Sauber werden

Trauriger Junge liegt im Bett

Stimmt mit Sebastian etwas nicht?

Mit Sebastian stimmt alles. Er braucht einfach etwas mehr Zeit beim Sauberwerden und die volle Unterstützung seiner Eltern.

Wann kann und wann muss ein Kind sauber sein?

Säuglinge entleeren ihre Blase unwillkürlich etwa 20 mal am Tag. Ab dem 6. Lebensmonat werden die Intervalle immer kürzer – die Entleerung passiert aber immer noch spontan. Erst mit etwa 2 Jahren spüren Kinder das Gefühl einer vollen Blase.
Jedoch erst ab dem 4. Lebensjahr ist eine vollständige Kontrolle des Blasenmuskels möglich. Das bedeutet, dass reifungsbedingte Fähigkeiten wie Blasenkontrolle nicht zu einem verfrühten Zeitpunkt antrainiert oder geübt werden können!

Das Kind, das mit 1 Jahr auf den Topf gezwungen wird und dort auch – nach minutenlangem Sitzen – erfolgreich ein paar Urinspritzer verliert, ist nicht am Weg sauber zu werden, sondern eher am Weg eine massive Entwicklungsstörung mit auf seinen Weg zu bekommen.

Welche Bedeutung haben Stuhl- und Uringang für das Kind?

Was der normale Erwachsene als ekelhaft, schmutzig und stinkig empfindet, ist für das Kind etwas, das es sehr hoch bewertet – nämlich ein Teil seines eigenen Körpers. Ein Kind von 2 oder 3 Jahren, dem körperliche Ausscheidungsprodukte noch kein Begriff sind, hält Exkremente ebenso für einen Teil seines Körpers wie z.B. seine Hand, sein Bein oder seine Finger.
“Für das Kind besitzt alles, was schmutzig ist, einen symbolischen Wert, der das Ausscheidungsprodukt seines eigenen Körpers, seine Exkremente, repräsentiert. Ich weiß nicht, ob es unter Ihnen jemanden gibt, der nur saubere Kinder kennt…

Ich fordere Sie auf, versammeln sie fünf Kinder im Alter von 2 Jahren in einem Raum. Sie können den Raum sehr bunt anmalen und mit den interessantesten Spielsachen füllen… dann stellen Sie in die hinterste Ecke des Raumes einen Eimer mit Teer und warten ein paar Minuten ab…

Die Anziehungskraft, die schmutzige Dinge, schmierige Dinge, Dinge von bestimmter Farbe auf Kinder dieses Alters ausüben, ist so unwiderstehlich, dass man es kaum zu glauben vermag. Wahrscheinlich kann das Kind ihr nicht widerstehen, weil ihm in Erziehung und Betreuung die ursprüngliche anale Lust nur in sehr geringem Maß zusteht”. (Anna Freud, 1942)

Was passiert mit einem Kind während der analen Phase?

Die anale Phase durchläuft jedes Kind im Alter von 2-3 Jahren. In dieser Zeit beginnt das Kind Lustempfindungen beim Ausscheiden von Urin und Stuhl zu entwickeln. In dieser Phase, in der sich auch das Selbstwertgefühl des Kindes entwickelt, empfindet kein Kind seine Fäkalien als widerlich.
Das Kind ist stolz, etwas produziert zu haben und genießt die Macht, die es über das Hergeben oder Zurückhalten “seiner Produkte” hat.
Eltern, die einen sehr starken Sauberkeitswahn haben oder dem Kind zu verstehen geben, dass das, was es da gerade produziert hat, grausig ist, können nachhaltige Schäden verursachen.

“Wenn die anale Phase gestört wird – das heißt, wenn das Kind merkt, dass seine Ausscheidungen von den Eltern abgelehnt werden, können eine Reihe an Störungen im Erwachsenenalter zu Tage treten. Eltern müssen wissen, dass das Kind eine Ablehnung seines Stuhls als Ablehnung seiner selbst empfindet.

Zwangsneurosen, ein zwanghafter Charakter, der in Pedanterie oder übersteigerter Ordnungsliebe gipfelt, aber auch Geiz können mögliche Folgen sein”, warnt Mag. Caroline Erb, Psychologin.

Sauber werden – ist man vorher schmutzig?

Dieser Begriff, des Sauberwerdens ist ja fix in unseren Köpfen. Aber sauber werden impliziert ja, dass man vorher schmutzig ist. Essen ist Genuss, Trinken ebenso, nur der nun folgende Vorgang, nämlich das Entleeren, passiert versteckt und ist in unserem Kulturkreis tabuisiert.
Kinder verstehen nicht, woher Stuhl oder Urin kommen. Wachsen diese Dinge in mir? Wie kommen sie in mich hinein?

Es mag trivial erscheinen, aber allein das regelhafte verbale und gestikulierte Benennen und Spiegeln der Tatsache, dass das Essen schmeckt (“Hmmm!”), ob man noch mehr möchte, dass man satt ist (Bauch streicheln: “Satt!”) und nicht zuletzt, dass man das Bedürfnis nach Entleerung hat, erleichtert das Erlernen der komplexen Zusammenhänge zwischen körperlichen Signalen.

Bereit zum Sauberwerden?

Woran merke ich, dass mein Kind bereit ist, sich vom Windelpopo zu verabschieden?

Ihr Kind will nicht mehr gewickelt werden und öffnet unter Tags immer wieder die Windelhose um sich ihrer zu entledigen.
Während des Stuhlgangs in die Windel zieht es sich zurück und will nicht gestört werden.
Sobald die Windel voll ist, will es gleich gewickelt werden.
Das Kind folgt Ihnen auf die Toilette und schaut begeistert zu. Wenn es Sie nicht stört, lassen Sie es ruhig zusehen. Kinder ahmen ihre Eltern und Geschwister nach und werden früher oder später auch versuchen, sich ähnlich zu verhalten.

Dos and Don´ts
Einer der besten Zeitpunkte um Kinder ohne Windel laufen zu lassen, ist in unseren Breiten zweifelsohne der Sommer. Kinder im Alter zwischen 2 und 3 Jahren lieben es nackt herumzulaufen und genießen diese körperliche Freiheit. In diesem Alter geben Kinder auch immer wieder verbal die Rückmeldung, dass sie “lulu” müssen. Meist sagen sie es genau in dem Moment, in dem sie damit beginnen.

Die Bereitstellung eines Topfes oder eines Kinder-Klositzes werden langsam vom Kind genützt. Lassen Sie Ihr Kind entscheiden ob es lieber auf den Topf oder aufs Klo geht. Manche Kinder beginnen auch damit, das große Geschäft ins Klo machen zu wollen, aber das kleine ausschließlich in die Windel.

Zwingen Sie Ihr Kind niemals auf den Topf zu gehen! Kinderärzte erzählen immer wieder, dass die Technik des “Jetzt bleibst du sitzen, bis etwas im Topf ist”, immer noch verbreitet ist. Verdauungsprobleme wie chronische Verstopfung, Krämpfe oder zwanghaftes Blasenentleeren können körperliche Schäden sein, die Sie an Ihrem Kind anrichten.

Tipps

Soll sich bei gelungenem Geschäft in den Topf die ganze Familie versammeln und applaudieren? Sicher nicht! Loben Sie Ihr Kind und lassen Sie es selbständig den Topf ausleeren oder die WC-Spülung betätigen, wenn es das möchte. Zeigen Sie Ihre Freude, aber bewerten Sie die “Topf-Geh-Aktion” nicht über.
Auch wenn Kinder untertags keine Windeln mehr brauchen, kann das in der Nacht ganz anders sein.
Während der Nacht trocken zu bleiben ist für viele Kinder bis ins 5. Lebensjahr ein Problem. Während des Schlafs funktioniert die Rückmeldung “Achtung, Blase ist voll” lange nicht. Viele Kinder wollen auch in der Nacht nicht auf die Windel verzichten, weil sie sich dadurch sicherer fühlen. Um das 5. Lebensjahr herum wollen viele Kinder dann den Schritt zur windelfreien Nacht wagen.
Was können Eltern für sich tun?
Legen Sie spezielle Unterlagen als Matratzenschoner im Bett Ihres Kindes auf. Richten Sie am Abend frisches Bettzeug her, dann müssen Sie nicht schlaftrunken in der Nacht danach kramen – und seien Sie gewiss, die trockenen Nächte kommen bestimmt!

Foto: Skydive Erick/Shutterstock.com