Hochsensible Menschen tun sich nicht leicht in unserer Gesellschaft. Schon als Kind gelten sie schnell als wehleidig und werden aufgefordert sich zu ändern. Ein Gespräch mit der Buchautorin Sabine Wolfgang, die selbst zur Gruppe der Hochsensiblen zählt, über den Umgang mit dem Thema und ihr neues Kinderbuch „Oma kommt zurück“.
fratz.at: Liebe Frau Wolfgang, Sie waren ursprünglich in der PR-Branche tätig. Wann und wie kamen sie auf die Idee sich als Autorin zu betätigen?
Sabine Wolfgang: Ich bin auch weiterhin als PR-Beraterin tätig. Das Bücherschreiben ist vor ca. drei Jahren neu dazugekommen. Eigentlich wollte ich schon seit vielen Jahren Bücher schreiben, vor allem Belletristik, aber es hat etwas länger gedauert, bis ich dann tatsächlich so weit war. Gestartet habe ich zunächst mit zwei Sachbüchern über True Crime-Themen, dann kam ein Wien-Krimi und noch ein Sachbuch über das wilde Wien. Die Kombination aus PR-Beratung und Bücher verfassen ist für mich absolut stimmig und macht mir große Freude.
Ihr erstes Buch war ein Sachbuch und erschien kurz vor dem ersten Lockdown. Nach zwei weiteren Sachbüchern und einem Roman haben Sie nun erstmals ein Kinderbuch verfasst. Warum?
Sabine Wolfgang: Ja, ich bin hinsichtlich der Büchergenres sehr experimentierfreudig. Dass jemals ein Kinderbuch dazukommt, hätte ich selber nicht erwartet, aber da war plötzlich diese Idee, die mich nicht mehr losgelassen hat. Ich überlege nie krampfhaft „Was kann ich denn als nächstes schreiben“, sondern gehe da voll und ganz nach meinem Gefühl. Und wenn da plötzlich eine Eingebung ist, muss ich das Projekt auch umsetzen. Meine Hauptfigur, der hochsensible Leo, hat mich sofort begeistert. Und so habe ich mich dazugesetzt und das Kinderbuch „Oma kommt zurück“ verfasst.
Zum Inhalt des Buches: Der Leo ist sieben Jahre alt und geht in die zweite Klasse Volksschule. Er ist das, was man hochsensibel nennt, denn er spürt viel mehr als die meisten Menschen, braucht regelmäßige Auszeiten und kann sich gut in andere hineinfühlen. Nachmittage verbringt der Leo am liebsten beim Marionettenspielen mit seiner Oma, doch eines Tages kommt sie leider nicht mehr. Und da taucht auf einmal eine ganz besondere Katze auf, die das Leben vom Leo und seiner Mama schlagartig für immer verändert.
„Held“ ihres Buches – wenn man so sagen darf – ist wie erwähnt der siebenjährige Leo, der ein hochsensibles Kind ist. Im Text zu Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie selbst auch hochsensibel sind. Was genau versteht man unter Hochsensibilität, die weit mehr Menschen betrifft als man weiß, und wie äußert sich diese im Alltag?
Sabine Wolfgang: Hochsensibilität bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass man Reize stärker wahrnimmt. Hochsensible Personen (HSP) haben ein intensiveres Wahrnehmungsvermögen und spüren mehr als normal sensible Menschen. Dabei handelt es sich um eine Charaktereigenschaft von ca. 15 – 20% der Menschen, die jedoch alle in unterschiedlichen Ausprägungen hochsensibel sind. Das kann sich generell darin äußern, dass man schneller überlastet ist und sich dadurch regelmäßige Auszeiten und Ruhe gönnen sollte, damit die vielen Reize auch wieder verarbeitet werden können. Manche Hochsensible reagieren z.B. besonders stark auf Lärm, auf grelles Licht oder auf Gerüche. Innere Wahrnehmungen, Stimmungen, Befindlichkeiten werden jedoch auch sehr bewusst wahrgenommen. Durch die feinfühlige Art gelten hochsensible Personen als besonders empathisch und können sich gut in andere hineinversetzen.
„Sei nicht so wehleidig“
Wie hat sich die Hochsensibilität bei Ihnen geäußert? Z.B. als Kind aber auch später in der Schule, auf der Uni bzw. im Berufsleben? Wie und wodurch haben Sie dann die Bestätigung erhalten, dass sie tatsächlich hochsensibel sind?
Sabine Wolfgang: Als Kind und Schülerin hatte ich immer schon das Gefühl, zartbesaiteter zu sein als die anderen. Ich habe deswegen auch oft Sprüche gehört wie „Sei nicht so wehleidig“, „Du bist immer so schnell beleidigt“ oder „Du musst härter werden“. Diese Aussagen gehen natürlich nicht spurlos an einem vorüber, besonders weil man hochsensibel ist – da grübelt man ausführlich über alles nach, was man zu hören bekommt. Erst mit 30 habe ich dann durch einen Test die Bestätigung erhalten, dass ich hochsensibel bin – das war vielleicht ein Aha-Effekt! Mir ist dadurch schlagartig bewusst geworden, warum ich in manchen Situationen reagiere wie ich eben reagiere. Und da war diese schöne Einsicht, dass es offensichtlich vielen anderen Menschen genauso geht. Auch jetzt – durch die Recherche zu „Oma kommt zurück“ – habe ich einige Bücher gelesen, mir zahlreiche Vorträge zum Thema Hochsensibilität angesehen und wieder Neues erfahren, was ebenso auf mich zutrifft.
Wie gehen Sie selbst mit dieser Hochsensibilität um bzw. was würden Sie anderen raten, die ebenfalls von Hochsensibilität betroffen sind?
Sabine Wolfgang: Die Kernaussage meines Kinderbuches „Oma kommt zurück“ ist ganz simpel: Es ist ok, hochsensibel zu sein. Denn etwas, das man früher vielleicht noch als „Schwäche“ bezeichnet hat, können wir Hochsensiblen als unsere größte Stärke bezeichnen. Ich finde es großartig, dass man heute viel mehr zu Gefühlen stehen kann und dass Emotionen viel mehr Platz in unserem Leben haben und diese auch Männer zeigen dürfen. Genau das ist doch die Basis für Empathie und Hilfsbereitschaft.
Sollte der Verdacht bestehen, dass man selber hochsensibel ist oder jemand im Umfeld, rate ich, einen Test zu machen, eventuell mit einem Coach zu sprechen, Literatur darüber zu lesen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und für den Alltag sollte man sich einfach Rahmenbedingungen schaffen, die dem eigenen Naturell entsprechen. Ich selber habe für mich schon vor mehr als 12 Jahren das Homeoffice entdeckt. Hier bin ich frei von Hintergrundgeräuschen, kann Pausen machen, wenn mir mein Körper zeigt, dass es Zeit dazu ist, koche mir in meiner eigenen Küche mein Essen usw. Natürlich bin ich aber genauso gerne unter Leuten. Ich habe mir einfach angewöhnt, auf meinen Körper zu hören und die Zeichen wahrzunehmen. Das sehe ich als eine der größten Stärken von uns Hochsensiblen an: den guten Draht zum eigenen Körper.
Bilder beigestellt/Sabine Wolfgang, ©Barbara Lachner