Triple P – ein Erziehungsprogramm aus Australien will Eltern helfen, mit ihren Kindern positiv und besser umzugehen.
Alltag mit Kindern
Dienstag Früh. Kurz nach sieben Uhr. Nach viermaligem “Nina, guten Morgen, Aufstehen” ist meine sechsjährige Tochter nun endlich munter. Jetzt geht’s erst richtig los. Bitte zieh dich an! Bitte geh Zähne putzen! Während all meiner morgendlichen Befehle fetze ich durch die Wohnung, mache Frühstück, gehe mich selbst duschen, ziehe mich an, räume meine Unterlagen zusammen.
Nina geht inzwischen halbangezogen spielen, schleift die Strumpfhose hinter sich her, will jetzt noch eine Kassette hören, trödelt weiter herum und will jetzt doch lieber Honig als das fertige Marmeladebrot – sie hat alle Zeit dieser Welt.
Ich verstehe sie, Montessori-Fans verstehen sie, aber mein Chef versteht es einfach nicht, wenn ich zu spät komme und ich denke an meine Sitzung im Büro, die pünktlich um 8.30 beginnt.
“Nina, bitte bitte bitte tu weiter” ich flehe, schreie, tobe, – der allmorgendliche Wahnsinn eben – so gar nicht die gelassene Mutter, die ich gerne wäre. Und irgendwie schaffen wir’s dann doch meistens halbwegs pünktlich das Haus zu verlassen und den Kindergarten und dann das Büro zu erreichen.
Auf der Suche nach der “richtigen” Erziehungsmethode
So wie mir geht’s vielen Eltern heutzutage: Wir lieben unsere Kinder, wir sind überzeugt, wir haben sogar ganz tolle Kinder – die meiste Zeit halt. Aber dennoch gibt es viele Situationen, aus denen alle Familienmitglieder genervt hervorgehen, die wir gerne vermeiden würde, die uns als Eltern hilflos zurücklassen.
Die Shell Jugendstudie aus Deutschland von 2000 besagt zwar, dass zwischen Eltern und Jugendlichen heute weniger Probleme herrschen als noch vor 20 Jahren.
Gleichzeitig sagen aber Fachleute, Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen, dass Eltern heute hilfloser und verunsicherte denn je sind, was Erziehungsmethoden, Regeln und Verhaltensweisen betrifft. Eins wollen alle: Es richtig machen, aber was ist richtig?
Das Konzept von Triple P
“Folgen, Folgsamkeit, Gehorsam – das klingt mir viel zu sehr nach Zucht und Ordnung”, sagt meine Bekannte Traude, als ich ihr von dem Erziehungsprogramm Triple-P erzähle. “Wenn ich schon höre, dass man bei Triple P überlegt, welches Verhalten des Kindes man ändern will, ist mir das suspekt.”
Susi hat sich viel mit Montessori-Pädagogik beschäftigt: Kinder sollen sich gemäß ihrem “inneren” Entwicklungsplan entfalten können, sie machen die Dinge in ihrem persönlichen Tempo. Sie brauchen Zeit für das, was gerade ansteht. Natürlich wissen wir Eltern aber alle: Der ganz normale Alltag sieht leider oft gar nicht so wie in den Schilderungen von Maria Montessori aus.
Wie man von der Erfahrungen anderer profitieren kann, ist Ziel und Inhalt von Triple-P – Positiv Parenting Program, ein Positives Erziehungsprogramm, das in 12-jähriger Forschungsarbeit an der Universität von Queensland in Australien entwickelt wurde. In enger Zusammenarbeit mit Familien wurden Ideen und Strategien erarbeitet, die beim Umgang mit häufigen kindlichen Verhaltensauffälligkeiten Hilfestellung bieten können.
Dabei geht es immer um positive Erziehung: Im Mittelpunkt steht das Wissen, wie Kinder durch Lob, Aufmerksamkeit und Belohnung zu positivem Verhalten motiviert werden können.
Die wissenschaftlich begleiteten Ergebnisse von Triple P können sich sehen lassen: Eltern werden sicherer, das Klima zwischen den Eltern (vor allem, wenn sie den Kurs gemeinsam besuchen) und in der Familie verbessert sich. In Australien ist das Programm sehr populär, nicht zuletzt dank einer Vorabendserie. Nachdem es seit einiger Zeit in Deutschland boomt, gibt es Triple-P-Kurse jetzt auch in Österreich und Bedarf und Nachfrage sind groß.
Reingeschaut beim Triple P-Kurs
Eines ist schon am ersten Kurs-Abend nach der Einstiegsrunde schnell klar: Es geht in vieler Hinsicht um Folgsamkeit. Hannes soll seine Aufgabe selbstständig und von selbst machen. Rita soll lernen ihre Jacke nicht immer auf den Boden zu schmeißen, sondern am Kleiderhaken aufzuhängen. Isabella soll lernen nicht mehr zu schwindeln.
Gehorsam ist etwas, das ein Kind lernen muss, bzw. wenn es das als Kleinkind nicht lernt, muss es dieses notwendige Sozialverhalten später und dann unter viel schwierigeren Umständen lernen.
Das Triple-P-Programm für Eltern ist sehr straff, es gibt wenig Zeit für Diskussionen, vieles soll ja in den wenigen Stunden angesprochen werden.
“Zufällige Belohnung von unerwünschtem Verhalten” ist ein Punkt – Trainerin Sabine Griesebner braucht nur ein Beispiel zu erwähnen und alle wissen, was gemeint ist: Kind und Mutter sind im Supermarkt, Kind will Süßes, Mutter sagt nein, Kind trotzt, Kind schreit, Mutter sagt nein, Kind trotzt weiter, Mutter gibt genervt auf, Kind bekommt Schokolade.
“Was hat das Kind in dieser Situation gelernt?” Dass es nicht aufgeben darf und solange nerven muss, bis es das bekommt, was es will. Und wie in diesem Fall lernen Kinder sehr schnell, dass ihr Verhalten Folgen hat und dass sie das Handeln anderer kontrollieren können. Und solange Kinder mit Problemverhalten erreichen, was sie wollen, gibt es für sie keinen Grund dieses Verhalten zu ändern. Ziemlich einleuchtend für uns alle.
Hausaufgaben für Eltern
Nach jeder Einheit bekommen wir Eltern Hausaufgaben: Jede/r setzt sich selbst ein bis zwei Ziele, welches Verhalten des Kindes verändert werden soll und muss bis zum nächsten Termin dieses Verhalten des Kindes und das eigene Verhalten beobachten und dokumentieren. Und – oh Wunder – bis zum nächsten Mal hat sich bei den meisten bereits etwas verändert.
Mir wurde mein eigenes Verhalten bei einer der vielen Video-Sequenzen des Triple-P-Programms, die uns Trainerin Sabine zwischendurch zeigt, klar: Das Beispiel von der Mutter, die durchs Wohnzimmer geht und zu dem auf dem Sofa hüpfenden Kind im Vorbeigehen sagt: “Hör endlich auf mit dem Blödsinn” – jedem Zuseher wird klar, dass bei dieser unklaren Anweisung das Kind eigentlich logischerweise nur weiter hüpfen kann.
Jetzt renne ich nicht mehr wie ein aufgescheuchtes Hendl Anweisungen aus allen Zimmern rufend herum.
Ich stelle mich morgens direkt neben Nina, schaue sie an und sage ruhig “Putz dir jetzt bitte die Zähne.” Und sie tut’s!
Triple-P, die regelmäßigen Treffen, das Feedback und die Hausaufgaben helfen wirklich, schon alleine, weil man sich mit seinem eigenen Verhalten gemeinsam mit anderen auseinandersetzt, sich Zeit nimmt und das eigene Tun über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet.
Und was uns allen auch klar geworden ist: Wir Eltern beachten schlechtes Verhalten viel mehr als gutes. Und Hand aufs Herz – wie oft loben Sie Ihr Kind ganz konkret, wenn es sich richtig verhalten hat?
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