Im Schulenlabyrinth

Mit fünfeinhalb ungefähr wird’s ernst. Sie schreiben Ihr Kind in die Schule ein. Fragt sich nur, in welche.

Rechtliches zur Schulwahl

Im ländlichen Bereich ist die Antwort mitunter recht schnell gegeben: In die Schule, die gerade noch erreichbar ist. Im städtischen Bereich treffen Sie die Entscheidung.
Noch vor wenigen Jahren gab es den Begriff des “Schulsprengels” – das bedeutete, jede Volksschule hatte ein bestimmtes Einzugsgebiet, das genau festgelegt war. Alle Kinder, die darin wohnten, besuchten die entsprechende Schule, außer sie hatten eine Privatschule gewählt. Heute ist die Sprengelregelung aufgehoben.

Trotzdem: Natürlich haben die Familien, die in der Nähe einer Schule wohnen, das “Vorbesuchsrecht” vor anderen, die von weiter her kommen. Erst werden die Klassen also mit Kindern aus der Nachbarschaft gefüllt, wenn dann noch Plätze frei sind, kommen auch andere an die Reihe.

Falls Sie sich also in eine Schule verliebt haben, die etwas weiter von Ihrem Wohnort entfernt ist, können Sie nur hoffen. Oder sich eine Empfehlung vom Stadtschulrat oder Landesschulrat besorgen. Diese wird dann ausgestellt, wenn triftige Gründe vorliegen, eine bestimmte Schule vorzuziehen: Wenn die Eltern gleich in der Nähe arbeiten zum Beispiel, wenn die Nachmittagsbetreuung nur hier stattfinden kann oder wenn das Kind in seinen speziellen Bedürfnissen gefördert oder gefordert werden soll. Gute Chancen für gute Gründe! Mit einer Einschränkung, allerdings: Über Bundesländergrenzen hinweg wird es schwierig.

Die Qual der Wahl

Dabei wartet fast jede Volksschule mit besonderen “Zuckerln” auf: Mit Integrationsklassen zum Beispiel, mit Mehrstufenklassen, mit musikalischen, mathematischen, kreativen Schwerpunkten, Bilingualität, bewegtem Lernen oder mit Montessori-Orientierung.
Natürlich – Anschauen ist das erste Gebot. Und zwar am besten schon ungefähr ein Jahr vor der Anmeldung: An den Tagen der Offenen Tür lässt sich schon die Stimmung abtasten, bei einem persönlichen Gespräch mit dem Schulleiter können dann noch konkrete Fragen geklärt werden. Und in vielen Schulen wird eine “Vormerkung” ungefähr ein halbes Jahr vor der eigentlichen Anmeldung gern gesehen.

Trotzdem, ganz leicht ist es nicht, sich zu orientieren. Und ein Konzept, das für das eine Kind perfekt passt, kann für ein anderes zur Katastrophe werden.

Integrations- und bilinguale Klassen

Integrationsklassen
Sie sind auch für Kinder mit Sonderförderbedarf offen. Das bedeutet, dass Behinderte, aber auch Kinder mit Wahrnehmungsstörungen oder Lernschwächen gemeinsam mit anderen Schülern unterrichtet werden. Bedenken wegen dieses Konzeptes kamen früher von beiden Seiten: Nichtbehinderte befürchteten, sie würden weniger lernen als in nicht-integrativen Klassen, Behinderte hatten Angst, weniger gefördert zu werden als in einer Sonderschule.

Inzwischen sind aber fast alle Skeptiker bekehrt worden: Studien überwachen die Lernfortschritte und bezeichnen sie als “gleich gut wie in anderen Klassen.” Und ein überraschender Nebeneffekt: Das Aggressionspotenzial in Integrationsklassen ist deutlich niedriger. Das mag natürlich einerseits an der geringeren Klassenstärke liegen, auch an der Anwesenheit eines zweiten Lehrers – aber ganz bestimmt lernen die Kinder Toleranz und Zusammenarbeit.

Bilinguale Klassen
Sie gibt es – wenn man den Andrang beobachtet – leider viel zu wenige. Dabei ist der Ansatz bestechend: Dass man kein Problem mit dem Sprachenlernen hat, wenn man möglichst früh damit beginnt, ist nicht unbedingt neu. Also werden in den bilingualen Schulen Fremdsprachen nicht bloß unterrichtet, sondern der Unterricht selbst findet zum Teil in der Fremdsprache statt.

Sachunterricht auf Englisch also, oder Mathe in Tschechisch. Um aufgenommen zu werden, braucht das Kind nicht unbedingt Vorkenntnisse. Die Klassen setzen sich zum Beispiel aus Schülern mit englischer Muttersprache und geringen Deutschkenntnissen, aus Kindern mit deutscher Muttersprache und englischen Vorkenntnissen und aus Kids, die noch gar nicht mit Englisch in Berührung gekommen sind, zusammen.

Mehrstufen- und Schwerpunktklassen und Bewegtes Lernen

Mehrstufenklassen
fassen Kinder verschiedenen Alters und unterschiedlicher schulischer Reife in einem Klassenverband zusammen. Meist handelt es sich um Vorschul-, Erst- und Zweitklässler, die gemeinsam (aber nach verschiedenen Lehrplänen!) unterrichtet werden.

Ein Kind, das vielleicht noch nicht ganz schulreif ist, fühlt sich hier wohl: Es wird nicht “ausgeschult” oder in die Vorschule “versetzt”, sondern bleibt mit seinen Freunden zusammen, erhält nur etwas andere Unterrichtsmaterialien und kann jederzeit – wenn der Zeitpunkt richtig erscheint – auch wieder am Unterricht der ersten Schulstufe teilnehmen.

Ein sehr begabtes Kind kann andererseits eine Schulstufe “überspringen”, ohne die Klasse wechseln zu müssen. Auch Mischformen sind möglich: Ein mathematisch sehr interessierter Taferlklassler kann in einer Mehrstufenklasse natürlich auch am Matheunterricht der zweiten Stufe teilnehmen!

Klassen mit musikalischem, mathematischem oder kreativem Schwerpunkt
bilden keine Genies aus, aber sie fördern verstärkt in eine bestimmte Richtung. Wenn Ihr Kind in eine Musikklasse geht, braucht es weder drei Instrumente zu spielen, noch die Notenschrift zu lernen! Hier werden Rhythmus- und Melodiegefühl entwickelt und gestärkt und der Grundstein zur Freude an Musik gelegt.

Matheklassen beschäftigen sich spielerisch mit der Mathematik, Klassen mit kreativem Schwerpunkt erfreuen Eltern und Omas mit wunderbaren Bildern und vielleicht einem Bühnenspiel. Der eigentliche Lehrplan wird aber nicht verändert, die Kinder lernen genauso viel wie jene aus anderen Klassen!

Bewegtes Lernen
hilft der Wissensvernetzung im Gehirn durch viel Bewegung – nicht nur bei motorischen Lerntypen. In Klassen, die bewegtes Lernen anbieten, finden sich Sessel, auf denen man schaukeln kann, Bewegungsspielzeug, das beim Lernen eingesetzt wird, und viele Spiele, die ganzen Körpereinsatz fordern. Ein Paradies für sehr körperbewusste Kinder – und auch für solche, die manchmal ein bisschen übervorsichtig sind.

Privatschulen

So viele Angebote! Und noch viele mehr: Denn Schulen und Lehrer haben noch mehr Ideen. Trotzdem findet nicht jede Familie etwas Passendes im Pool der öffentlichen Schulen: Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht bieten Alternativen.
Hier gilt das System der Wohnortnähe natürlich nicht. Die Schulleitung wählt zusammen mit dem Schularzt die Kinder aus, die aufgenommen werden. Dafür ist ein Aufnahmegespräch mit Eltern und Kind nötig. Dabei werden ein paar grundlegende Dinge gefragt (“Test”), aber wichtig ist nicht so sehr, dass der zukünftige Taferlklassler keine Fehler macht, sondern der Gesamteindruck, den er hinterlässt. Denn das ist das Privileg der Privatschulen: Sie suchen sich die Kinder und Familien aus, die zusammenpassen. Daher ist der Aggressionspegel meist sehr niedrig – und die soziale und wirtschaftliche Streuung ist gering. Natürlich ist der Lehrplan gleich wie in den öffentlichen Schulen, doch die Methodenwahl der Lehrer ist auch hier frei. Und so kann man in privaten Volksschulen schon die eine oder andere Tendenz ablesen.

Schulen, die kirchlichen Trägern gehören, sind natürlich – auch wenn sie inzwischen schon alle Glaubensrichtungen bei ihren Schülern willkommen heißen und selbstverständlich auch konfessionslose nicht ablehnen – religiös orientiert. Egal, ob es sich dabei um eine jüdische, islamische, evangelische oder katholische Gemeinschaft handelt.

Speziell eingerichtete Schulen wie jene der Wiener Sängerknaben nehmen nur Kinder auf, die auch in einem Chor der Sängerknaben singen.

Generell bemühen sich die Privaten aber (auch wenn sie wesentlich weniger Geld vom Staat erhalten als die Öffentlichen), den Kindern mehr “Drumherum” zu bieten. So finden sich zum Beispiel Musik- und Sprachschulen im Haus, die Nachmittagsbetreuung ist aufwändiger, viele Kurse und Sportvereine werden direkt im Schulhaus angeboten.

In internationale Schulen fühlen sich besonders mehrsprachige Kinder wohl – die Unterrichtssprache ist üblicherweise Englisch. Familien, die sich als Weltbürger sehen, Diplomaten und Schüler, die voraussichtlich wenige Jahre in Österreich bleiben werden, gehören zu den Besuchern dieser Schulen, die ein betont internationales Niveau bieten.

Nicht alle Privatschulen haben allerdings ein Öffentlichkeitsrecht. Das bedeutet, die Kinder, die sie besuchen, müssen an einer öffentlichen Schule in jedem Fach eine Jahresprüfung ablegen. “Freie” Schulen oder “Elterninitiativ”-Schulen unterliegen daher aber nur wenigen bürokratischen Einschränkungen – erlaubt ist, was gefällt. Entscheidend ist nur, dass das Kind am Jahresende den Stoff beherrscht und seine Prüfung besteht.

Im Prinzip ist es auch möglich, dass Eltern ihren Sprössling selbst unterrichten, die bürokratischen Hürden sind allerdings wesentlich höher als etwa in den USA. Nur dann, wenn Sie nachweisen können, dass ein Schulbesuch entweder für Ihr Kind oder für seine Klassenkameraden schädlich wäre, haben Sie gute Chancen auf die Erlaubnis zum häuslichen Unterricht.

Montessori- und Waldorf-Schulen

Einige der Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht haben sich ganz genau umrissenen Konzepten verschrieben.
Montessorischulen
Maria Montessori war Ende des 19. Jahrhunderts die erste italienische Ärztin und, damals ein fast unüberbietbarer Skandal, auch die Mutter eines unehelichen Sohnes. Nach einer Karriere in der Medizin und der Politik widmete sie sich den Kindern in den italienischen Elendsvierteln, lernte von ihnen das Lehren und entwarf das Grundgerüst der heutigen Montessori-Pädagogik.

“Hilf mir, es selbst zu tun!” ist einer der Kernsätze, “Jedes Kind dort abholen, wo es steht.” Daher: Keine starren Unterrichtskonzepte, keine Noten im eigentlichen Sinn. Jedes Kind soll individuell gefördert, gefordert und beurteilt werden. Und jedes Kind soll lernen, selbst Entscheidungen zu treffen, auch in der Schule. So bestimmen in Montessori-Schulen die Schüler ihren Lernfortschritt selbst, oft auch die Reihenfolge der Fächer und das Gewicht, das sie ihnen beimessen. Eine Besonderheit ist das typische Lernmaterial: Unterrichtsmittel, die alle Sinne ansprechen und die Neugierde herausfordern.

Waldorfschulen
Rudolf Steiner gründete 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart. Die Idee dazu ging von Emil Molt aus, dem sozial engagierten Besitzer der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik, der eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter einrichten wollte. Steiners “Anthroposophie” setzt nicht nur im Geist der Schüler an, sondern auch in ihrem Körper: Waldorfschüler lernen ihre Kreativität mit verschiedenen Werkzeugen praktisch einzusetzen.

Der Unterricht findet geblockt statt: Mehrere Wochen hintereinander lernen die Schüler immer nur ein- und dasselbe Fach. Benotung und Durchfallen entsprechen nicht der Waldorf-Philosophie. Die Kinder werden ausführlich verbal beurteilt und bleiben im Klassenverband integriert, auch wenn sie Defizite haben. Ein Schwerpunktfach ist die Eurythmie, eine Art Ausdruckstanz, bei dem jedem Laut eine besondere Geste zugeordnet wird.

Lehrer ist nicht gleich Lehrer!

In den meisten Schulen wird “Team-Teaching” betrieben, die Klasse wird von mehreren Lehrern gemeinsam unterrichtet.

Klassenlehrer:
So etwas wie der Kopf des Teams, der Lehrer, der die Klasse führt

Begleitlehrer:
Besonders in der ersten Schulstufe unterstützt er den Klassenlehrer. Der Begleitlehrer ist für schwache Schüler genauso da wie für durchschnittliche und besonders interessierte!

Stützlehrer:
Ein Lehrer, der zu festgesetzten Stunden Schüler mit Nachholbedarf aus der Klasse holt und
sie einzeln oder in Kleinstgruppen fördert.

Sprachheillehrer:
Kinder, die Probleme mit einzelnen Lauten oder mit der Satzbildung haben, üben an der Schule mit dem Sprachheillehrer.

Beratungslehrer:
Er steht Eltern, Lehrern und Schülern zur Verfügung und hilft bei Problemen oder besonderen Fragen. Oft setzt er sich auch als “Ombudsmann” oder Vermittler ein.

Eltern und Großeltern:
Beim “offenen Lernen”, das in den meisten ersten Klassen zwei bis vier Mal pro Monat stattfindet, übernehmen Eltern und Großeltern Stationen. Sie helfen den Kindern Buchstaben zu entdecken, Zahlenspiele auszuprobieren oder zeigen ihnen, wie und wo sie arbeiten.

Foto: Petr Bukal – shutterstock.com

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