Kaum haben Kinder gelernt, sich im Raum zu bewegen, machen sie auch erste Erfahrungen mit Ecken, Kanten und Tischplatten oder im freien Fall. „Kinder fallen besonders gerne auf den Kopf“, bestätigt Dr. Gudrun Burda, „denn er ist überproportional groß und daher schwer“. Die Oberärztin an der Kinderintensivstation der Wiener Universitätsklinik klärt FRATZ & CO über die Gefahren von Kopfverletzungen auf und erläutert, wie man im Falle des Falles (oder Stoßes) richtig reagiert.
Es blutet: Platzwunde Die Diagnose ist auch für den medizinischen Laien offensichtlich: Das Kind hat eine klaffende Kopfwunde, die massiv blutet. Es gilt daher zuallererst die Blutung zu stillen, idealerweise mit sterilen Tupfern (Apotheke) – saubere, nichtfusselnde Tücher, Waschlappen o. Ä. tun es auch. Danach: Druckverband drauf und ab ins Krankenhaus. Mit dem eigenen Auto, oder – falls man alleine und mit blutendem Kind am Rücksitz multitaskingmäßig überfordert ist – mit der Rettung.
Druckverband / Sofortmaßnahmen Auf die Wunde kommt die Wundauflage (Tuch, Tupfer) und darauf wird ein Druckpolster gelegt. Beides bindet man mit einem Verband fest. Der Druckpolster soll weder hart noch saugfähig sein (Bsp.: eingeschweißte Verbandpackung).
Eine Platzwunde muss immer ärztlich angeschaut, gesäubert und meist genäht werden. Nur so lässt sich ausschließen, dass der Knochen darunter gesprungen ist, und sicherstellen, dass die Wunde möglichst rasch und „schön” verheilt. Platzwunden haben –
im Gegensatz zu Messerschnitten – keine scharfen Wundränder und würden „von alleine” nur langsam und unter hässlicher Narbenbildung zusammenwachsen.
Platzwunde / Sofortmaßnahmen
• Blutung stillen: Tupfer, Tücher, (Druck-)Verband
• Ins Krankenhaus fahren (Notaufnahme) oder Rettung rufen
Und wenn man nichts sieht?
Oft verläuft ein Schlag oder Sturz unblutig, die Kopfhaut hält. Aber hält auch der übrige kleine Kopf die Erschütterung aus? Schädelknochen, Gehirnhaut oder das Hirn selbst könnten verletzt worden sein. Gudrun Burda empfiehlt, in folgenden Fällen sofort die Rettung zu rufen: wenn das Kind bewusstlos ist – selbst wenn es rasch wieder zu sich kommt – oder wenn Flüssigkeit aus Nase oder Ohr austritt.
Bei Bewusstlosigkeit
• Beim Kind bleiben
• Atemwege freihalten
• In eine seitliche Position bringen: je nach Alter am Arm tragend oder stabile Seitenlage
Sollte das Kind „nur” brüllen, muss man es während der folgenden drei Tage genau beobachten. Und ganz besonders in den ersten 24 Stunden: Wenn es Kopfweh bekommt, erbricht oder besonders müde ist – ab mit ihm ins Krankenhaus!
„Unblutige Kopfverletzung“ / Sofortmaßnahmen
• Bei Bewusstlosigkeit (Reaktion siehe oben) und/oder Flüssigkeitsaustritt aus Ohr oder Nase sofort ins Krankenhaus
• Sonst: Genaue Beobachtung über 72 Stunden
Kinder-Ambulanz doch noch aufsuchen:
• Bei Erbrechen
• Bei Kopfschmerzen
• Bei verändertem Verhalten (zu ruhig oder müde)
• Wenn das Kind in der Nacht nicht aufweckbar ist (testen!)
Gehirnerschütterung
Eine Gehirnerschütterung ist ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, das von selbst wieder ausheilt. Wenn ein Kind massiv „auf den Kopf gefallen ist”, sollte es also ruhen – am besten im Bett. Job der Betreuungsperson ist dann: abwarten und beobachten. Beim Thema Bettruhe funktioniert durchaus der Umkehrschluss: Wenn der kleine Wirbelwind eine Gehirnerschütterung hat, bleibt er tatsächlich liegen. Kinder verhalten sich grundsätzlich ihrem Zustand entsprechend. Die Gehirnerschütterung selbst muss nicht behandelt werden. Zeigt sich aber eines der oben genannten Symptome (Erbrechen, Kopfschmerzen, Verhaltensänderung), macht man sich lieber auf den Weg ins Krankenhaus zwecks Abklärung. Verunsicherten Eltern empfiehlt Gudrun Burda: „Sie können sich gerne in jedem Fall an eine Kinder- Ambulanz wenden. Dort erklärt man Ihnen, was beim Kind beobachtet und kontrolliert werden sollte (etwa: in der Nacht testen, ob sich die kleine Schlafmütze wecken lässt) und aus welchem Grund (Gefahr einer Gehirnblutung!).“ Fühlen sich Eltern in der Lage für diese Beobachtung, können sie ihr Kind zu Hause weiterbetreuen. Andernfalls – etwa wenn Eltern beim ersten Kind recht unsicher sind – wird es ein bis zwei Tage stationär aufgenommen.
Gehirnblutung
Bei einer Kopfverletzung durch Schlag oder Sturz kann es zu Hirnblutungen kommen. Diese Mikro-Blutungen sind Sicker-Blutungen und machen sich oft erst nach Stunden bemerkbar („luzides Intervall”). Darum ist eine Verhaltensbeobachtung des verletzten Sprösslings über eine Zeitspanne von drei Tagen so wichtig. Bringt man das „angeschlagene” Kind ins Krankenhaus, wird vermutlich ein Röntgen oder ein CT (Computertomographie) gemacht. Ist dort eine Gehirnblutung erkennbar, wird der Mini- Patient bzw. die Mini-Patientin weiterhin genau beobachtet. Oft reicht es abzuwarten, dass sich die Blutung selbst abdrückt und so stoppt. Andernfalls kann es notwendig sein, den gestiegenen Hirndruck zu senken – meist durch einen neurochirurgischen Eingriff.
Schädelbasisbruch
Dieses Worst-Case-Szenario wünscht sich kein Elternteil. Erkennen sollte man es trotzdem können – nämlich daran, dass Hirnflüssigkeit aus Nase oder Ohren austritt. Ein solcherart verletztes Kind ist auch immer bewusstlos und erbricht meist. Es gilt jedenfalls: Sofort Rettung rufen! (Siehe Kästchen oben) „Klassische” Ursachen für einen Schädelbasisbruch sind Fahrrad- oder Autounfälle. Gudrun Burda appelliert in diesem Zusammenhang: „Schnallen Sie Ihr Kind immer an!“ … Sie behandelt gerade eine kleine Patientin, die durch die Windschutzscheibe flog! Bei einer Schädelbasisfraktur kommt es zu einem Riss der Gehirnhaut – daher kann Flüssigkeit austreten. Wegen der Gefahr einer Bakterieninfektion werden Antibiotika verabreicht. Die gebrochene Schädelkapsel heilt – wenn nichts verschoben ist – nach einigen Tagen selbst oder muss operativ „gerichtet” werden.
Nicht vergessen!
Rettung / Notarzt: 144
EU-Notruf: 112 (Rettung, Feuerwehr, Polizei – funktioniert auch in Österreich!)
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