Am Busen der Lust

Statistiken lügen nicht – niemals. Und die Statistik sagt, dass jede vierte Frau gern etwas an ihrem Busen ändern würde. Warum eigentlich?

Lassen wir uns doch wieder einmal mit der Statistik ein: Jede vierte Frau würde irgendetwas an ihrem Busen ändern, wenn sie das mit Fingerschnippen machen könnte. Oder kennen Sie dreimal mehr Frauen, die stolz ihre Oberweite schwenken?

Das liegt natürlich nicht an uns, nein: Unser Verhältnis zu unseren Brüsten hat sich nie so richtig von selber entwickeln können. Da redeten schon die 50 männlichen Prozent der Weltgeschichte ein kräftiges Wörtchen mit. So laut, dass wir es über die Jahrtausende bis in die Brustwarzen hören konnten.

Mode, Sex und Formlegenden

Mode spiegelt sich in allen Bereichen: Auch im Sex. Und in der Erotik sowieso. Und natürlich im so offensichtlich weiblichen Organ wie dem Busen. Stolze Minoerinnen trugen den Ausschnitt ihrer Kleider schon bis zum Nabel, als Frau Germanin noch beinahe auf den Bäumen saß.
Und Afrikanerinnen aus Naturvölkern finden Stehbrüste ziemlich peinlich – wer sieht denn schon gerne jungfräulich aus? Die androgyne Frau aus den 1930ern bandagierte sich ihren Busen, flache Jungenhaftigkeit als Sehnsucht nach männlicher Freiheit.

Nach dem milchspendefreudigen Mutterschaftssymbol der 40er und 50er-Jahre fiel das letzte Überbleibsel des Korsetts: BH-lose Feministinnen demonstrierten eine neue Auseinandersetzung mit dem Busen. Und holten sich ziemlich häufig entzundene Brustwarzen. Wundscheuern ist nicht angenehm.

Große, kleine, dicke, birnenförmige, runde Brüste.
Alle waren zu irgendeiner Zeit modern. Sicher zur falschen. Denn die meisten von uns können nur davon träumen in einer Ära zu leben, in der gerade unser Busen in war, oder? Und leider: Ändern lässt sich daran nicht viel. Zumindest nicht, wenn man etwas gegen das Skalpell hat. Den so viel wir auch mit Spezial-Übungen gegen Hängebusen, Minibrust und D-Cups kämpfen – es bleibt ein Fight gegen Windmühlen. Die Brust besteht ja fast nur aus Fettgewebe und den rund 20 Drüsenlappen, die die Warze umgeben. Und Fett reagiert eben nicht auf Muskeltraining.

Davon weiß so manche Frau ein Lied zu singen: “Als alle anderen in der Schule ihre ersten BHs trugen, hatte ich nicht einmal etwas, woran der BH hätte halten können.”, klagt Irit. “Nur in der Schwangerschaft, da kam ich mir supersexy vor, da hatte ich einen richtigen Busen. Aber beim Sex nützte er mir sowieso nicht – alles schmerzte und spannte schon beim Hinschauen.” Und nach der Geburt?

“Alles wieder wie vorher. Fast. Nur, dass die Brustwarzen etwas größer sind.” Dafür könnte es bald Abhilfe geben auch ohne die umstrittenen Silikonpölsterchen und andere fremde Kissen. Kevin Cronin vom Bernard-O’Brien-Institut für Mikrochirurgie in Melbourne setzt ein biologisch abbaubares Gerüst in die Brust ein. Fettzellen siedeln sich darauf und dazwischen an, das Gerüst löst sich auf – der neue alte Busen ist gewachsen.

Kleinigkeit am Rande: Bisher lässt sich die endgültige Form und Größe der Brust aber nicht vorherbestimmen. Könnte also sein, dass der ursprüngliche Minibusen doch die bessere Wahl war! Nun ja, wo nichts ist, da kann auch nichts hängen, meinen Sie? Dann sind Sie wahrscheinlich mit Ihren großen Brüsten nicht ganz zufrieden. “So viele Frauen schwärmen von großer Oberweite”, ärgert sich Ella, “aber das ist nur Theorie. Große natürliche Brüste sind auch dick. Und haben meistens riesige Brustwarzen. Und fangen schon an zu hängen, noch bevor sie ausgewachsen sind.” Auch ein Argument.

Busen im Kopf

Aber eines kann uns alle – die mit den großen Brustwarzen, die mit den Birnenbrüsten, die mit den anderen unzähligen vermeintlichen Schönheitsfehlern nur beruhigen: Die Form hat nichts mit der Erotik und dem Empfinden zu tun. Nur mit dem Gefühl. Und vielleicht auch mit dem Kopf.
Die Brustwarzen und der Warzenhof sind ja voll mit freien Nervenenden und ähnlich empfindlich wie die Fingerspitzen. Bei Kälte und Erregung verhärten sie sich – und das muss nicht immer nur bei sexueller Erregung sein! Eine Reaktion, die genauso wie ein erigierter Penis manchmal ziemlich verräterisch sein kann.

Oder ziemlich peinlich. Und ziemlich erotisch manchmal auch. Supermarkt- und bürotauglich sind aufgerichtete Brustwarzen allerdings selten. Und allzu hüpfende Brüste interessieren sicher unseren Partner. Aber der leicht fixierte Blick unseres Reitlehrers interessiert uns meist weniger.

Die Antwort darauf kommt aus der High-Tech: Der elektronische BH des Amerikaners Michael Pottenger. In den Körbchen befinden sich piezoelektronische Kristalle, beim Auf- und Abbewegen der Brust entsteht elektrischer Strom, der in die Träger des Büstenhalters fließt. Über einen Widerstand versteifen sich die Träger dann und der Busen bleibt in Position. Weitere Kristalle in den Körbchen können die Bewegung dann aktiv abfedern. Schräg, nicht wahr? Aber es funktioniert. Ob der BH allerdings auch ein wirklicher Verkaufsschlager wird?

BH-Mimikry ist aber schon ein interessantes Thema: Schließlich lässt sich damit von der einen oder anderen – vermeintlichen – Schwäche der Brust sehr fein ablenken: Minimizer verkleinern optisch, Maximizer vergrößern um eine Cup-Größe. Und Push-ups pushen eben nach oben und zaubern diese netten Äpfelchen-mit-Mittelfalte-Dekolletes. Mogelpackungen mit Pölsterchen und anderen Einlagen lassen aus dem Fastnichts eine schöne Handvoll entstehen. Und die wichtigste Eigenschaft eines BHs: Er gehört zu den Dessous. Und das Wort alleine klingt schon nach Seide. Nach dunkelroter.

Wer noch vor zwanzig Jahren sein Untendrunter brav in der Feinrippabteilung gekauft hat, greift nun zu Nett-Sündigem: die ganz normale Durchschnittsfrau nämlich. Oder belohnen Sie sich nicht gelegentlich sehr gerne mit etwas Schönem ganz für sich alleine? Dabei geht’s nicht unbedingt um Lack und Leder und Nahkampfkleidung, die sowieso sehr schnell zerknüllt am Bettvorleger landet!

Dabei geht’s einfach nur um das, was unser Busen mag. Und um das, was wir an unserem Busen mögen. Und wenn dann unser ganz persönlicher Er auch einen Blick darauf werfen darf, dann kann er sich geehrt fühlen: Denn schließlich, in erster Linie hat frau sich die hübsche Verpackung doch für sich selbst gekauft, oder?

Maskieren und verstecken

Verstecken muss aber auch nicht gerade sein: Immer noch belügen sich die meisten Männer selbst, wenn sie behaupten, sie sähen einer Frau beim ersten Kennenlernen zuerst in die Augen. Denn unwillkürlich rutscht der Blick auch des seriösesten Herrn immer ein kleines bisschen tiefer – hormongesteuert und unbewusst.
Und unwillkürlich setzen sich ein paar kleine Hintergedanken in seinem Kopf fest: Pech für die Herren der Schöpfung. Sie können ihren Sexualtrieb tatsächlich nur selten bewusst steuern. Der Busen einer Frau ist da meist ein Schalter, der den männlichen Verstand – wenigstens für Sekundenbruchteile – ausknipst. Und da geht’s gar nicht so sehr um die tatsächliche Form, Farbe und Größe, dabei steht die Ausstrahlung einer Frau im Mittelpunkt.

“Mir ist es eigentlich egal, wie der Busen aussieht.”, stellt Alex fest. “Er muss einfach nur passen. So, dass ich das Gefühl habe, die Frau will ihn weder verstecken noch mich dauern damit verfolgen. Eine Brust auf zwei Beinen ist für mich genauso unerotisch wie eine, die unter Kilometern weiten Kleidern verborgen wird.” “Natürlich”, so halten Sie dagegen, “das sagen sie alle?”

Und in Wirklichkeit sind es doch die Push-up-bewehrten Sexqueens in den Obenohne-untennix-Kleidern, die sich die Blicke aller Beiselbesucher wie Orden ankleben? Kann schon sein. Aber wenn eine Beziehung nicht über dieses Stadium hinauskommt, dann dauert sie sowieso nur bis zum Frühstück. Höchstens.

Also: Seien Sie nett zu Ihrem Busen. Und setzen Sie ihn ein. Auch im Bett. Denn als erogene Zone, da kann er so einiges: Spannung verleihen zum Beispiel. Dann nämlich, wenn Ihr Partner sich erst einmal – so wie damals, als Sie gerade lernten, was Petting heißt – nur um die Brust kümmert. Und er kann Erregung vermitteln, gerade bei Ihrem Mann: Erigierte Brustwarzen zeigen ihm nämlich, wie gut es Ihnen geht.

Und das macht Männer noch viel heißer als jede verbale Bestätigung seiner herausragenden Qualität. Und schließlich kann Ihr Busen etwas ganz Besonderes: Ihren ganzen Körper von Kopf bis Fuß in den Sex mit einbeziehen. Als Frau haben Sie damit einen ziemlichen Vorteil Ihrem Partner gegenüber. Bei Ihnen geht’s nicht nur um die primären Geschlechtsorgane.

Und sollten Sie sich wieder einmal über Ihren Busen ärgern, dann denken Sie an die Models mit ihren makellos designeten Brüsten, für Tausende von Euros zurechtgeschnitzt. Und denken Sie an die Stunden, die erforderlich sind um ihre Narben fürs Foto zu überschminken. Und denken Sie an den Sex, den die Models mit den gefühllosen Brustwarzen nicht haben. Na, geht es Ihnen schon besser?

 

Foto: Pixabay_efes

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