Handysüchtig? Ich doch nicht! Sicher? Fakt ist, dass sich nur mehr jede/r achte Österreicher:in vorstellen kann eine Woche aufs Handy zu verzichten. Damit hat das Handy mittlerweile den gleichen Stellenwert erreicht wie die Familie.
„Ja, es nervt“, meint Peter M (48): „Ständig hängt meine Frau am Handy. Mal muss sie schnell was auf WhatsApp stellen, dann wieder ihre beruflichen und privaten Nachrichten checken. Zwischendurch muss sie sich über das Geschehen in der Welt informieren und selbst am Abend rufen dann noch Kunden an, die unbedingt etwas brauchen.“ Für Gespräche bleibt keine Zeit mehr. „Noch vor ein paar Jahren haben wir uns lustig gemacht, als wir im Urlaub eine Runde von sechs jungen Frauen beobachtet haben, die miteinander in einem Restaurant gesessen sind und alle mit ihrem Handy beschäftigt waren, anstatt miteinander zu reden“, sagt Peter. Um dann etwas nachdenklich hinzuzufügen: „Und jetzt sind wir selbst so geworden.“
Das Smartphone immer dabei
Auch die 23jährige Marlies hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Diesfalls ist der „Übeltäter“, so man es so nennen mag ihr Freund Markus. „Ständig fuchtelt er mit seinem blöden Handy herum. Alles muss fotografiert werden. Zwischendurch spielt er dann irgendwelche dämlichen Spiele und wenn wir uns mit Freunden treffen, tippselt er gelangweilt auf seinem Handy herum. Wenn er nicht tippselt, dann drehen sich die Gespräche nur mehr um die neueste Generation von Smartphones und wie gut die Kamera des einen Handy im Vergleich zum anderen ist.“
Handy: Wichtiger als Sex, gleich wichtig wie die Familie
Das Handy ist mittlerweile so tief in den Alltag der Österreicher:innen eingedrungen, dass die meisten von uns gar nicht mehr merken, wie abhängig sie von dem digitalen Werkzeug geworden sind. Jüngst förderte eine Umfrage des österreichischen Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Marketagent durchaus Bedenkliches zu Tage. Auf die Frage worauf sie problemlos eine Woche verzichten könnten, antworteten nur mehr 13,1 % der Befragten, dass sie problemlos eine Woche ohne Handy auskommen könnten. Geht man ins Detail und trennt die Antwortgeber in Männer und Frauen so lautet das Ergebnis, dass sich 18,3% der Männer vorstellen könnten eine Woche ohne Handy zu leben, beim weiblichen Geschlecht waren es nur 7,8%. Das Handy hat – salopp formuliert – mittlerweile den gleichen Stellenwert wie die Familie. 13,3% der Befragten erklärten nämlich, dass sie ohne Probleme eine Woche auf familiäre Kontakte verzichten könnten, wobei diesfalls 17,7% der Männer meinten, dass das ginge. Bei den Frauen waren es hingegen nur 8,8%, also knapp halb so viele, die auf die Familie problemlos eine Woche verzichten könnten. Durchaus möglich, dass die Erfahrungen der Corona-Pandemie mit ihren verordneten Lockdowns und dem Gebot des Social Distancings diese Entwicklung beschleunigt haben. 2013 als Marketagent das erste Mal den Verzicht abfragte meinte noch knapp ein Drittel der Befragten, dass sie problemlos eine Woche auf das Handy verzichten könnten, 2018 waren es immerhin noch 19,1%.
Männer denken nur an Sex
Weit leichter tun sich Herr und Frau Österreicher, wenn es darum geht auf andere Dinge wie Alkohol, Sex, Sport oder Treffen mit Bekannten oder Freunden zu verzichten. Mehr als jeder zweite Befragte (56,9%) konnte sich vorstellen problemlos eine Woche auf Sex zu verzichten, nach Alkohol die zweithäufigste Verzichtserklärung. In punkto Sport erklärten 52,6%, dass sie eine Woche ohne Probleme überstehen könnten.
Apropos Sex: Allen Klischees folgend wonach Männer ohnehin nur an das eine denken, unterschieden sich auch beim Thema Verzicht auf Sex die Antworten der zwei Geschlechter deutlich: So gaben 50,6% der Männer an, dass sie problemlos eine Woche auf Sex verzichten könnten. Bei den Frauen waren es deutlich mehr - nämlich 63,3%. Bleibt die Hoffnung, dass diese Antwort nichts über das erotische Liebesleben der Österreicher:innen aussagt, oder?
Textnachricht statt Miteinanderreden
Wie wichtig, das Handy mittlerweile auch in der alltäglichen Kommunikation geworden ist zeigt die Antwort auf eine andere Frage: Auf die Frage nach der Anzahl der täglich versandten Textnachrichten erklärten nur 4,1%, dass sie nicht täglich Textnachrichten versenden. 19,1% verschicken zwischen 6-10 Nachrichten täglich, 14,6% sogar zwischen 21 und 50 Nachrichten.
Klar, dass unter einem solchen Verhalten die zwischenmenschliche Kommunikation leidet. Bei allen Vorteilen, die sie prinzipiell in den digitalen Möglichkeiten erkennen, meinen 83,1%, dass die zwischenmenschliche Kommunikation an Bedeutung verliert – ein eindeutiger Nachteil.
Handy dominiert den Alltag
Wie sehr das Smartphone mittlerweile den Alltag der Menschen in Österreich bestimmt, lässt sich an Hand der folgenden zwei Fakten nachvollziehen. Gefragt nach der ersten Tätigkeit nach dem Erwachen meinten 48,1%, dass sie zuerst das WC aufsuchen, 15,2% trinken zuerst einen Kaffee oder frühstücken und immerhin 9,2% greifen sofort zum Handy. Interessantes Detail: Vor allem bei der älteren Generation ist der Griff zum Handy weitaus öfter das Erste was am Morgen erledigt wird. Bei den 15 bis 69jährigen greifen 19,8% sofort zum Handy, bei den Befragten zwischen 14 und 29 sind es lediglich 9,1 %. Auch der Zeitraum zwischen Aufwachen und dem Griff zum Handy hat sich extrem verkürzt. 2013 dauerte es im Mittel noch 20 Minuten bis das Handy in die Hand genommen wurde, 2018 waren es 10 Minuten und bei der aktuellen Umfrage im Jahr 2022 nur mehr 5 Minuten. Die Dauer, mit der man in der Früh ohne das Smartphone auskommt, hat sich über die drei Befragungen hinweg also jeweils halbiert.
Selbst vor dem Schlafengehen wird das Handy noch rasch gecheckt – man könnte ja etwas versäumt haben. 93% der Befragten gaben, dass sie zumindest manchmal vor dem Schlafgehen noch das Handy checken, 49,7% - also fast die Hälfte aller – tut das meistens. Überhaupt scheint die Furcht davor etwas zu verpassen im Kopf von Herrn und Frau Österreicher tief verhaftet. Im Mittelwert checken die Befragten fast 20mal am Tag ihr Handy nach versäumten Nachrichten oder Anrufen.
Handy macht Stress – der SchoolFox noch mehr
Dass ein solches Verhalten nicht unbedingt stressmindernd wirkt und die Gesundheit fördert ist den meisten klar. 60% meinen, dass die permanente Erreichbarkeit den eigenen Stresslevel erhöht. Nur 6,3% erklären, dass sie nicht permanent erreichbar sind.
Petra, Sohn eines 12jährigen Schülers, weiß ein Lied davon zu singen wie sehr die „verordnete“ Digitalisierung während der Corona-Pandemie den Stresslevel erhöht hat: „Die Schule meines Sohnes hat während der Pandemie die App SchoolFox quasi als digitales Mitteilungsheft eingeführt. Am Anfang war es ja noch ok, aber mit der Zeit wurde nur noch über die App kommuniziert. Die Folge war, dass es mich jedes Mal gerissen hat, wenn von der App wieder ein Nachrichten-Piepton abgesetzt wurde. Ich dachte sofort an was Schlimmes, z.B.: das mein Bub positiv getestet wurde. Oft waren es aber ganz banale Nachrichten, wie etwa jene, dass die Schule am soundsovielten eine gesunde Jause veranstaltet. Nachrichten, die man ohne Probleme auch in ein Mitteilungsheft schreiben hätte können, weil sie ja nicht dringend waren.“ Falsch verstandene Digitalisierung, würden das manche Experten kommentieren.
Stress macht krank
Dass ein permanent erhöhter Stresslevel nicht unbedingt förderlich für die Gesundheit ist, ist nicht nur wissenschaftlich längst erwiesen. Auch bei den Befragten hat sich dieses Wissen festgesetzt. Auf die Frage, ob sie glauben, dass Krankheiten wie das Burn-out-Syndrom durch die permanente Erreichbarkeit mittels Handys/Smartphone und Internet gefördert werden, antworteten 71,2% der Befragten mit Ja. Und mehr als 83% sind der Meinung, dass man in punkto Smartphone- und Online-Nutzung ganz bewusst Pausen einlegen sollte. Fast 85% können sich auch vorstellen bewusst Pausen einzulegen.
Ob sie es tatsächlich tun wurde leider nicht erhoben.
Bild: Sujet_pixabay_Gerd_Altmann (mod.)
Diashow: Auszüge aus der Studienpräsentation von marketagent.com (siehe auch rechts).