Das Foto ist perfekt. Unser süßer Zweijähriger am Sandstrand in Italien, Sandküberl und Schauferl in der einen, ein kleines Fischernetz in der anderen Hand. Aufgenommen gegen einen orangeroten Sonnenuntergang, fast nur die Silhouette ist sichtbar. Ja, und noch etwas sieht man: Seine Füße stehen nicht gerade, sondern knicken ab dem Knöchel nach innen. Das mag zwar irgendwie zum Kleinkind passen, aber alarmiert uns doch. Termin beim Orthopäden also, unser Kleiner stellt erfreut fest: “Wir geh’n zum Onkel Päden!”
Gut zu Fuß
Danach sind wir beruhigt. Wieder was dazugelernt! Der Knickfuß ist eine häufig vorkommende Fehlstellung beim kindlichen Fuß, die bis zum 6. Lebensjahr meist normal ist. Was sollen wir also tun? “Die scheinbare Schwäche kann zur Stärke werden – wenn das Kind zuhause und im Freien möglichst viel barfuß läuft, gibt sich das Problem meistens von selbst.”
Nichts lieber als das! Doch barfuß im Freien ist gut, aber selten. Ohne Schuhe geht’s eben nicht…
Augen auf beim Schuhkauf, rät der Experte. Denn da wird leider meist am falschen Platz gespart. Kein Problem, wenn Kinder Jeans oder T-Shirts ihrer Geschwister auftragen. Niemals aber die Schuhe! 98 Prozent aller Menschen kommen mit gesunden Füßen zur Welt, aber nur noch 40 Prozent haben gesunde Füße, wenn sie erwachsen sind. Der Hauptgrund: Kinderfüße stecken meist in zu kleinen Schuhen.
Worauf soll man also beim Schuhkauf achten?
Passlänge: Zehenraum mit 1 –1,5 cm Platzreserve und genügend Höhe. Tipp: Die Umrisse der Kinderfüße auf ein Stück Karton zeichnen und vorne 1 bis 1,5 cm zugeben. Ausschneiden und mitnehmen. Im Geschäft in den neuen Schuh legen – dort muss die Schablone Platz finden. Dann mit den Fingern in den Zehenraum gehen: Hier sollte eine Daumenbreite Platz sein. (Schuhe sind vorne oft hinuntergenäht – die Naht drückt dann auf die Zehennägel)
Passweite: erschließt sich aus der Messung von Fußlänge und -breite. Findet der Fuß bei an sich richtiger Passgröße keinen Halt und die Ferse schlüpft aus dem Schuh, ist der Schuh zu breit, nicht zu groß. Dann ein schmaleres Modell verlangen, kein kleineres. “Eine Nummer kleiner” ist die Todsünde beim Kinderschuhkauf!
Obermaterial: atmungsaktiv und geschmeidig
Sohle: dünn (!!), flexibel und flach. Häufig sind Schuhsohlen zu dick und steif – sie sollten aber ein gutes Bodengefühl vermitteln. Erster Test: Mit den Fingern in den Schuh schlüpfen und so über ein paar Gegenstände “laufen”. Wenn die Finger nichts spüren, sind die Sohlen zu dick.
Zweiter Test: Die Schuhsohle muss mit leichtem Druck um 90° gebeugt und um 90° spiralig verschraubt werden können.
Fußbett: flach, keinesfalls nach innen abfallend
Immer wieder: Barfuß laufen
Kinderarzt Dr. Edelhauser: “Die Kombination Senk-, Spreiz- und Knickfuß gibt es oft; bei Einzelproblemen sind Senkfüße am häufigsten, gefolgt vom Spreiz- und Knickfuß. Im Kindergartenalter empfehle ich vor allem Barfußgehen, das kräftigt die Fußmuskeln und die Unterschenkel-Muskulatur, genauso wie auch Übungen, zum Beispiel das Gras mit bloßen Zehen ausreißen. Ab dem Volksschulalter und bei schwereren Problemen, wie etwa statischen Beinbeschwerden überweise ich zum Orthopäden.”
Aha – und dann kommen wohl unweigerlich Einlagen, oder? “Die müssen nicht immer sein – das hängt eben vom Schweregrad des Senk-Spreizfußes ab. Allerdings: Tut man nichts, lässt man das Problem also anstehen, kann sich das lebenslang auswirken!”
Superkonstruktion: Der menschliche Fuß
Zum besseren Verständnis machen wir einen kleinen Ausflug in die Anatomie. Denn an sich ist der Fuß ja eine echte Meisterleistung der Natur. Eine geniale, nur wenige Zentimeter große Konstruktion, auf der der Mensch laufen, schleichen, spazieren, marschieren oder einfach gehen kann. Dank dem “Spiralprinzip” (Vorderfuß dreht nach innen, Ferse dreht nach außen, und umgekehrt) entsteht eine spiralige Verschraubung.
Es ist wie beim Auswinden eines Handtuchs: Die beiden Hände drehen entgegengesetzt. Durch die Verschraubung werden die Spitzen der drei Keilbeine dicht aneinander gelagert. Es kommt zur “Verkeilung der Keilbeine”. Ohne Verschraubung gäbe es keine Gewölbestabilität! Beim Senk-Plattfuß kommt es allerdings zur Entschraubung im Fuß. Das Fersenbein kippt nach innen, das Großzehen-Grundgelenk verliert an Bodenkontakt.
Mit anderen Worten: Das Organisationsprinzip des Fußes hat sich in sein Gegenteil verkehrt! Die Keilbeinspitzen werden instabil, mit der Zeit flacht das Fußgewölbe ab. Es kommt zum Senkfuß. Beim Plattfuß ist das Fußgewölbe vollkommen durchgedrückt und zerstört. Beeinflussende Faktoren für diese Fehlstellungen sind nicht nur die Fehlbelastung, sondern auch Vererbung, Alter, tägliche Belastung und Bindegewebsstraffheit.
Vom Praktiker zum Orthopäden
Durch den Mutter-Kind-Pass und die darin vorgesehenen Untersuchungen gibt es laufend Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes, vor allem während der ersten drei Lebensjahre (obwohl der Mutter-Kind-Pass bis zum 5. Lebensjahr verwendet werden kann). Bei Auffälligkeiten überweist der Kinderarzt an den Facharzt, zum Beispiel eben zum Orthopäden.
Ab der Volksschule bis zum Ende des Pflichtschulalters ist der Schularzt enorm wichtig. Tatsächlich kommen die meisten kleinen Patienten durch Überweisung des Schularztes zu Herrn Dr. Höfinger. Auf einer Karte wird in der Schule vermerkt: “Orthopäden aufsuchen”, der Facharzt bestätigt den Besuch, dann wird die Karte wieder beim Schularzt abgegeben.
Ohne Eltern läuft nichts
Selbstverständlich ist die gute Zusammenarbeit mit den Eltern ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dr. Höfinger: “Bei Volksschulkindern können Einlagen bei Fehlstellungen oft durch konsequente Fußgymnastik vermieden werden. Ich gebe dann einen Übungszettel mit – die regelmäßige Durchführung aber muss von den Eltern betrieben und überwacht werden. Die Motivation durch die Eltern ist dann das Wichtigste überhaupt!”
Die gute Nachricht aus dem Munde des Profis: “Zum Glück geben sich Fehlstellungen im Laufe der Jahre manchmal auch ganz von alleine, da der Körper die Tendenz zur Selbstheilung hat!
Und die Einlagen? Bei größeren Kindern, wenn zum Beispiel das Sprunggelenk falsch steht, muss mit Einlagen korrigiert werden.
Und wenn nicht…? “Soviel steht fest: Die Kinder ermüden durch eine Fehlstellung viel rascher! Mit der Einlage geht es ihnen gleich wesentlich besser.”
Dabei sind Einlagen heute 100:1 gegenüber den Modellen unserer Kindheit. Früher waren das dunkelbraune, harte, unbequeme und daher ungeliebte Dinger. Heute sind sie bunt und sanft korrigierend. Allerdings: Einlagen sind kein Ersatz für aktives Tun. Gerade Problemfüße brauchen Auslauf, Training, Frischluft und gezielte Fußgymnastik! Übung macht auch hier den Meister…
Foto: Mr.Teerapong Kunkaeo – shutterstock.com