Körperbehaarung

Let it grow oder glatt wie ein Babypopo!

Als meine Frau und ich vor einigen Wochen am Flohmarkt auf Schnäppchenjagd gingen, stolperten wir über einen Packen alter Pornohefte, die mindestens 20, 25 Jahre auf dem Buckel hatten. Kichernd wie zwei pubertierende Jugendliche blätterten wir in den papiernen Zeitzeugen vergangener Frivolitäten.

Wir amüsierten uns köstlich über den antiquierten Stil, über die veraltete Kleidung (die sich zugegebenermaßen in erster Linie auf Hüte und Schuhe beschränkte) und über die komischen Frisuren. Apropos, so ganz nebenbei stellte meine bessere Hälfte fest, die Mädels hätten offensichtlich nichts vom Rasieren gehalten.

Tatsächlich zeigten die Models neben viel Haut auch viel Haar, sprießende Achseln, kräftige Augenbrauen, buschiges Schamhaar. Kurz gesagt: Die Magazine waren nicht nur inhaltlich eine haarsträubende Angelegenheit.

Daran erinnerte ich mich, als ich für diese Geschichte zu recherchieren begann. Gut, ich startete einen Rundruf unter meinen weiblichen Bekannten und stellte ihnen die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit behaarten Männern?

Üppige Behaarung – ja oder nein?

Die Antworten überraschten. Die Generation 35+ erklärte sinngemäß, wenn ein Mann nicht behaart ist, dann sei er auch kein Mann. Die jüngeren Jahrgänge hingegen fanden haarige Typen nicht ganz so attraktiv. Sie würden liebend gern auf üppigen Bartwuchs und wuchernden Brustpelz verzichten. Höchstens ein kleiner, gestylter Bart sei genehmigt.

Eindeutiger fielen die Auskünfte aus, ob sie sich alle die Beine, die Achseln enthaarten. Und… äh… ehrlich gesagt, nach dem Rest traute ich mich nicht zu fragen. Das war mir dann doch zu peinlich. Hier vertraute ich auf seriöse zeitgenössische Bilddokumentationen wie z.B. der Playboy-Sammlung meines Freundes Kurt. Das Votum bei Bein und Achsel ging übrigens einstimmig zugunsten der Rasur aus.

Wohl denn, ich wandte mich an die Herren der Schöpfung in der Hoffnung, hier haarklein ins Detail gehen zu können. Doch siehe da, meine Kumpels reagierten auf die Frage nach der (Ganz-)Körperrasur ein wenig… distanziert. Sie sahen mich an, als ob ich komplett verrückt geworden wäre; zumindest die Herren in meinem Alter. Mehr als nur eine porentiefe Gesichtsrasur findet angeblich nicht statt. Ein Kerl trage nun mal mehr oder weniger Pelz; Punktum.

Jüngere Kollegen meinten jedoch, zu viele Haare empfänden sie als unästhetisch, und den schlimmsten Stellen würden sie mit dem Rasierzeug zu Leibe rücken. Nur mein allerallerbester Freund zog den Kopf ein und murmelte verschämt in seinen nicht vorhandenen Bart, er hätte sich schon einmal komplett enthaart… aber nur weil seine damalige Freundin darauf abgefahren wäre… Und ich solle das bloß nicht in meinem Artikel erwähnen! Was ich Kurt hoch und heilig versprach!

Ästhetischer Wandel

Offensichtlich vollzog sich hier im Laufe der Jahrzehnte ein ästhetischer Wandel: Natürliches wie die Körperbehaarung wird mittlerweile als unschön betrachtet. Oder, um den bayrischen Kabarettisten Michael Mittermeier, Jahrgang 1966, zu zitieren, der es in seinem Programm “Paranoid” haarscharf auf den Punkt bringt: Die heutigen männlichen Jugendlichen hätten es gut. Als er jung war, musste er eine Heckenschere mit ins Bett nehmen.

Noch zwei Generationen zuvor galten Frauen mit ausgeprägtem Haarwuchs als besonders feurig; die Venus mit Pelz und der Extraportion Leidenschaft. Bei Männern wurde üppiger Haarwuchs mit Virilität gleichgesetzt. Schon die Bibel berichtet, dass Samson seine gigantischen Kräfte verlor, weil ihm Deliliah das Styling von Meister Proper verpasste.

Heutzutage hat sich der Trend durchgesetzt, haarlose, glatte Haut gilt als schön – auch bei Männern. Den Helden der 70er und 80er, Sean Connery, Tom Selleck, Burt Reynolds, wucherte der Urwald aus dem Hemdkragen. Wenn Brad Pitt uns heute als Achill seinen nackten Popo auf der Breitwand entgegenstreckt, dann glänzt er so blank wie der eines Babys. Selbstverständlich verunziert auch kein Härchen seine muskulöse Heldenbrust. Die Körper der männlichen Models auf den Plakaten sind so glatt wie die Marketingstrategien der beworbenen Marken.

Die Frage, was den Trend ausgelöst hat, der Zeitgeist oder die Werbung, ist ungefähr so sinnvoll wie die nach der Henne und dem Ei. Tatsache ist, die Hygieneprodukthersteller dieser Welt suchten nach neuen Absatzmöglichkeiten und fanden das Haar.

Man packte das Übel an der Wurzel und propagierte die Haarentfernung als letzten Schritt zur ultimativen Sauberkeit – no more Schweiß- und sonstige Körpergerüche. Mittlerweile stempelt die Gesellschaft eine Frau, die so zu sagen nicht auf ihre natürliche Körperbehaarung, sondern lieber auf die “amerikanische haarlose Hyperhygiene” verzichten möchte, als unattraktiv, mehr noch, sogar als ungepflegt ab.

Geschichte der Rasur

Das Rasieren der Körperbehaarung (sowohl weiblich als auch männlich) ist kein Phänomen der Neuzeit; es findet sich in allen Epochen, Kulturen und Gesellschaften.

Damals wie heute stand die Hygiene im Vordergrund – allerdings darf man nicht übersehen, in der Vergangenheit stand oftmals kein oder nur unzureichend fließendes Wasser zur Verfügung. Im antiken Ägypten ließen sich Männer als auch Frauen alle Haare abrasieren, inklusive der am Kopf. Die Glatze versteckten sie unter einer Perücke.

Auf mittelalterlichen Zeichnungen finden wir unbekleidete Menschen beiderlei Geschlechts ohne die geringste Körperbehaarung. Vermutlich wollte man der weit verbreitesten Plage dieser Epoche, den Läusen, jede Möglichkeit nehmen, Fuß (oder sonstige Glieder) am menschlichen Körper zu fassen. (Der Vollständigkeit halber muss man allerdings darauf hinweisen, gerade zu dieser Thematik gibt es nur sehr wenige Aufzeichnungen, die noch dazu nur von den oberen Gesellschaftsschichten stammen).

Glatte Erotik

Natürlich spielt auch die Erotik eine große Rolle. Glatte Haut, vor allem im Genitalbereich, gilt im Orient als Scharfmacher. Auch in der westlichen Kultur findet das blitzblanke oder zumindest gestutzte Delta der Venus ihre Fans. Mann würde so die Partnerin besser sehen und intensiver spüren bzw. kein Härchen krümme das Vergnügen beim Oralsex.

Keine Sorge, das bedeutet nicht, dass diese Männer verkappte Päderasten wären. Eine erwachsene Frau ist kein Kind; dazu macht sie auch die fehlende Schambehaarung nicht. Vereinfacht ausgedrückt: Genau aus diesem Grund kann ein Mann mit päderastischen Neigungen auch keine (sexuelle) Beziehung mit ihr aufbauen. Vielmehr gilt: Geschmäcker und Ohrfeigen sind einfach verschieden.

Warum ist der Mensch behaart?

Aber woher und wozu hat der Mensch überhaupt seine Behaarung? Stimmt es, erst wenn wir keine Haare mehr haben, ist die Entwicklung vom Affen abgeschlossen?
Die Antwort lautet: Jein! Für die frühen Vorläufer des Homo sapiens bildete das Fell Schutz vor Hitze, Kälte oder Verletzungen. Doch diese Funktion trat im Laufe der Entwicklung in den Hintergrund, sodass wir vor ungefähr einer halben Million Jahre unser Fell verloren. Neue Theorien besagen, die Behaarung verschwand, weil dies die Übertragung von Krankheiten eindämmte.

Allerdings: Unsere Kopfhaare können nicht als Rest einer ehemaligen Ganzkörperbehaarung interpretiert werden. Vielmehr seien sie eine artspezifische Entwicklung hauptsächlich zur Thermoregulation des Körpers. Der Beweis liegt ironischerweise im weit verbreiteten männlichen Haarausfall. An den Haarwurzeln finden sich Rezeptoren, die inaktives Testosteron in das aktive Hormon Dihydrotestosteron umwandeln. Zu viel davon verkürzt die Wachstumsphase des Haares bis es stirbt. (Allerdings vertrete ich hier eine private Theorie, nämlich die Haare am Kopf fallen gar nicht aus, sondern wandern nur aus – meine vorzugsweise auf den Rücken.)

Zu welchem Behaarungstyp ein Mensch prinzipiell gehört, ob viele oder wenige Haare an Armen, Beinen oder auf der Brust wachsen, hängt vor allem von den Erbanlagen bzw. von Menschentyp und –rasse ab. Auf männliche Stärke oder weibliche Leidenschaft lässt sich garantiert kein Rückschluss ziehen. Warum in unseren Breitengraden (im Gegensatz z.B. zu Asien) Kerle stärker als Frauen behaart sind, liegt schlicht an den (männlichen) Hormonen.

Allerdings, auch hier halte ich mit einer persönlichen Theorie entgegen, nämlich: Frauen ziehen Männern im Bett immer die Decke weg. Wer nicht über einen ausgeprägten Naturwollpullover verfügte, erfror elendiglich. Die haarigen Typen überlebten und gaben ihre Gene weiter… Ich möchte ja keine Haarspalterei betreiben, aber die Evolution ist tatsächlich eine haarige Sache.

Foto: Shutterstock.com Markus Gann

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