Mobbing im Internet wird zum Alltag – das zeigt eine neue Studie: Fast die Hälfte der Jugendlichen wurde im Internet schon beschimpft oder beleidigt. Am häufigsten wird auf sozialen Plattformen gemobbt. Manche Fälle haben tragische Konsequenzen.
„Stirb, jeder wäre glücklich darüber“ oder „Tu uns einen Gefallen und bring dich bitte einfach um.“ Am Ende hat die 14jährige Britin Hannah S. die Beschimpfungen nicht mehr ausgehalten und sich im Kinderzimmer erhängt. Fälle wie diese, die das Jugendmagazin BRAVO beschreibt (Cybermobbing: 5 schlimme Fälle) sind sicher Extrembeispiele, aber Cyber-Mobbing gehört längst auch für Österreichs Jugendliche zum Alltag. Das ergab jetzt eine aktuelle Studie.
Beschimpft und beleidigt
Die Zahlen sprechen eine dramatische Sprache: Fast die Hälfte (48%) der Jugendlichen haben bereits Beschimpfungen und Beleidigungen im Internet am eigenen Leib erlebt. 46% haben unter Ghosting, also dem plötzlichen, unangekündigten Kontaktabbruch gelitten. Mit Lügen und Gerüchten, die über die eigene Person verbreitet wurden waren 41% konfrontiert und 37% der Jugendlichen wurde bereits die Identität gestohlen. Sprich anonyme oder auch bekannte User/innen haben Fake-Profile in ihrem Namen angelegt.
„Liebe Pap und Mam, ich wurde mein ganzes Leben lang verspottet, gemobbt, gehänselt und ausgeschlossen. Ihr seid fantastisch. Ich hoffe, dass ihr nicht böse auf mich seid. Auf Wiedersehen, Tim.“ – dieser Satz steht im Abschiedsbrief des 20jährigen Tim, der jahrelang im Internet gemobbt wurde. Laut BRAVO erhielt Tim, ein Einzelgänger der auf der UNI keine Freunde hatte auf Facebook und Twitter immer wieder Cybermobbing-Nachrichten, in denen er als „Softie“, „Looser“ und „Homo“ beschimpft wurde.
Soziale Netzwerke als Mobbing-Werkzeug
Folgt man den Ergebnissen der Studie, so stehen soziale Netzwerke im Mittelpunkt des Cyber-Mobbings. Auf die Frage wo am häufigsten gemobbt wird antworteten 56% Instagram, gefolgt von TikTok (42 %), Facebook (36 %) und Snapchat (32 %). „Obwohl fast alle Befragten WhatsApp nutzen, liegen Messenger-Dienste mit 30 % nur an 5. Stelle der häufigsten Cyber-Mobbing-Plattformen. Online-Spiele werden von 25 % genannt, immerhin 11 % geben auch Videochat-Anwendungen für den Unterricht an.“, heißt es in der Presse-Aussendung zur Studie.
Teilnahme am Online-Unterricht schwer gemacht
In der Aussendung heißt es außerdem:: „Die Pandemie mit ihren wiederholten Lockdowns hat zu einer Verlagerung des Sozial- und Schullebens in die Online-Welt geführt. Knapp die Hälfte der Befragten (48 %) stimmt der Aussage zu, dass Cyber-Mobbing in Zeiten von Distance Learning häufiger vorkommt. So haben Jugendliche im Home-Schooling bei sich und anderen bereits erlebt, dass die Teilnahme am Online-Unterricht absichtlich schwer gemacht wurde (30 %), dass sie oder jemand anders bewusst von schulischen Informationen ausgeschlossen (23 %) oder während des Online-Unterrichts verspottet wurden (22 %). Cyber-Mobbing findet also in solchen Fällen auch vor den Augen der Lehrenden statt.“
Nicht Ernst genommen
Der Fall passierte bereits 2012: Auf einer Party wurde die 15jährige Rehtaeh von vier Junge vergewaltigt. Während einer der Täter über sie herfiel machten die anderen Fotos. „Innerhalb von drei Tagen hatte jeder an Rehtaehs Schule und in ihrer Heimatstadt die Bilder gesehen. Das Mädchen wurde seitdem immer wieder als „Schlampe“ beschimpft und bekam regelmäßig Nachrichten, in denen wildfremde Leute mit ihr Sex forderten. Die Polizei legte das Cybermobbing schnell zu den Akten, sie fanden keine Schuldigen. April 2013 nahm sich Rehtaeh das Leben.“, heißt es im Bericht von BRAVO
Wer hilft?
Wenn sich Jugendliche Hilfe holen, so wenden sie sich meistens an Freunde und Freundinnen. Da sagen 78% der Befragten, 71% wenden sich an die Eltern, 64% an Lehrerinnen oder Lehrer. Aber: „Theorie und Praxis klaffen allerdings manchmal auseinander: Denn mit 48 % meint fast die Hälfte der Befragten, dass Erwachsene in Cyber-Mobbing-Situationen oft nicht hilfreich sind. Ebenso hat ein Drittel (33 %) der Jugendlichen schon erlebt, dass Lehrende einen Fall nicht ernst genommen haben.“
Was die Abwehr von Mobbing-Attacken betrifft scheint auch die Nutzung technischer Möglichkeiten nicht wirklich hilfreich. Zitat aus der Presseaussendung zur Studie: „So beurteilen es 70 % der Jugendlichen als hilfreich, TäterInnen auf den jeweiligen Plattformen zu blockieren oder zu sperren. Diese zu melden, erachtet mit 59 % ebenfalls eine Mehrheit als hilfreich.“ Aber: „45 % der Jugendlichen haben erlebt, dass ihre Meldungen an Betreiber Sozialer Netzwerke nicht wie erwartet bearbeitet wurden.“
Gefordert: Eltern und die Schule
„Eltern sollten ein offenes Ohr haben und ihrem Kind signalisieren, dass es Ernst genommen wird“, so Bernhard Jungwirth, Projektleiter Saferinternet.at anlässlich der Präsentation der neuen Studie, . „Denn egal, in welcher Rolle das eigene Kind in eine Cyber-Mobbing-Situation involviert ist: Jugendliche hier zu begleiten und gemeinsam eine Lösung zu finden, ist eine wichtige Aufgabe der Eltern.“
Außerdem heißt es: „Wenn es um Cyber-Mobbing geht, ist das schulische Umfeld sowohl Ort des Geschehens als auch Ort der Hilfe und Prävention. Daher müssen dort gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie Angebote und Maßnahmen forciert werden: Notwendig sind zusätzliche Fortbildungen für Lehrende und DirektorInnen, ein Ausbau von Unterstützungsstrukturen wie Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie und eine noch stärkere Thematisierung von Cyber-Mobbing im Unterricht. Präventions-Workshops, wie sie von Saferinternet.at angeboten werden, können eine Entlastung für die in Cyber-Mobbing-Situationen stark geforderten PädagogInnen sein.“
Zur Studie: „Cyber-Mobbing“ wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag von Saferinternet.at und ISPA – Internet Service Providers Austria durchgeführt.
Weitere Details mit Tipps für Schüler/Innen, Eltern, Lehrer/Innen hier: https://www.saferinternet.at/news-detail/neue-studie-cyber-mobbing-hat-in-der-pandemie-zugenommen/
Quelle zu den Einzelfällen
https://www.bravo.de/girl/cybermobbing-die-5-schlimmsten-faelle-316555.html
Bild: Sujet – pixabay_Gerd_Altmann