„Ich habe mich schon sehr schlecht gefühlt. Wenn du jede Nacht ins Bett machst, ist das in der Früh schon sehr schlimm,“ erzählt ein ehemaliger Bettnässer seine Leidensgeschichte. „Gott sei Dank war es bei mir mit neun, zehn Jahren vorbei. Ich habe immer in der Früh gehofft, dass das Bett trocken ist.“ Heute sagt er: „Das war ein Teil meines Lebens und ich schäme mich nicht mehr dafür, aber als Kind tut man das natürlich. Wir waren bei vielen Ärzten, aber die haben mir nicht helfen können. Die haben alle gesagt, wenn der Bub groß ist, wird das von selber aufhören. Aber Medikamente hat es damals nicht gegeben.“*
Mindestens 60.000 Kinder sind betroffen
Der erste Schritt, um mit dem Thema Bettnässen besser umzugehen, ist die Feststellung, dass Betroffene damit nicht allein sind. Laut dem öffentlichem Gesundheitsportal Österreich leiden im Alter von fünf Jahren 15 bis 20 Prozent aller Kinder unter gelegentlicher Harninkontinenz, im Alter von sieben Jahren etwa zehn Prozent und im Alter von zehn Jahren rund drei Prozent. Bei zwei Dritteln passiert das Malheur nur nachts. Man spricht dann vom „Bettnässen“ oder streng wissenschaftlich von einer „Enuresis nocturna“. Jungen sind generell häufiger betroffen als Mädchen . .
Bettnässen ist somit die zweithäufigste chronische Erkrankung im Kindesalter: Mindestens 60.000 Kinder in Österreich sind von dem Problem betroffen, weniger als ein Drittel wird adäquat therapiert. Oft herrscht Unsicherheit, ob ein nasses Bett nun automatisch ein Kind zum „Bettnässer“ macht (mehr dazu siehe Infokasten rechts).
Bettnässen auch tagsüber
Tatsächlich kann es vorkommen, dass bei einem Kind nicht nur im Schlaf die Blasenkontrolle versagt, sondern auch tagsüber. Man unterschiedet deshalb zwischen dem Einnässen tagsüber (Enuresis diurna) und dem nächtlichen Einnässen („Bettnässen“, Enuresis nocturna), wobei auch kombinierte Formen vorkommen können. Unterschieden wird zusätzlich ob es sich um eine sogenannte primäre – das Kind war noch nie dauerhaft trocken – und eine sekundäre Enuresis handelt. Im zweiten Fall beginnt das Kind wieder einzunässen, nachdem es bereits länger als sechs Monate kontinent war.
Während im Kindergartenalter die Problematik noch eher lockert genommen wird, ändert sich mit dem Schuleintritt alles. Kinder, die ins Bett nässen, erfahren sehr schnell, dass sie anders sind als die anderen. Sie beginnen sich zu schämen und können mitunter unter ihrem „Versagen“ schwer leiden. Dazu tragen allzu oft auch die Erwachsenen bei. Nicht selten heißt es umgangssprachlich: „Bei dem hot’s was.“ Tatsächlich kann es – um es salopp zu formulieren – etwas haben. Deshalb gilt es herauszufinden, was es hat. Wesentlich ist jedenfalls, erfährt man beim Verein „Club Mondkind – trockene Nächte, glückliche Kinder”, die Ursachen nicht von vornherein auf die Psyche zu schieben: Psychische Probleme sind of eine Folge von unbehandeltem Bettnässen, aber vergleichsweise selten eine auslösende Ursache, heißt es.
Psychische Folgen können möglicherweise sein: „Gestörte Sozialkontakte, Verhaltensauffälligkeiten, Versagensängste, vermindertes Selbstwertgefühl, Bindungs- und sexuelle Probleme im Erwachsenenalter bis hin zu einer massiven Persönlichkeitsstörung.
Am besten spezialisierte Ärzte aufsuchen
Daher ist es wichtig, beim Auftreten von Bettnässen recht bald aktiv zu werden. Spezialisierte Fachärzte oder Ambulanzen (Adressen finden Sie unter:
https://www.clubmondkind.at/service/arztfinder/) können meist unkompliziert und absolut schmerzfrei feststellen, ob ein physisches Problem vorliegt oder nicht. Sinnvoll ist es, das Blasentagebuch, das online beim Club Mondkind zu finden ist, zum Arzttermin ausgefüllt mitzubringen, um dem Arzt detaillierte Infos geben zu können.
Auf das jeweilige Problem abgestimmt kann er dann die passende Therapie empfehlen. Diese kann eine Kombination aus allgemeinen Maßnahmen, Verhaltenstherapie und Medikamenten sein, wichtig ist für die Therapieentscheidung nicht zuletzt, wie sehr die Kinder unter dem Problem leiden und bereit sind, aktiv an der Lösung mitzuarbeiten. Positive Motivation der Kinder ist die Voraussetzung für einen Erfolg der Therapie.
Therapie am besten vor Schuleintritt
Generell ist es sinnvoll, eine Behandlung spätestens vor dem Schuleintritt zu starten, um Selbstbewusstsein und Sozialkontakte nicht zu gefährden. Sobald das Übernachten bei Freunden, Schulveranstaltungen wie Schikurse etc ein Thema werden, wird das Kind automatisch ausgegrenzt sein. Wenn am Morgen möglicherweise das Bett „schwimmt“, bleibt man lieber zu Hause.
Manchmal helfen schon Kleinigkeiten wie geändertes Trinkverhalten, Besuch der Toilette vor dem Einschlafen etc, um das Problem aus der Welt zu räumen. Im Fall von Verhaltensauffälligkeiten sollte ein Psychologe zu Rate gezogen werden. Mitunter sind aber auch Veränderungen im Umfeld wie Kindergarteneintritt oder Schulstart Auslöser für verstärkte Nervosität – und fallweise nasse Betten, ohne dass deshalb krankhaftes Bettnässen vorliegen muss.
Mehr zum Thema finden Sie u.a. hier:
gesundheit.gv.at: Bettnässen bei Kindern – eher allgemein gehaltene Abhandlung zu möglichen Ursachen, Symtomen, Diagnosen und Behandlungsmethoden. gesundheit.gv.at ist das Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs.
– Informationsportal des Club Mondkind – trockene Nächte – glückliche Kinder. Zahlreiche Stories, Anregungen und Services für betroffene Eltern und Kinder.
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Text: Anna Heisinger/hf