Autoritär war vorgestern, antiautoritär gestern. Das neue Motto in den Kinderzimmern lautet: demokratischer Erziehungsstil! Wir zeigen, wie sehr sich die Wege verändert haben, auf denen Kinder ins Erwachsenenleben begleitet werden.
Heute würde ich vieles anders machen, eigentlich habe ich Monika falsch erzogen, einerseits zu streng, andererseits zu nachlässig. Ich hatte durch meinen Fulltime-Job zu wenig Zeit für sie“, erzählt Christine Weinmann, 64, aus Wien. Ihre Tochter Monika ist mittlerweile erwachsen und hat selbst zwei Kinder. Sie kam mit der Berufstätigkeit der Mutter eigentlich immer gut zurecht, sieht die „Fehlleistungen“ in der Erziehung ihrer Eltern nicht so streng. „Ich denke, dass sie im Grunde alles richtig gemacht haben. Sicher, Mama hat zum Beispiel nie mit mir gelernt, dazu hatte sie auch gar keine Zeit und auch nicht die Geduld. Sie hat einfach erwartet, dass alles funktioniert, nicht lange herumdiskutiert. Mein Vater war da eher sanfter. Bei meinen Kindern habe ich trotzdem vieles anders gemacht. Ich habe nur so viel gearbeitet, dass mir immer ausreichend Zeit für sie geblieben ist. Aber das Anforderungsprofil an die Eltern hat sich heute wohl auch geändert, in unserer leistungsorientierten Gesellschaft muss man einfach mehr in die Kinder investieren“, so Monika Klinger, 43, aus Brunn/Gebirge.
Dass sich im Laufe der Jahre einiges im Erziehungsstil geändert hat, bestätigt auch Lebens- und Erziehungsberaterin Michaela Sauer (www.elternberatung.co.at): „Der Wandel der Werte trägt einiges dazu bei. War vor 30 Jahren noch Sauberkeit gefragt, ist heute das Streben nach Selbständigkeit angesagt. Besonders populär war in den 70er Jahren die antiautoritäre Erziehung. Kinder sollten ganz nach ihrem eigenen Willen aufwachsen. Man meinte, so ihre Begabungen und Talente optimal zu unterstützen. Doch meist war das Gegenteil der Fall.“
Monika Klinger möchte, dass ihre Kinder in erster Linie glücklich werden, sich aber auch zu benehmen wissen. Von antiautoritären Erziehungsmaßnahmen hält die ÖBB-Angestellte deshalb gar nichts: „Eigentlich ein Gräuel. Ich hab das mal in meinem Bekanntenkreis miterlebt. Da konnten die Kinder machen, was sie wollten. Sie waren völlig desorientiert. Meiner Meinung nach, liegt das nur an der Faulheit der Erwachsenen, die ihren Kindern einfach keine Richtlinien zeigen wollen.“
Dass diese Methode letztendlich alles andere als erfolgreich war, zeigt auch die Weiterentwicklung, hin zum eher demokratischen Stil.
Michaela Sauer: „Heutzutage sind Eltern sehr bemüht, ihren Kindern alles zu erklären. Ihnen ist es immer wichtiger, von den Kids verstanden zu werden, um nicht nur als diejenigen zu gelten, die etwas verbieten oder nur ,einfach so‘ etwas von ihren Kindern wollen. Verstehen und Einsicht sind im Miteinander mit dem Nachwuchs sehr wichtig. Im Optimalfall wird über die jeweiligen Gründe – „wieso nicht so viel naschen“ – diskutiert. Natürlich ist es schwierig, dabei immer die optimale Balance zwischen „Durchgehenlassen“ und Konsequenz zu finden. Vielfach schaff en es Kinder mit ihrer Ausdauer und ihren ewigen Gegenargumenten und nochmaligem Nachfragen, dass Eltern doch nachgeben. Das erfordert letztendlich eine große Konsequenz, dann gelingt es auch, dass die Kleinen den Standpunkt von Mama und Papa annehmen.
Janina Wippl, 18, wurde eher frei erzogen, obwohl ihre Eltern völlig unterschiedliche Erziehungsstile hatten. Der Vater war äußerst liberal, die Mutter war strenger, konsequenter: „Von ihr haben mein Bruder und ich jedoch vielleicht auch die Disziplin mitbekommen, die man heute wohl einfach braucht,“ meint die Abiturientin.
Freie Erziehung
Michaela Sauer: „Da ist wieder sehr stark der heutige Zeitgeist zu spüren. Früher hat man gesagt, wenn das Kind brav und sauber ist und mit halbwegs guten Noten durch die Schule kommt, dann kümmern sich Eltern gut um ihren Nachwuchs. Mittlerweile sind die Unterhaltungen zwischen Eltern meist leistungsorientiert geprägt: ,Was macht dein Kind so?‘ ,Mein Kind geht einmal in der Woche zur Gitarre und zweimal die Woche zum Ballett!‘ Während unserer Jugend galt noch: ,Hat ein Kind gute Noten, stehen ihm viele Tore offen‘ – heute heißt es viel eher: ,Nur mit guten Noten stehen einem Kind überhaupt irgendwelche Tore off en‘.“ Janina Wippl: „Ich bekomme auch in der Schule vermittelt, dass man ohne Studium heutzutage nichts mehr erreichen kann. Mein Vater hat mir diesen Druck nie vermittelt, er will einfach nur, dass ich glücklich werde. Meine Mutter denkt da eher leistungsorientierter, will, dass alles in geregelten Bahnen verläuft. Wahrscheinlich ist diese Mischung perfekt, so kann ich mir von beiden etwas abschauen.“
Leistungsdruck
Dass dieser Leistungsdruck ebenso für Eltern deutlich spürbar ist, weiß auch Michaela Sauer: „Eltern wissen, dass man mit Förderung nicht früh genug beginnen kann. Noch vor einigen Jahren hat man sich vielleicht nach dem Talent des Kindes gerichtet. Heute wird alles gefördert, von dem Eltern meinen, dass es wichtig wäre, wenn das Kind dieses oder jenes zusätzlich erlernt. Was dazu führen kann, dass manche Kinder so viel an Angeboten von ihren Eltern bekommen, dass sie völlig überfordert sind.“
Ein weiterer Aspekt ist der Stress, den sich Eltern aufhalsen, nur damit ihr Kind optimal gefördert wird. Im Vergleich zu heute haben Eltern der vorigen Generation Kindergarten oder Schule noch nach Wohnortnähe ausgesucht. Heute richtet sich deren Auswahl nach dem Angebot des Institutes. Da nehmen Eltern viel Geld in die Hand und teilweise längere Wegstrecken in Kauf, nur um ihrem Kind vermeintlich optimale Zukunftschancen zu bieten. Vielfach machen sich Eltern auch untereinander Stress. Erzählt eine Mutter, was sie ihrem Kind alles ermöglicht, dann erfordert das sehr viel Selbstbewusstsein einer anderen Mutter, wenn sie von sich überzeugt sein will, ihre Mutterrolle gut zu erfüllen, obwohl sie ihr Kind „nur“ ein Hobby ausleben lässt. „Dabei gibt es Michaela Sauer: „Jedes Kind ist eine ganz individuelle Persönlichkeit. Ja, natürlich gibt es Kinder, denen dieses leistungsorientierte Leben gut bekommt, andere schaff en das nicht. Das soll keine Wertung sein, jeder Mensch ist nun einmal anders. Man sollte sich bewusst machen, was für den eigenen Sohn oder die eigene Tochter wirklich gut ist, sich dabei nicht von anderen beeinflussen lassen. Das Wichtigste ist, dem Kind Geborgenheit zu vermitteln, seine Sozialkompetenzen zu fördern und ihm zu zeigen, dass es genau so geliebt und akzeptiert wird, wie es nun einmal ist, mit all seinen Stärken und Schwächen!“
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