Probier doch mal!

Familienkrise Mittagessen? Die Kinder stochern in den Nudeln und wollen absolut nicht essen? Bi.G Familienbegleiterin Daniela Grießer über ein leidiges Thema und wie man ganz unverkrampft an dieses herangeht.

Vor etwa drei Wochen wurde ich als Bi.G Familienbegleiterin in eine Spielgruppe eingeladen und sollte etwas zum Thema „Essen und Ernährung“ sagen. Ich habe ich mich auf das Thema vorbereitet, habe ein Handout gestaltet und Übungen vorbereitet zum Riechen und Schmecken für Kinder (1,5 – 3 Jahre). Aber zu diesen kam ich gar nicht. Denn es brach ein schierer Sturm los.
„Laura isst nur Nudeln“, „Theo mag nichts Grünes“, „Felix isst kein Brot, nur die Wurst“, „Paula mag kaum was essen, sie spielt immer nur“, „Caro kostet nicht einmal“– ich könnte endlos so weiterschreiben. Ich habe förmlich gespürt, wie die Eltern ihren Frust über das Essverhalten ihrer Kinder an mir abließen. Und ich dachte: Gut, dafür bin ich ja da. Sollen sie lieber an mir ihre Spannungen abbauen, als den Druck auf ihre Kinder auszuüben. Diese erkundeten inzwischen neugierig meine Tasche mit den Leckereien.
Woher kommt es aber, dass viele Eltern ihre Kinder als kritische Esser sehen? Und woher kommt es, dass wir von unseren Kindern erwarten, alles zu kosten und „anständig zu essen“? Was ist überhaupt anständig und ordentlich essen? Und was kann ich von Kindern im Alter von 1,5 – 3 Jahren erwarten?

Kritisch von Natur aus

Schauen wir uns zunächst die Entwicklungsgeschichte des Menschen an: Neue Nahrungsmittel zu erkunden war für den Menschen immer schon ein gefährliches Unterfangen, denn in der Natur finden sich nicht nur gute Angebote, sondern auch giftige. Man schaue sich nur Bärlauch und Maiglöckchen an, Heidelbeere und Tollkirsche. Der Mensch musste also kritisch sein und aufpassen, lieber nur ein kleines bisschen probieren und beobachten, ob andere Artgenossen dieselben Beeren essen.
Ausgestattet wurde der Mensch mit einem guten Geschmackssinn, der ihm sagt, dass Süßes und Fettes gut sind, Bitteres und Saures hingegen mit Vorsicht zu genießen sei. Ebenso bei den Farben: Grün steht für unreif, Rot für saftig und lecker. Was bedeutet das nun für uns? Spinat wird abgelehnt, Süßspeisen bzw. Lebensmittel mit süßem Geschmack sind super.
Und was hat es mit „Caro kostet nicht einmal“ auf sich? Solange Kinder noch eingeschränkt mobil sind, sind sie neuem gegenüber meist sehr aufgeschlossen. Wenn Mama das isst, dann ist es auch gut. Mit zunehmendem Alter werden Kinder jedoch kritischer: Zum Einen entwickeln sie ihre eigenen Vorlieben, zum Anderen hängt auch dies wieder mit der Evolution zusammen. So lange Kinder gestillt wurden, waren sie eng an der Mutter und es gab die Kontrollfunktion, was in den Mund des Kindes wanderte. Mit zunehmender Mobilität und eigenem Entdeckerdrang haben Kinder diese Kontrollfunktion nicht mehr und sie werden wählerisch. Sie probieren nicht gern Neues aus, sondern essen lieber was sie kennen. Erst mit etwa zehn Jahren lässt diese Skepsis nach und Kinder fangen an, mit anderen Lebensmitteln zu experimentieren.

Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln

Mit diesem Wissen im Hinterkopf, versuchte ich den Eltern das Essverhalten ihrer Kinder verständlicher zu machen. Trotzdem sollte Kindern der bewusste Umgang mit Essen mitgegeben werden. Essen einfach stehen zu lassen, ist schlicht falsch. Dass wir hierzulande aus dem Vollen schöpfen und in den westlichen Ländern Nahrungsmittel im Überfluss zur Verfügung stehen und keine Hungersnot herrscht, ist nicht selbstverständlich. Bei der Vermittlung von Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln spielt die Vorbildwirkung der Eltern eine wesentliche Rolle. Stochern Sie selbst lustlos im Teller herum oder häufen sich – etwa an Buffets oder im Urlaub – Berge von Speisen, die Sie dann nicht essen, auf, dann werden die Kinder wohl auch nicht achtsam mit Lebensmitteln umgehen.
Auch die Werbung trägt ihren Teil zum Essverhalten der Kinder bei: So manche Food-Kette versteht es, Kinder als neue Kunden zu gewinnen und an sich zu binden. Aber ein dauerhafter und übertrieben häufiger Genuss von Burger und Pommes ist ungesund und führt auf lange Sicht zu Übergewicht und schweren Erkrankungen. So sind Eltern also nicht gefordert daneben zu stehen und das Kind schalten und walten zu lassen sondern mit Geduld und Verständnis an die Sache heranzugehen. Und warum nicht statt Pommes mal einen Salat wählen, der ebenso angeboten wird?
Folgende Tipps habe ich den Eltern mit auf den Weg gegeben:
  • Geduld: Wenn Sie Ihrem Kind Fisolen vorsetzen und es lehnt diese beim ersten Mal ab, dann bieten sie Fisolen immer wieder an. Es braucht mehr Versuche, damit ein Kind sich an den neuen Geschmack gewöhnt. Akzeptieren Sie es aber, wenn Ihr Kind ablehnend reagiert.
  • Vorbildwirkung: Wenn Sie keinen Karfiol mögen, dann spielen Sie Ihrem Kind nicht vor, wie gut er ist. Ihr Kind merkt es. Setzen Sie sich aber gemeinsam mit Ihrem Kind zum Essen und erforschen Sie gemeinsam die Lebensmittel. 
  • Spielen: Lassen Sie Ihr Kind mit dem Essen experimentieren, lassen Sie es angreifen, lutschen, zermatschen. Durch eine lustvolle Herangehensweise wird die Neugier geweckt und führt dazu, dass Ihr Kind auch ungewohnte Lebensmittel probiert.
  • Toleranz: Ihr Kind ist satt und springt schon nach zwei Bissen auf? Akzeptieren Sie es. Bieten Sie zwischendurch immer wieder kleine Mahlzeiten an und laden Sie Ihr Kind ein, beim Familientisch dabei zu sein. Auch, wenn es nicht essen möchte.
Essen ist ein sinnliches Vergnügen, es bereitet Spaß und Freude. Und in der Gemeinschaft noch viel mehr. Und falls Sie sich nun fragen, was die Kinder der Spielgruppe inzwischen gemacht haben: Sie haben gekostet, gegessen, das Essen weitergereicht, abgelutscht. Und die Eltern wurden dazu eingeladen, ihre Kinder ganz einfach beim Entdecken zu beobachten.
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