so hoch wie bei einem Kind nicht-allergischer Eltern.

Nicht zu sauber

Das Risiko, eine Allergie zu entwickeln, wird also vererbt; doch auch die Lebensumstände spielen eine große Rolle. Zu Recht spricht man von einer Zivilisationskrankheit: Während Allergien in der Dritten Welt fast unbekannt sind, zeigen sich in den westlichen Industriestaaten rund 25 Prozent aller Schulkinder von Allergien betroffen. Laut der so genannten Hygienehypothese leben wir einfach zu sauber. Das Immunsystem wird im ersten Lebensjahr bei übertriebenen Hygienemaßnahmen zu wenig mit jenen Bakterien konfrontiert, die für die Ausbildung der spezifischen Abwehr wichtig sind. Kinder mit vielen Geschwistern, Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, und Kinder, die früh eine Krabbelgruppe besuchen, weisen ein geringeres Allergierisiko auf. Das konnten mehrere Studien in den letzten Jahren belegen. Wenn also Ihr Kleines sehr regelmäßig ein Dreitagefieber aus dem Kindergarten nach Hause bringt, freuen Sie sich: Eine hohe Anzahl banaler Infekte in den ersten beiden Lebensjahren senkt das Allergierisiko. Die Rotznase ist das beste Training fürs Immunsystem.

Vorbeugen

Was können Eltern tun, um das Allergierisiko ihrer Kinder weiter zu senken? Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, Luft, Licht, Schlaf und gesunder Ernährung hilft auf jeden Fall. Passivrauchen fördert Entzündungen – Rauchen sollte deshalb tabu sein für Eltern allergiegefährdeter Kinder. Mindestens ein halbes Jahr voll zu stillen ist gut für das Immunsystem des Kindes, nach neueren Erkenntnissen werden dadurch Allergien aber weniger verhindert, als dass sie einfach später auftreten – was ja auch von Vorteil ist.

Speiseplan

Mittlerweile ebenfalls umstritten ist die allergiefördernde Wirkung von Kuhmilch. Die meisten Ärzte empfehlen jedoch, im ersten Lebensjahr darauf zu verzichten, lieber zu stillen oder auf hypoallergenes Milchpulver (HA-Milch) zurückzugreifen. Nüsse, Erdnüsse, Mandeln und Fisch gehören frühestens im dritten Lebensjahr auf den Speiseplan von Risikokindern. Beikost sollte erst ab dem 6. Monat eingeführt werden. Idealerweise probiert man dabei immer nur eine Gemüseart – zum Beispiel Kürbis – für ein paar Tage, um zu sehen, wie das Baby darauf reagiert, bevor man die nächste einführt. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Baby den Brei auch brav isst.

Haustierchen

Übertriebene Hygiene ist falsch, deshalb sind auch Haustiere – wenn sie vor der Geburt angeschafft wurden – für allergiegefährdete Kinder kein Problem. Sollte dann doch eine Tierhaarallergie auftreten, muss das Tier wohl oder übel weggegeben werden. Auch die viel geschmähten Hausstaubmilben stellen kein wirkliches Problem dar, solange man es ihnen nicht zu gemütlich macht. Regelmäßiges Lüften, eine niedrige Luftfeuchtigkeit und ein kühles Schlafzimmer sind schon einmal die halbe Miete. Matratzen und Bettzeug sollten waschbar und aus synthetischem Material sein, die Kuscheltiere kommen gelegentlich in die Sonne oder in den Tiefkühlschrank. Hitze und Kälte sind nämlich tödlich für jede Milbe.

Behandlung

Sollten Sie den Verdacht haben, dass eine Allergie vorliegt, dann gehen Sie schnell zum Arzt. Er wird im Gespräch und mithilfe von Tests möglichst genau herausfinden, welcher Stoff die Allergie auslöst. Da es sich bei Kleinkindern meistens um Lebensmittelallergien handelt, können Sie den Allergieauslöser dann einfach vom Speiseplan streichen. Sie ersparen Ihrem Kind damit nicht nur Ausschläge, sondern möglicherweise auch weitere Allergien: Je früher eine Allergie erkannt und behandelt wird, desto geringer ist das Risiko für weitere Allergien und gefährlichere Symptome wie allergisches Asthma. Allergien nehmen zu und man ist eher machtlos dagegen. Damit sie nicht überhand nehmen, ist bei Verdacht möglichst rasch ein Arztbesuch und entsprechende Abklärung notwendig! i Imagesource ist geborener Schweizer und gelernter Wiener, freier Journalist und Unternehmer, vor allem aber Vater zweier kleiner Söhne.

„Nicht auf Spontanheilung warten“

Prof. Dr. Friedrich Horak, Leiter des Allergie-Zentrums Wien West, im Gespräch mit FRATZ & CO.

FRATZ & CO: Was können Eltern von allergiegefährdeten Kindern tun?
Dr. Friedrich Horak: Aus praktischer Sicht die wichtigste Maßnahme ist: genau beobachten und rechtzeitig diagnostizieren. Nichts ist lästiger, als wenn man die Allergie zu spät erkennt. Denn in den meisten Fällen kann man relativ einfache Maßnahmen setzen.

FRATZ & CO: Zu viel Hygiene ist offenbar allergiefördernd. Gleichzeitig hört man aber, man soll die Hausstaubmilben eindämmen. Wie passt das zusammen?
Horak: Hygiene hat mit Hausstaubmilben gar nichts zu tun, die vermehren sich, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch genug ist, wenn schlecht gelüftet wird. Der Staubsauger kitzelt ein paar Milben, wenn Sie einen Staubsauger um 3000 Euro kaufen, dann kitzelt er ein paar mehr. Übertriebene Hygiene ist aber nicht förderlich.

FRATZ & CO: Wann und wie soll man Kleinkinder denn testen lassen?
Horak: Beim „Wann“ gibt es keine Einschränkung, das geht auch im ersten Lebensjahr. Das „Wie“ wird der Fachmann entsprechend dem Entwicklungszustand des Kindes und der Fragestellung anpassen. Ein Hauttest geht in jedem Alter, bei Nahrungsmittelallergien wird gelegentlich auch ein Provokationstest gemacht, bei dem den Kindern der verdächtige Stoff unter Beobachtung verabreicht wird.

FRATZ & CO: Können sich Allergien auch wieder auswachsen?
Horak: Grundsätzlich ist die Allergie eine sehr dynamische Erkrankung, die sich innerhalb von wenigen Jahren verändert. Das hängt auch sehr von der Art der Allergie ab. Viele Nahrungsmittelallergien verlieren mit der Zeit an Bedeutung. Wenn ein Kind im Schulalter eine Inhalationsallergie hat und man macht nichts dagegen, ist die Wahrscheinlichkeit fast 100 Prozent, dass es weitere Allergien dazu erhält. Bei einer behandelten Allergie sind es nur 30 Prozent. Es gibt einige Spontanheilungen, aber keine Gesetzmäßigkeiten: Man darf nicht darauf warten. Eine gut behandelte Allergie (auch konsequente Karenz ist eine „gute Behandlung“) zeigt in vielen Fällen rückläufige Tendenz, eine nicht behandelte Allergie breitet sich in den meisten Fällen aus. Ich hatte jetzt gerade den Fall einer jungen Frau, die einen allergischen Asthmaanfall hatte. Jede Hilfe kam zu spät, sie lebt zwar, aber ihr Hirn ist wegen des Sauerstoffmangels während des Anfalls zerstört. Das geht auch einem Arzt unter die Haut. Und das alles nur wegen einem „bisschen Asthma“.

Mag. Markus Widmer
Foto: zeljkodan/Shutterstock.com

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