Die Jugendämter suchen immer wieder nach kompetenten Pflege-Eltern, in deren Obhut sie Kinder mit einer problematischen Vergangenheit geben können.
Wenn Sie in Österreich ein Kind adoptieren, werden Sie automatisch für eine Zeit zu Pflege-Mami oder Pflege-Papi. Auf diese Weise werden Sie erst mal zu Eltern auf Zeit. Das ist auch ohne Adoptionswille möglich. Und: Als Pflege eltern tun Sie etwas Gutes! Denn oftmals stammen Pflegekinder aus problematischen Verhältnissen. Dies betrifft entweder das soziale, das wirtschaftliche oder das familiäre Umfeld – oder leider eine Kombination aus beidem. Die Bandbreite reicht von schweren Krankheiten und dem Verlust der Eltern über diverse Suchtprobleme oder psychische Leiden bis hin zu Missbrauch und Verwahrlosung. Bei diesen Kindern bleiben oft tiefe seelische Narben zurück, Traumata müssen behandelt werden. Wenn Sie einem solchen Kind ein gutes, behütetes Zuhause geben, kann dies trotz aller zuvor erlebten Widrigkeiten der Grundstein für einen guten und erfolgreichen Lebensweg sein.
Voraussetzungen
Wer kann zur Pflege-Mutter oder zum Pflege-Vater werden? Es gibt einige Voraussetzungen, die wie beim Adoptionsverfahren im Vorfeld geprüft werden. Anders als dort gibt es bei Pflege-Eltern kein vorgeschriebenes Mindestalter. Ein Richtwert ist, dass der Altersunterschied zwischen Pflege- Eltern und Pflege-Kind bei maximal 40 Jahren liegen sollte. Deutlich genauer schauen die zuständigen Behörden bei den wirtschaftlichen, sozialen, familiären und persönlichen Bedingungen hin, die Sie mitbringen. Sie müssen in geordneten Verhältnissen leben und dem Kind ein Zuhause mit ausreichen Raum bieten. Das Einkommen spielt auch eine Rolle, um das Kind gut versorgen zu können. Gleichwohl können Sie bei einem Pflege-Kind auch auf stattliche Unterstützung zählen. Sie sollten – anders als bei einem Adoptivkind – deutlich mehr Lebenserfahrung sowie Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Kids und Teenagern besitzen.
Auch die Belastbarkeit wird in den Gesprächen ein Thema sein. Denn Pflegekinder sind oft alles andere als unproblematisch. Dann müssen Sie Frau beziehungsweise Herr der Lage sein. Weiters sollten Geduld und Einfühlungsvermögen ebenso zu Ihren inneren Werten zählen wie sehr, sehr viel Verständnis. Nicht immer ticken die Pflege-Kinder so, wie man es erwartet. Verhaltensauffälligkeiten sind immer wieder an der Tagesordnung.Letzten Endes entscheidet der zuständige Träger der Jugendwohlfahrt, in der Regel ist das das Jugendamt, über Ihre Befähigung und erteilt eine Pflegebewilligung. Diese gilt nicht generell, sondern muss in jedem Einzelfall für jede Kind erneut ausgestellt werden. Selbst wenn Sie die oben dargestellten Vorgaben erfüllen, kann diese Pflegebewilligung im Einzelfall nicht erteilt werden. Das passiert, wenn der Auszug aus dem Strafregister nicht frei von Vorstrafen ist, oder wenn das Ärztliche Gutachten negativ ausfällt. Die Verantwortlichen schauen auch genau hin, wie möglicherweise bereits vorhandene Kinder in Ihrem Haushalt behandelt werden.
Kurzzeit- oder Dauerpflege
Wenn Sie Pflege-Eltern werden wollen, sollten Sie sich zuvor über die verschiedenen Arten informiert haben. Diese unterscheiden sich generell nach der Verweildauer des Kindes in Ihrer Obhut. Für ganz akute Fälle gibt es die Krisenpflege, die längstens für eine Zeit von zwölf Wochen erfolgt. Ein anderer Name ist auch Bereitschaftspflege, weil Sie immer dann einspringen, wenn etwas Plötzliches passiert ist. Bei der Kurzzeitpflege hingegen betreuen Sie das Kind über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Diese Variante wird vor allem dann von der Behörde gewählt, wenn eine aussichtsreiche Möglichkeit besteht, dass sich die Situation der leiblichen Eltern wieder stabilisieren wird.
Ist es eher unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen, dass sich die Eltern je wieder um ihren Nachwuchs kümmern werden, dann greift die Dauerpflege. Die Pflege-Eltern werden in diesem Fall zu einer Art Mami und Papi für die betroffenen Mädchen und Buben. Die Beziehung soll möglichst von Dauer sein und ähnelt einer Adoption am meisten. Egal für welche Form der Pflege Sie sich entscheiden, Sie müssen einiges im Vorfeld investieren. Vor allem Ihre Zeit. Denn Pflegeeltern müssen ein spezielles Training durchlaufen in Form eines Vorbereitungsseminars. Schwerpunkte sind dabei unter anderem Erziehung, Umgang mit Konflikten, Integration, Verhaltensauffälligkeiten und kindliche Entwicklung. Die Seminare sind für potentielle Pflege-Eltern gratis.
Text: Stefan Trockel
Foto: auremar/Shutterstock.com