Dirty talk

 

Sie: Stöhnt mit tiefer Kehle. Und sagt Dinge, die viele Leute im Slanglexikon nachschlagen müssten. Aufs höchste konzentriert ist sie dabei. Schließlich ist Dirty Talk ein ziemlich anspruchsvoller Nebenjob, wenn man dabei bügelt.

Nette Szene, nicht wahr? Zumindest so, wie frau sich das ganz gerne vorstellt: Der Mann am verbalen Gängelband, mit ein paar Worten restlos enthirnt, die Frau bleibt cool dabei. Schließlich ist Dirty Talk doch ein eindeutig männlicher Wunsch, oder? Psychologen bestätigen es: Sex hat was mit Liebe zu tun, klar.

Und fast genauso viel mit Aggression. Männliche starke Krieger wollen die Herausforderung – ein bisschen Knurren, ein bisschen Fauchen, ein, zwei Prankenhiebe vom Weibchen und Sex schmeckt doppelt so gut, mindestens. Aggressive Unterwerfung: So ähnlich kann man das Spiel mit Worten beschreiben. Wenigstens galt das für gestern.

 

Who’s who der Dirty Talker

Dirty Talk – das ist was für Männer: Frauen tuns nur ihnen zuliebe? Wenn, falls überhaupt? Pech nur, dass es eine so genannte geschlechtliche Identität bloß im Genitalbereich gibt – und in der Theorie. In der Praxis, so stellt Sally Tisdale in ihrem Buch “Talk dirty to me” fest, macht “…Sexualität Hackfleisch aus starren Definitionen.”

Spaß – der spielt sich nicht immer im Bett ab. Und mit Sex hat er auch nicht notwendigerweise zu tun – aber dafür ziemlich oft ziemlich viel mit Erotik. Der Verhaltensforscher Desmond Morris (“Der nackte Affe”) ist ja der Meinung, nur die Macht der Sexualität könnte Männer und Frauen aneinander binden – nur das Bedürfnis nach einem Sexualpartner hindert uns also daran, ständig Nahrungs- und Territorialkämpfe auszufechten.

Wenn zwei zusammenkommen, geht’s also immer um Konkurrenz: Zoff oder Sex. Und weil man mit dem schnuckligen Trafikanten, dem niedlichen Kunden oder dem erfreulichen Arbeitskollegen nicht unbedingt direkt ins Bettchen hüpfen will, gibt’s eben hinüber und herüber ein paar dunkelrot-seidige Bemerkungen. Und die sind gar nicht so dirty, eher spannend.

Dr. Hansjürgen Meyer, Arzt und Diplom-Psychologe, sieht in erotischem Daily-Talk das Salz im Einheitssüppchen: “Eine Prise feiner sprachlicher Erotik bringt Spannung – ins Verkaufsgespräch, in den Jour fixe oder auch in die tägliche Arbeitswelt. Wo eine direkte sexuelle Beziehung definitiv störend wirken würde, verbinden ein paar eindeutige Worte und schaffen Brücken statt Rivalität.

” Also auf zum Dirty-Working-Talk! Charmanter Dirty Talk hat gar nichts von Dreck an sich. Jede Frau mag doch Liebhaber, die geübt zu plaudern verstehen, oder? Und gibt es ein Thema, über das sich interessanter und interessierter plaudern lässt als Sex?

 

Und wer tut’s wie

Eine kleine – besonders unrepräsentative – Umfrage lässt ein wenig Einblick in die sprachlichen Präferenzen zu:
Linda (23) erzählt: “Dirty Talk, das war für mich immer etwas, das mit einem grunzenden schwitzenden Mann zu tun hatte, der sich mit Gossenausdrücken auf Touren bringen ließ. So lange wenigstens, bis eines Tages mein Freund beim Sex mit heiserer Stimme zu mir sagte: ‚Du bist soooo gut.’ Und das war in diesem Moment der pure Wahnsinn für mich!”

Anna (34) wieder wägt ab: “Dirty Talk kann schon toll aufheizen – und zwar beide. Aber ein falsches Wort in falscher Stimmung, die momentane Neigung des Partners schlecht eingeschätzt, ein Bruch ist ganz schnell erzeugt. Mit einem neuen Partner ist es sicher ganz ratsam, erst langsam mit kleinen Bemerkungen zu beginnen und erst später zu beschreiben, was man gerade fühlt, was man sich wünscht oder sogar wovon man fantasiert. Und wie man das sagt, dafür gibt es sicher kein Lexikon, da hat jeder sein eigenes Vokabular.”

Teresa (28), hat da ganz andere Erfahrungen: “Ich habe es schon mit meinem Freund versucht – zu einem Zeitpunkt, an dem er in Salzburg arbeitete, während ich immer noch in Wien wohnte. Wir versuchen unseren Kuschel-Entzug am Telefon durch Dirty Talk ein wenig zu kompensieren. Aber es endete jedes Mal in nicht endenden Lachkrämpfen auf beiden Seiten: Ich kam mir einerseits blöd dabei vor und andererseits fand ich es nur komisch, wie sich mein Freund bemühte. Ihm ging es wohl genauso, denn bald mussten wir schon losplatzen, sobald nur irgendwo ein Wort über Dirty Talk fiel.”

Und schließlich lassen wir doch noch einen Mann zu Wort kommen: Andreas (37) gibt zu: “Ich kann es schlecht planen. Man muss es ins Liebesspiel spontan einbauen können – und auch schon einmal damit leben können, dass man im entscheidenden Moment Redeverbot bekommt. Und ein anderes Mal wirkt es wieder sichtlich und vernehmlich stimulierend.”

Ein kluger Mann, dieser Mann! Und doch: Aus all den Interviews ergibt sich wieder das gleiche Bild. Dirty Talk ist nur was fürs Bett. Meist tun’s die Männer – die Frauen treffen dann die Entscheidung, ob sie’s mögen oder nicht.

 

Turn on – turn off

Haben Sie schon einmal beim Anblick eines viel versprechenden Luxusmannes Lust gehabt, den Spieß erstens umzudrehen und zweitens nicht nur im Bett zu verwenden? Dirty Talk wirkt auch im Falle des Flirts. Ein bisschen Überwindung kostet es schon: Planen Sie am besten ein paar verbale Angriffe voraus – vor dem Spiegel. Wo auch immer Ihre Schamgrenze sei, vermutlich müssen Sie sie jetzt überwinden. Doch Dirty Talk hat nicht unbedingt etwas Schmuddeliges an sich: Ein wenig – verbale! – Zungenakrobatik kann durchaus elegant sein!

Ich weiß, wie du ausschaust, wenn du kommst…
Eine Bemerkung dieser Art ganz plötzlich in ein kleines Gespräch zu zweit eingestreut, hat es in sich – wetten? Zumindest müsste die Reaktion durchschlagend sein – und die Spannung merklich steigen.

Ich mag es, wenn du mich in die Schulter beißt…sag den Leuten, sie sollen gehen.
Während die meisten Frauen gerne hören, wie erotisch sie aussehen, wie gut sie sich anfühlen und wie fantastisch sie riechen und schmecken, mögen’s die Herren der Schöpfung eher direkt. Und sie finden es äußerst nett, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen.

Ich möchte Sachen machen…
Feine konkrete Ideen machen das Leben spannend. Und das Leintuch zerknittert. Wenn Sie ein paar Probleme haben, allzu direktes Vokabular einzusetzen, dann: Augen zu und durch. Die geschlossenen Lider sperren den Genierer aus und wenn Sie direkt in sein Ohr sprechen, dann ist das erstens erotisch und zweitens nicht peinlich.

Ich will mehr von dir!
Wollen Sie aus dem erfreulichen Gastspiel eine Dauerlösung machen? Dann sagen Sie’s ihm: Per SMS vielleicht. Wenn er ein paar Anregungen für Ihr nächstes Treffen liest, wird auch die langweiligste Besprechung versüßt.

Ich möchte es immer noch tun…
So ganz neu ist Ihre Beziehung ja nicht mehr? Und der Sex ist auch schon ziemlich routiniert – schließlich wissen Sie ja, worauf’s bei ihm ankommt? Nun, er hat immer noch ein paar erogene Zonen, die Sie nicht kennen! In seinem Kopf nämlich. Und daran gelangen Sie direkt über den Dirty Talk. Machen Sie sich selber Mut – und dann rufen Sie ihn an: “Ich will es jetzt machen. Den ganzen Tag schon. Komm schnell nachhause!” Wetten, er macht keine Überstunden?

 

Abregender Talk: Der Kalte-Dusche-Effekt

„War ich gut?” Vergessen Sie’s. Sie werden keine Gelegenheit mehr haben, es besser zu machen.
„Bin ich schön/schlank?” Vergessen Sie’s. Auf Schönheit und Gewicht kommt’s jetzt wirklich nicht an. Und Komplimente fischt man besser nicht im Bett.

„Dreh den Film/die Sportübertragung ab, auch wenn du dich schon seit Tagen darauf freust.” Vergessen Sie’s. Es sei denn, Sie sind mit einer höflichen Pflichtübung zufrieden.

„Du sollst mich eine Nacht und einen Tag ununterbrochen lieben.” Vergessen Sie’s. Dirty Talk hat nichts mit gefährlichen Drohungen zu tun.

„Wo ist denn das kleine Dingelchen?” Vergessen Sie’s. Babysprache hat mit niedlichen Kleinigkeiten zu tun – nicht mit mächtigen gefährlichen Körperteilen wie denen Ihres Partners!

u_02_14_n_08_22

Bild: pixabay_calibra

Related Stories
Search Posts