Keine Party für Emma

Bereits ein Viertel der Kinder leidet unter Allergien. Begünstigt wird dies durch bestimmte Einflussfaktoren aus dem Umfeld. Eltern können ihren Teil durch die entsprechende Gestaltung der Familienwohnung dazu beitragen, dass Allergene hintangehalten werden. Text: Helene Fiegl

Die fünfjährige Emma ist zufrieden, sie hat es endlich geschafft, ihrer Mutter die Erlaubnis zum Besuch einer Kinder- Party abzuringen. Doch die Mutter ist alles andere als glücklich mit dieser Entscheidung, wahrscheinlich wird sie noch in allerletzter Minute einen Rückzieher machen und eine Ausrede erfinden, wie schon so oft … Der Grund ist nicht etwa, dass die Mutter etwas gegen Kinderfestivitäten hat, nein, sie hat einfach eine Tochter mit einer Nuss-Allergie. So wird jede Einladung, jedes Essen, das Emma unkontrolliert zu sich nimmt, für sie zum Spießrutenlauf, denn die Tochter könnte etwas mit Nüssen erwischen und dann wird die Luft knapp, sie bekommt einen Erstickungsanfall. Emmas ständiger Begleiter ist, neben ihrem Stoffhasen, ein Notfallset mit einem Asthmaspray, einem Kortison und Antihistamin-Präparat sowie einem Adrenalinautoinjektor.

Bei ihr genügt es nicht, dass sie ihre allergieauslösenden Nüsse meidet. Die Gefahr lauert auch dort, wo diese gar nicht als Zutat angeführt sind. Durch einen „cross contact“ – d.h. wenn Speisen bei der Herstellung in der (Industrie)Küche, durch die Benutzung der selben Utensilien, mit Nüssen „verunreinigt“ werden, können kleine Mengen versteckt ins Essen gelangen – und das langt für einen allergischen Anfall. Allein schon der Hinweis auf Schokolade, Müsli oder Gebäck: „Kann Spuren von Nüssen enthalten“ reicht, um das Produkt unbedingt von Emmas Speisezettel zu verbannen.

So wie Emma geht es inzwischen immer mehr Kindern: Sie leiden unter Allergien. Während die einen auf Erdbeeren oder Hausstaub allergisch reagieren, dürfen andere nicht in die Nähe einer Katze oder müssen ihre Aufenthalte im Freien nach dem aktuellen Pollenflug ausrichten. Egal, ob es sich in Hautausschlägen, Durchfällen, Husten oder einer rinnende Nase äußert, die Beschwerden beeinträchtigen die Patienten spürbar. Etwa 20 bis 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind von Allergien betroffen“, weiß der Wiener Prim. Univ.-Lektor DDr. Peter Voitl, vom Kindergesundheitszentrum Donaustadt. „Nicht alle Verläufe sind schwerwiegend – von spontaner Besserung bis zum Durchmachen unterschiedlicher Krankheitsbilder ist alles möglich.“ In Österreich gibt es, laut dem ersten Österreichischen Allergiebericht, mehr als 1,6 Millionen Allergiker.

Die Zahl der Heuschnupfen-Patienten ist im Zeitrahmen von sieben Jahren um mehr als das Doppelte angestiegen, die der Asthmatiker um das 3,5-fache. „In den ersten beiden Lebensjahren überwiegen Nahrungsmittelallergien und Hauterkrankungen, etwa 30 bis 40 Prozent dieser Kinder können später an Asthma bronchiale erkranken“, erläutert Voitl.

„Zu den häufigen allergischen Manifestationen bei Kindern zählen Neurodermitis, Nahrungsmittelallergien, allergische Rhinokonjunktivis und allergisches Asthma bronchiale“, zählt der Mediziner auf. Seltener sind allergische Reaktionen auf Insektengifte und auf Medikamente. Dass die Gefahren für Kinder sehr versteckt lauern, zeigen zwei an sich harmlose Situationen in einer Familie.

Der kleine Daniel sitzt vor seinem neuen Metall-Baukasten und versucht die Teile zusammenzufügen. Seine Mutter ist schwanger. Sie und ihr Mann freuen sich auf das Baby und überlegen noch vor der Ankunft des neuen Erdenbürgers die Wohnung ein wenig zu verschönern und den Boden zu erneuern.

Die Familie weiß nicht, dass das eine Kind möglicherweise gerade auf dem Weg zu einer Nickelallergie ist und das ungeborene Baby zwar auf einem neuen Fußboden seine ersten Krabbelversuche machen wird, aber durch die chemischen Ausdünstungen Atemprobleme begünstigt werden. In Daniels Metallbaukasten ist Nickel enthalten, sogar in unvorschriftsmäßig hoher Konzentration, und das kann leicht eine Allergie zur Folge haben.

Man kennt inzwischen Tausende unterschiedliche Kontaktallergene, doch Nickel gilt als jenes mit der höchsten Sensibilisierungsrate. Etwa zehn Prozent aller Kinder sind gegenüber Nickel sensibilisiert. Der geplante neue Fußboden könnte hingegen Atemprobleme beim Baby verursachen.

Zu diesem alarmierenden Ergebnis gelangte eine deutsche Studie, die sich mit den Auswirkungen von Ausdünstungen aus Fußböden befasst. Die flüchtigen organischen Verbindungen wie Styrol oder Ethylbenzol werden über die Atemluft aufgenommen und erhöhen deutlich das Risiko von Kleinkindern, innerhalb der ersten zwölf Monate an Atemwegsbeschwerden zu leiden. Die Schadstoffe können das Immunsystem der Schwangeren verändern, was wiederum auf die Entstehung allergischer Reaktionen Einfluss hat.

Besonders gefährdet sind Kinder, deren Mutter oder Vater an allergischen Erkrankungen leiden. Zumindest während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr sollte man nicht renovieren, lautet daher der Aufruf der Forscher. Wenn Babys in den ersten Lebensmonaten eine Allergie entwickeln, bleibt das Leiden meist lange unerkannt. Wer denkt schon bei Blähungen an eine Nahrungsmittelallergie? Oder bei niesenden Volksschülern an potentielle Asthmatiker? Und das ist das Tückische: Der Krankheitsverlauf kann fortschreiten, der Gang zum Arzt erfolgt erst, wenn die Beschwerden massiv geworden sind.

Nachgefragt beim Experten Die wichtigsten Fragen rund um die Entstehung und das Erkennen von Allergien hat Prim. Univ.-Lektor DDr. Peter Voitl für fratz&co beantwortet.

fratz&co: Dass die Gene eine Rolle spielen weiß man, aber inwieweit haben inzwischen der Lebensstil und die Umwelt Einfluss auf die Entwicklung einer Allergie?


DDr. Peter Voitl:
Die Vererbung spielt bei der Entstehung von Allergien eine große Rolle. Je mehr Verwandte ersten Grades (Vater, Mutter, Geschwister) an allergischen Symptomen leiden, desto größer ist das Allergierisiko für den Nachwuchs. Dabei wird aber nicht etwa eine bestimmte Allergie, wie z. B. der Heuschnupfen oder das Asthma bronchiale vererbt, sondern nur die Bereitschaft zur allergischen Reaktion. Auch Exposition gegenüber Tabakrauch, Frühgeburtlichkeit, frühes Abstillen, frühzeitige Sensibilisierung auf Nahrungsmittelallergene wie Kuhmilch oder Hühnereiweiß, Geburtsmonat, männliches Geschlecht, Passivrauchen, schlechte soziale Verhältnisse, Luftschadstoffe, ungenügende Therapie, keine Allergenvermeidung, keine Immuntherapie wenn erforderlich, gelten als Risikofaktoren. Übertriebenes Reinlichkeitsverhalten und das Vermeiden von Schmutz sind keine sinnvollen Vorbeugestrategien.

fratz&co: Worauf sollte man achten, um so früh wie möglich eine Allergie zu erkennen?


DDr. Peter Voitl:
Folgende Beschwerden können bei Kindern auf eine allergische Erkrankung hindeuten: Episodisches und anfallsartiges Auftreten von Husten, Atemnot (auch bei körperlicher Anstrengung), ziehende Atmung oder Pfeifen beim Atmen; Hautprobleme wie Neurodermitis im Kleinkindalter; das Vorliegen anderer Symptome wie z.B. Heuschnupfen; wenn bei Infekten bereits eine spastische Bronchitis diagnostiziert wurde; wenn die Beschwerden gehäuft in bestimmten Jahreszeiten auftreten.

fratz&co: Kann sich eine Allergie bei Kindern „auswachsen“ oder gilt: einmal Allergiker, immer Allergiker?

DDr. Peter Voitl: Die Bereitschaft, allergisch zu reagieren bleibt. Allerdings können sich die Art und die Ausprägung der Allergie mit den Jahren auch deutlich ändern.

Fotos: auremar / Alena Ozerova – by Shutterstock.com, Privat

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