Porno-Alarm

Natürlich wusste mein Mann nichts, aber gar nichts davon

Und er konnte sich auch nicht erklären, wieso meine Mail-Adresse ganz plötzlich zum Lieblingsspielzeug aller Porno-Spams der westlichen Hemisphäre geworden war.
Und ich war sauer. Wieso, zum Geier, surft er in Pornoseiten herum, wenn er offensichtlich das Gefühl hat, dass es falsch ist?

Kennen Sie diese Situation? Ja? Nun, dann sind Sie in der gleichen Situation wie so gut alle anderen heterosexuellen Frauen, die ihren PC mit einem Mann teilen: Fast alle Männer mögen Pornos, manche lieben Pornos und einige sind süchtig danach. Die Gründe dafür sind offenbar genauso vielschichtig wie die unzähligen Studien, die über die Ursachen des Schmuddelkonsums verfasst worden sind – offensichtlich ist das Forschen über Pornos fast so spannend wie der Porno selbst.

Männer sind Augentiere

Rein statistisch gesprochen, sind Männer Augentiere. Ihr Gesichtsfeld ist weiter, sie sehen schärfer und können Bewegungen in ihrem Umfeld besser wahrnehmen als die statistische Durchschnittsfrau.
Das liegt natürlich daran, dass damals, als wir alle noch in Höhlen wohnten und uns um Pornos wenige Gedanken machten, die Geschlechterrollen ziemlich eindeutig verteilt waren: Männer hatten den Großteil ihres Tages damit zu tun, allerlei Tiere zu jagen und Nahrung heranzuschaffen.

Und eine perfekte visuelle Wahrnehmung war dabei eine äußerst gute Lebensversicherung. Fest steht jedenfalls: Während kaum ein Mann der Großaufnahme zweier paarungsbereiter Geschlechtsorgane widerstehen kann, hat dieselbe Großaufnahme auf die meisten Frauen den gleichen Effekt wie das Ultraschallbild einer Schrumpfniere.

Pornos – ein Schlaraffenland
Der Sexualwissenschafter Dr. Jakob Pastötter vom Magnus-Hirschfeld-Archiv in Berlin ortet weitere Wurzeln des Pornofiebers: Männer tauchen in ein Schlaraffenland von Erregung und Sex pur ein. Keine Gefahr also für den heimischen Sex! Denn wer sich gelegentlich den Magen bei einem Schlemmerbuffet vollschlägt, drückt damit auch nicht aus, dass ihm die Küche seiner Partnerin nicht schmeckt. Außerdem kommt sich so mancher Mann ein klein wenig weniger pervers vor, wenn er sieht, dass auch andere Menschen seine Fantasien teilen und sogar verfilmen.

Schmuddelige Schuldgefühle

“Männer und Sexualität, das hat oft etwas mit schlechtem Gewissen zu tun”, weiß Dr. Gertrude Katta, Psychologin, Paar- und Familientherapeutin aus Salzburg. Denn Männer wissen, dass sie einen Hang zum Schmuddeligen haben – zumindest, dass sie ihn schlechter verbergen als Frauen.

Und es bleibt ihnen nicht verborgen, dass das Kampframmeln in einem Pornofilmchen ihre Partnerin meist nur zu einem reizt: zum Gähnen. “Was dann folgt, ist ein Missverständnis, dass aus der Verschiedenartigkeit von Mann und Frau resultiert”, stellt die Psychologin fest. “Die Frau fragt sich, warum sich ihr Partner etwas derartig peinlich Langweiliges ansieht und kommt zu dem Schluss: ‚Wenn er sich schon damit trösten muss, ist unsere gemeinsame Sexualität wohl komplett am Ende.’

Und der Mann, der sieht, dass seine Partnerin in keiner Weise erregt auf Pornos reagiert, kommt zu dem Schluss, dass er wohl ein ziemlich perverser Mensch sein muss.” Die Folge sind Schuldzuweisungen und Schuldgefühle – auf beiden Seiten.

Pornos und Frauen

Pornos sind peinlich …
So empfinden viele Frauen. Und nicht gerade die prüdesten! Dabei – Hand aufs Herz – sind Pornos sicher wesentlich zahmer als unsere alltäglichen Sexfantasien, oder? Nun, auch hier gibt es offenbar Geschlechtsunterschiede: Schmutzige Fantasien spielen sich bei den meisten Frauen im Kopf ab. Und oft werden sie als Teil des intimsten Intimlebens angesehen, das so intim ist, dass auch der Intimpartner darin weder mitspielt, noch daran teilhaben darf.

Unbewusst geht dann die Frau natürlich davon aus, dass auch Männer ein Sexualleben ganz alleine für sich haben – Pornos sind aber offen, öffentlich und offensichtlich. Und so ist es für Frauen manchmal unangenehm, durch den Pornofilter einen scheinbar voyeuristischen Blick auf die Geheimnisse der Sexualität ihres Partners zu werfen.

Fremdgehen? Sucht?

“Für mich ist es so eine Art Fremdgehen”, stellt Ulrike P. fest. “Ich weiß, dass mein Partner Frauen mit großem Busen mag. Und das kann ich ihm nicht bieten. Also holt er sich Ersatz aus dem Internet.”
Nun, laut dem Sexualforscher Dr. Pastötter hat das Porno-Surfen wenig mit Fremdgehen zu tun. Die Frauen auf den Bildern werden nicht als Mensch wahrgenommen, sondern als Sexualorgan. “Pornografie ist keine Form des Fremdgehens”, ist er überzeugt, “sie findet nur in der Fantasie, im Kopf statt.”

Nun, wo auch immer der Kopf eines Mannes sein mag: Männer können Sexuelles sicher leichter isoliert und als rein biologische Funktion betrachten als Frauen. Problematisch beginnt der Konsum von Pornos allerdings zu werden, wenn er den gelebten, realen Life-Sex überschattet oder ersetzt.

“Immer wenn mein Mann mit mir schlafen will, dann vergleiche ich mich in Gedanken mit den Frauen, die in Pornos vorkommen. Ich überlege, ob ich auch so aussehe wie sie und frage mich, ob solche Praktiken und Stellungen, die mein Partner sich ansieht, wirklich Spaß machen können”, meint Ulrike P.

Nun, sobald der Pornokonsum wirklich suchtartigen Charakter annimmt, stellte der Sexualpsychologe Prof. Dr. Ernest Bornemann fest: “Permanente Lust an Pornografie entspringt mangelnder Lust am Geschlechtsverkehr. Der ganze Sexkult des Westens ist ein Produkt der Sexualfurcht, nicht der Sexualfreude.”

Verklemmt oder beleidigend?

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Feminismus. Und seine Galionsfigur, die mittlerweile zur Kultperson avancierte Alice Schwarzer, ist überzeugt: “Pornografie schafft von Frauen ein Bild als Menschen zweiter Klasse, als geborene Opfer: gerade gut genug, benutzt und genommen zu werden.”
Nun ja, ganz von der Hand zu weisen ist ihre Kritik nicht: Wer würde es denn schon tatsächlich genießen, so ganz real zu tierischem Sex gezwungen zu werden? Und wer kann sich vorstellen, durch den Anblick eines allzeit bereiten Mannes von der eigenen Gier derart überwältigt zu werden, dass man sich ihm willenlos unterwirft?
In der Realität hätte der gute Allzeitbereite wohl nach einem derart dämlichen Versuch ein paar Probleme mit Hodenquetschungen – bestenfalls – oder einer schlichten Anzeige – normalerweise.

Andererseits: Gehen wir doch einmal in uns, so ganz weit in die Tiefe der hormonspendenden Hirnanhangsdrüse. Und was sagen da unsere Fantasien? Lecker, nicht wahr, und heftig scharf, das eine oder andere Szenario! Und sicher nicht realistischer als ein Preisrammel-Porno. Der Unterschied ist aber: Männerpornos sieht man, Frauenpornos denkt man.

Pornos für Frauen?!

Sieht also so aus, als gäbe es keine Möglichkeit, Porno-Fantasien gemeinsam zu genießen. Und darum sind Filmchen und Bildchen auch rein auf Männer ausgerichtet: Inhalt überflüssig, Vorspiel unbekannt, ein Rein-und-raus, bis nichts mehr geht.

Die Erregungskurve der Frau läuft langsamer an. Dafür braucht es eine pikante Geschichte, nicht nur einen scharfen Hintern. Dann folgt ein feines langsames Vorspiel – muss nicht ganz soft werden, aber ein bisschen mehr als dreimal Busenwackeln sollte schon drin sein! Und danach kann der Film eigentlich schon zum Abspann übergehen: Frauen wollen Pornografie meist nur zum Anheizen, den Rest erledigen sie gerne handmade und persönlich.

Fazit: Frauenpornos müssen her! Das dachte sich auch schon Beate Uhse. Sie produzierte Filme, die auf die Bedürfnisse der weiblichen Erregungskurve eingehen und trotzdem auch für Männer nicht langweilig sind. Eine gute Idee! Aber leider bisher ziemlich ungenutzt. Denn der Pferdefuß an der Geschichte: Pornofilme für Frauen werden natürlich in erster Linie in Sex-Shops verkauft. Und dort ist die weibliche Käuferschaft eher selten zu Gast.

Wer im Internet nach Pornos für Frauen sucht, der braucht viel Geduld. Denn sich durch Millionen von Seiten zu klicken, die nur ein Lehrgang in miesem Geschmack sind, um dann vielleicht eine feine Seite zu finden, den Nerv bringt wahrscheinlich nur ein Mann auf – ganz uneigennützig natürlich.

Diskutieren oder tolerieren?

Aber wie wäre es mit erotischen Geschichten? Die nehmen mehr Rücksicht auf die Fantasie einer Frau. Und mit der Erregungskurve sind sie auch eher kompatibel – kommt einfach nur aufs Lesetempo an. Wenn Sie Ihren Partner mitmachen lassen wollen, warum auch nicht? Und falls er einfach aus Fantasiemangel gelegentlich aussteigt, dann können Sie ihm ja zeigen, worauf es gerade ankommt!
Vermutlich aber werden Sie Ihren Mann nur schwer vom Pornokonsum abhalten können. Und wenn es Ihre Beziehung wirklich belastet, ist ein Gespräch – vielleicht mithilfe eines Paartherapeuten wohl das einzige Mittel, um die Fronten und Bedürfnisse zu klären.

Doch wenn Sie damit leben können – und Ihr Partner hat vermutlich mehr als diese eine typisch männliche Gewohnheit – dann nehmen Sie es mit Humor: Wenn Ihr Mann ein paar Euro in den Rachen der Pornoindustrie schiebt, dann belebt er die Wirtschaft, sodass unweigerlich Hochkonjunktur die Folge ist. Das bedeutet: Mehr Geld auch für Sie. Und darum können Sie sich den neuesten Band erotischer Geschichten kaufen.

Wenn Sie allerdings auf der Suche nach Frauenpornoseiten ein bisschen surfen gehen, dann löschen Sie die zuletzt aufgerufenen Seiten. Man weiß ja nie: Vielleicht fühlt Ihr Partner sich verletzt, wenn er die niedlichen Hintern der Models sieht. Denn schließlich – ein wenig verklemmt waren Männer doch schon immer, oder?

Foto. Shutterstock.com

jwblinn

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