Nun, spätestens seit dieser Szene wissen wir alle: Wir sind nicht allein. Jede von uns macht es gelegentlich: Das freundliche Nur-mal-so-tun-als-ob. Schließlich lieben wir ja unseren Partner. Und gönnen ihm hin und wieder auch seinen Spaß, wenn uns nicht danach ist.
Doch – die Biologie ist nun einmal ungerecht – umgekehrt wird’s peinlich. Sobald der Mann und seine Libido einmal kurz getrennte Wege gehen, nützt ihm das oscarreifste Gestöhne nichts: Seine Partnerin merkt’s. Und wie. Und hat keine Chance aus Freundlichkeit so zu tun, als hätte sie’s nicht mitgekriegt.
Die lustlose Spirale
Impotenz: Ein Wort, an dem die meisten Männer einfach vorbeizudenken versuchen. Ein Begriff, der häufig in Witzen vorkommt, über die nur Männer lachen können. Und ein Zustand, der irgendwann einmal, gelegentlich, öfter oder in zehn Jahren jeden von ihnen trifft.
Damit es nicht so weh tut – schließlich ist das Klischee eines “Impotenzlers” ja das eines multifunktionalen Schlappschwanzes – bedient sich die Literatur einer Reihe weniger endgültiger Ausdrücke – erektile Dysfunktion, Erektionsstörung, Potenzstörung, sie alle bedeuten dasselbe: Auch wenn Herz und Hirn eigentlich Sex wollen, der Penis verweigert.
“Betroffen davon ist jeder Mann”, stellt die Psychologin und Paartherapeutin Gertrude Katta fest. “Genauso wie eine Frau nicht immer bereit für Sex ist, kann auch der Mann nicht immer zur Verfügung stehen.” Ganz einfach, ganz logisch, ganz normal eigentlich.
Das Problem liegt ganz woanders: Natürlich hat ein Mann nicht permanent nur das eine Thema in Kopf und Hose – aber man darf es eben nicht merken. Und genau hier beginnt oft eine unnötig lustlose Spirale. Einmal hat es nicht funktioniert, aus welchem Grund auch immer, und statt sich auf das nächste Mal zu freuen, steigt der Leistungsdruck.
Vor lauter Hoffnung, er möge endlich eine Regung spüren, spürt der Mann sonst nichts mehr, vor allem keine Lust. Es hat also wieder nicht geklappt. Und das einzige, das nun vor ihm steht, ist seine Versagensangst. Der nächste Sexversuch wird sicherheitshalber weit hinausgeschoben – man weiß ja nie. Und schon ist es geboren, das psychische Problem: selbstgestrickt.
Dabei spricht man nicht so schnell von einer eigentlichen Potenzstörung. Ein gelegentliches “Heute nicht!”-Signal kennt wohl jeder Mann, der schon über den pubertären – und einsamen! – Gebrauch von Küchenkrepp hinweg ist. Ab vierzig wird’s dann meist ein wenig häufiger, aber sicher nicht unmännlicher.
Doch erst, wenn “…die überwiegende Anzahl der Versuche nicht zum gewünschten Ergebnis führt…”, spricht auch der Arzt von einer erektilen Dysfunktion. Dabei ging man bis vor etwa zehn Jahren in den meisten Fällen von psychischen Ursachen aus – eine Ansicht, die sich heute drastisch geändert hat: 70% aller Potenzstörungen haben körperliche Ursachen!
Seelische Ursachen
1. Stress
Ein bisschen Stress ist ja gut – die positive Anspannung (Eustress) lässt uns zu geistigen und körperlichen Hochleistungen auffahren. Und wenn der Stress dann durch ein wenig angenehmen Sex abgebaut wird, dann tut das unserem Leistungsvermögen noch extra gut. Doch der negative Stress (Disstress), der durch Druck entsteht und auch nicht so einfach abgebaut werden kann, lähmt Körper und Geist. Und den Penis sowieso.
2. Depression
Selten äußern sich Depressionen in Heulkrämpfen – meist ist eine generelle Antriebslosigkeit ein viel deutlicheres Anzeichen. Wer nicht mehr aus dem Bett mag, kann natürlich auch ein paar schmutzige Hintergedanken haben –, aber wer gar nicht mehr aus dem Bett kann, der mag durchaus schon depressiv sein. Nicht die beste Voraussetzung für wildes Treiben.
3. Beziehungsprobleme
Mögen Sie mit jemandem ins Bett, dem Sie nicht vertrauen? Oder mit einem, der gerade ziemlich gemein zu Ihnen war? Nein? Nun, der Penis Ihres Partners will das auch nicht. Sex und Liebe zu trennen, das kann schon manchmal funktionieren – aber nicht innerhalb einer Beziehung.
4. Versagensängste
Auch die vernunftbetontesten, kopfgesteuertsten Männer haben ihn im Hinterkopf: den Verdacht, alle anderen wären vielleicht, möglicherweise besser, größer, schärfer und ausdauernder als sie. Und da nützt es auch wenig, wenn Sie als Partnerin einen täglichen Eid schwören, dass es tatsächlich nur langweilig ist, wenn ein Mann sich selbstlos zurückhält und drei Stunden auf Ihnen herumturnt, dass ein 50 Zentimeter langer Penis nur als Kleiderstange zu gebrauchen ist und dass es unbeschreiblich egal ist, ob er zwei Liter oder zwei Tröpfchen ejakuliert – Ihr Partner wird jedes Mal befürchten, er wäre nicht gut genug gewesen. Und wenn’s dann wirklich einmal nicht klappt, dann sieht er seine größte Angst wahr geworden. Endlich!
Körperliche Ursachen
Natürlich gibt es eine Menge trauriger Fälle, in denen nach Operationen, Krankheiten oder Unfällen die Funktion des Penis gestört ist – doch die meisten Probleme kommen aus einer anderen Richtung. Denn wenn das Gehirn einmal die richtigen Reize an das Erektionszentrum im Rückenmark weitergesendet hat, werden Nervenimpulse an den Penis geschickt. Dort werden bestimmte Stoffe (Neurotransmitter) freigesetzt, welche die Schwellkörpermuskulatur erschlaffen lassen. Dadurch werden die Hohlräume in den Schwellkörpern größer, das Blut kann einströmen und den Penis vergrößern.
Also: Der Knackpunkt sind die Blutgefäße. Sind sie zu hart oder gar durch Kalk verstopft, kann kein – oder zu wenig – Blut in die Schwellkörper fließen: Nichts steht mehr! Erektionsstörungen werden daher oft als Vorboten einer Gefäßerkrankung gesehen. Bluthochdruckpatienten tun auch ihrem Sexualleben etwas Gutes, wenn sie sich um eine Therapie bemühen! Und Raucher haben Pech: Lange nämlich, bevor sie ein Raucherbein entwickeln, meldet sich der Raucherpenis, indem er sich gar nicht mehr meldet. Fazit: Wer Zigaretten mehr genießt als Sex, der sollte sich mit Rauchen befriedigen.
Was den Alkohol betrifft, so ist er kein ganz ehrlicher Freund der Lust. Einerseits hat er natürlich die freundliche Eigenschaft, alles ein bisschen pink zu malen und störende Belastungen mit einer weichen rosa Watteschicht zuzudecken, andererseits lässt er auch so lästige Barrieren wie gute Manieren, moralische Bedenken und hemmende Erziehungsrichtlinien erfreulich niedrig sinken. Drittens wirkt Alkohol aber heftig entspannend und gefäßerweiternd, auch was die Penisvenen betrifft: Das Blut fließt zwar in den Schwellkörper hinein – rinnt aber genauso schnell wieder ab. Nichts steht mehr!
Körperliche Ursachen
33% Erkrankungen der Blutgefäße, z.B. durch Nikotin
25% Diabetes (Zuckerkrankheit)
11% Verletzungen oder Erkrankungen der Nerven
10% Operation im Becken, z.B. bei Krebs
8% Medikamenten-Nebenwirkungen, z.B. Beta-Blocker
7% Drogen- oder Alkoholmissbrauch
6% hormonelle Störungen, z.B. zu wenig Testosteron
Belastung für die Beziehung
Und wenn nichts mehr steht, dann steht man vor einem Problem: Aber nicht alleine. Denn eine erektile Dysfunktion geht beide Partner etwas an. Natürlich, keiner von uns hat so richtig über Sex zu reden gelernt, außer vielleicht um vor unseren Freunden anzugeben oder um schmutzige Witze zu machen.
Doch das Gespräch über die Impotenz ist der erste Schritt zu einem guten Sexualleben: Was man verleugnet, kann man nämlich nicht ändern. Oft durchbricht der Dialog schon die Potenzstörungsspirale. Die Bedeutungslosigkeit von ein bisschen miesem Sex wird klar. Gibt doch Schlimmeres, oder? Ein eingewachsener Zehennagel, ein fettes Wimmerl auf der Nase oder eine kaputte Glühbirne – alles das ist manchmal doch ärgerlicher als ein Versuch, der nicht geklappt hat!
Und vielleicht ist es einfach Zeit für ein wenig Abwechslung in der Sexualkultur: Muss ja nicht immer “harter” Sex sein. Es sei ganz Ihrer Fantasie überlassen, was man alles mit einem Penis machen kann, der nicht so ganz “brettelsteif” ist. Und womit man das alles machen kann, das überlasse ich auch Ihnen. Hauptsache, es macht Spaß.
Und wenn beide locker bleiben – man muss sich ja nicht auf irgendwas versteifen, oder? – dann wird er auch wieder seinen Mann stehen. Denn dass Männlichkeit so ziemlich gar nichts mit einfachem Rein-Raus zu tun hat, das lernen die Herren der Schöpfung spätestens dann, wenn sie Probleme damit haben.
Behandlungsmöglichkeiten
Besuch bei einem Urologen oder Andrologen
Dauermedikamente behandeln die Störung, die zur erektilen Dysfunktion als Symptom führt.
Bedarfsmedikamente werden vor dem Verkehr eingesetzt.
SKAT (Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie): Der Wirkstoff wird in den Penis gespritzt.
MUSE (Medicated Urethral System for Erection): Eine winzige Tablette wird in die Harnröhre geschoben.
Penisring: Das Blut wird im Glied gestaut.
Vakuum-Erektionspumpe: Durch Unterdruck wird das Blut per Pumpe in den Penis gesaugt und mit einem Penisring am Zurückströmen gehindert.
Chirurgische Eingriffe können Blutgefäße oder Schwellkörper “reparieren” oder ersetzen.
Hormontherapie: Das männliche Hormon Testosteron kann dem Körper als Tablette, Spritze, Pflaster oder Gel zugeführt werden.
Psychologische Beratung und Psychotherapie helfen bei rein seelischen Ursachen und ergänzend auch bei körperlichen Problemen.
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