Auch das noch: Der Corona-Virus frisst unser Hirn

Papas sind auch nur Menschen. Und manchmal können Papas auch wütend sein. Papa-Blog, der Zweite.

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber in letzter Zeit werde ich immer nachdenklicher. Unter anderem dann, wenn ich mir mit meinem siebenjährigen Sohn Fotos aus vergangenen Zeiten – z.B. Urlaubsfotos vom Meer – ansehe. Sein nicht seltener Kommentar: „Gell Papa, das war vor Corona.“ Dann kann es mitunter vorkommen, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Tränen, die sich vor allem in den letzten Tagen mitunter als Tränen der Wut entpuppen.
Ja, ich bin wütend. Wütend darüber, dass dieser vermaledeite Virus nun auch noch beginnt unser Hirn aufzufressen. Wie ich darauf komme, fragen Sie? Ganz einfach: In normalen Zeiten hätte sich wohl jeder zweite Österreicher gefragt was es bringt geschätzte 80 Millionen Euro* beim Fenster rauszuschmeißen nur um festzustellen, dass am Tag X soundsoviele Österreicher den Virus in sich tragen. 14 Tage oder drei Wochen später ist das Ergebnis der sogenannten Massentests – mit Verlaub – schon wieder zum „Krennreiben“ und eigentlich müsste nach etwa einem Monat wieder getestet werden, wie die meisten Experten meinen.

Gleichzeitig weiß man im Bildungsministerium nun schon seit einiger Zeit, dass vielen österreichischen SchülerInnen grundlegende Voraussetzungen fehlen, um am digitalen Fernunterricht – neuerdings „Distance Learning“ genannt – teilzunehmen. Laut einer Anfragebeantwortung des Ministeriums von Ende Juni dieses Jahres fehlt mehr als 46.000 SchülerInnen der Laptop, um dem Unterricht im Internet folgen zu können.  (Nachzulesen auf Seite 7 dieses Dokumentes, dass Sie unter der Internetadresse des österreichischen Parlamentes hier herunterladen können: link)

Uns Österreichern wird ja manchmal nachgesagt, dass wir es mit dem Rechnen nicht so haben: Man muss allerdings kein Mathematikgenie sein, um folgende Aufgabe zu lösen: Wie viele Laptops á 1.000 Euro könnten um 80 Millionen Euro angeschafft werden? Richtig 80.000! Wir brauchen aber nur rund 47.000 (ein paar in Reserve sind immer gut). Ergibt nach Adam Riese 47 Millionen Euro, die wir in die Hand nehmen müssten, um jenen SchülerInnen, die derzeit von ihrem Recht auf Bildung ausgeschlossen werden, einen Laptop zu schenken.

Mag sein, dass es mittlerweile weniger sind, weil der Bund und die Bundesländer schon ein paar Rechner angeschafft und verteilt haben. Um so besser! Dann bliebe noch etwas mehr Geld, um in die zum Teil katastrophale technische Ausrüstung unserer Schulen – vor allem der Volksschulen – zu investieren. Laut dem EU-Bildungsmonitor 2020 sind hierzulande nur 11% der Volksschulen gut genug ausgerüstet, um digitales Lernen zu ermöglichen – im EU-Schnitt sind das immerhin 35%.**

Und was tun wir? Anstatt die 80 Millionen Euro in das Wissen unserer Kinder und damit in unser aller Zukunft zu investieren, schmeißen wir das Geld raus, um „Erkenntnisse“ zu erlangen, die spätestens in einem Monat nichts mehr wert sind. „Das Wichtigste ist die Bildung“ – eine Floskel die mittlerweile in nahezu jeder Sonntagsrede eines österreichischen Provinzpolitikers vorkommt. Doch wie heißt es so schön in dem abgewandelten Zitat aus der Bibel: „Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ (1. Johannes 2,1-6).
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber mich macht dieser simple Vergleich einfach nur sprachlos und auch ein bisschen wütend über die Prioritäten die derzeit gesetzt werden. Und irgendwie beschleicht mich das dumpfe Gefühl, dass die Hysterie um den Virus den gesunden Menschenverstand längst ausgeschaltet hat. Salopp formuliert: Der Virus frisst unser Hirn.
Traurigst
Ihr
Gernot Goldegg

Anmerkung:

*Die 80 Millionen Euro sind geschätzt. Sie ergeben sich aus jenen 67 Millionen, die allein die Anschaffung der Test-Kits kostet siehe hier: https://orf.at/stories/3191639/. Dazu kommt noch der logistische Aufwand – sprich Ausgaben für die Teststraßen und Tester, für die Labors, die die Tests auswerten, usw.. Dabei sind 13 Millionen Euro, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, ohnehin zu niedrig bemessen

** Bei Interesse: Den Monitoring-Teil Teil zu Östereich finden Sie hier: https://bit.ly/eu_bildung_oestereich_2020

Interessant ist übrigens die Tatsache, dass die Gymnasien aber auch die neuen Mittelschulen in punkto IT besser ausgestattet sind als der EU-Schnitt. Die Volkschulen stehen hingegen mies da.

Ob das wohl an den komplizierten Strukturen des österreichischen Bildungswesens liegt? Mehr dazu in diesem ORF-Bericht aus dem Jahr 2014(!): Die zersplitterten Kompetenzen: https://orf.at/v2/stories/2227207/2227226/

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