Die Tatsache, dass die heilungsfördernden Stoffe der Heilpflanzen in der frischen Pflanze ihre größte Wirkung entfalten, ist lange Zeit in Vergessenheit geraten.
Die Medizin, die Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts völlig im Banne der Chemie stand, ignorierte die Pflanze in ihrer Gesamtheit und ging dahin, die wirklichen oder vermeintlichen Wirkstoffe aus den Gewächsen zu isolieren und in ihre chemische Struktur zu zerlegen.
Das war der Ausgangspunkt der chemisch-synthetischen Arzneitmittel. Diese haben selbstverständlich viele Vorteile, doch hat man bei diesem Vorgehen die Pflanze als biologische Einheit unterschätzt und verkannt.
Erst in neuerer Zeit erkennt man, dass außer dem bekannten Wirkstoff einer Pflanze, dem man den Behandlungserfolg zuschrieb, eine Reihe anderer Substanzen mit dem Hauptbestandteil zusammen einen Wirkstoffring bilden, der auf den menschlichen Körper besser und umfassender einzuwirken vermag, als der isolierte Einzelstoff. Eine Heilpflanze kann bis zu 50 und mehr solcher Hilfssubstanzen besitzen.
Die Heilkraft der Pflanzen
Erste Aufzeichnungen über die gezielte Anwendung von pflanzlichen Arzneien finden sich bei griechischen und römischen Naturforschern wie Plinius und Hippokrates. Im Mittelalter nahmen dann Möche diese Kenntnisse auf und führten sie weiter. Sebastian Kneipp gab der Heilpflanzentherapie im 19. Jahrhundert neue Impulse. Er vermied die Übertreibungen seiner Vorgänger und gelangte vielleicht gerade deshalb zu wichtigen neuen Erkenntnissen über die “Zauberkräfte” der Pflanzen.
Die Kräuter, die uns nützlich sein können, bilden ihre Wirkstoffe während des Wachstums aus. Je nach Pflanze sind die Wirkstoffe (Alkaloide, ätherische Öle, Bitterstoffe, Flavonoide, Glycoside, Gerbstoffe, Mineralstoffe, Phenole, Schleimstoffe u.v. m.) in Blüten, Blättern oder Wurzeln verteilt.
Die getrockneten Arzneipflanzen sind ein wichtiger Bestandteil der modernen Phytotherapie. Sie sind das Jahr über verfügbar und leicht weiter zu verarbeiten. Die getrockneten Pflanzen sollten lichtgeschützt in Papiersäckchen oder in dunklen Schraubgläsern trocken verwahrt werden. Nicht in Metallgefäßen lagern, da manche Inhaltstoffe mit Metall reagieren und ihre Wirkung einbüßen. Durchschnittlich sind sie bis zu einem Jahr haltbar.
Folgende Pflanzenteile werden bei Heilpflanzen verwendet (bei fertigen Tees oft mit lateinischen Namen angeführt):
BLÜTE = Flores (bei Tees abgekürzt Flor.) z.B. Kamille
BLÄTTER = Folia (Fol.) z.B. Salbei
KRAUT = Blätter und Blüten = Herba (Herb.) z.B. Thymian
WURZEL = Radix (Rad.) z.B. Eibischwurzel
SAMEN = Semina (Sem.) z.B. Fenchel
STENGEL = Stipites (Stip.) z.B. Bittersüß
RINDE = Cortex (Cort.) z.B. Eichenrinde
FRÜCHTE = Fructus (Fruct.) z.B. Heidelbeere
Kräutertees
Die übliche Dosis, die für die Zubereitung von Kräutertees in der Kräuterheilkunde gilt, ist ein flacher Teelöffel Droge (ca. 5g) auf eine Tasse 250 ml Wasser. Bei Kindern unter 6 Jahren halbiert man die Dosis.
Zubereitungsarten:
Aufguss (Infus)
1 TL Droge wird mit kochendem Wasser übergossen, anschließend fünf bis zehn Minuten zugedeckt ziehen lassen und anschließend abseihen. Aufguss ist wörtlich zu nehmen – wenn man einen Teebeutel in heißes Wasser reinhängt, entsteht eine andere Wirkstofflösung, als wenn man heißes Wasser darüber gießt!
Aufkochung
Manche Kräuter werden optimal so zubereitet, dass man die Droge mit kaltem Wasser übergießt und auf den Herd stellt und nur einmal aufkochen läßt, anschließend abseiht.
Abkochung (Dekokt)
Manche Kräuter, vor allem Gerbstoffdrogen und manche Kieselsäuredrogen sollten ca. zehn Minuten gekocht werden, dann abseihen.
Kaltwasseransatz (Mazeration)
1-2 TL der Droge werden mit kaltem Wasser übergossen und üblicherweise zwölf Stunden ziehen gelassen. Anschließend abseihen und auf Trinktemperatur erwärmen, aber nicht erhitzen.
Heilbäder (Ganzkörperbäder)
Für die Heilbäder nimmt man die vorgeschriebene Tagesdosis, gibt sie in 1 Liter kaltes Wasser, lässt es 10 Minuten köcheln und seiht diese Abkochung der Kräuter in das Badewasser ab. (Badetemperatur 37°- 38°, Badedauer 10 Minuten).
Blähungen
Anis-, Fenchel- und Kümmelsamenkörner anquetschen, damit die ätherischen Öle sich besser entfalten können. Diese bewährten Küchenkräuter sind entblähend und wirken sehr beruhigend auf das Kind. Tagesdosis: 2 EL.
Erkältungen – Husten – Schnupfen
Quendel (=Gartenthymian), Spitzwegerich, Tannenspitzen, Ysop zu gleichen Teilen. Diese Kräuter sind schleimlösend, auswurffördernd und beruhigen die Bronchien: Tagesdosis: 2 EL von der Mischung.
Fieber
Lindenblüten und Hollunderblüten (zu gleichen Teilen) sind sehr gut um die körpereigene Abwehr zu stärken, das Fieber zu senken und sind zusätzlich noch krampflösend und schlaffördernd. Tagesdosis: 2 EL von der Mischung.
Heiltees
Natürlich können die oben genannten Kräutermischungen auch als Tee eingenommen werden.
1 –2 TL der Mischung mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und zugedeckt 5-7 Minuten ziehen lassen (Kinder unter 6 Jahren halbe Dosis).
Blasenentzündungen:
Zinnkraut, Birkenblätter, Brennnessel (zu gleichen Teilen): ein gehäufter Tl auf 250 ml kochendes Wasser, 2 – 3 Tassen täglich. Diese Mischung hilft die Niere gut durchzuschwemmen und die Blasenentzündung in den Griff zu bekommen.
Halsschmerzen:
Eibischwurzel-Tee: Wirkt beruhigend auf die entzündeten Schleimhäute der Atemwege, löst den Schleim und lindert Schmerzen. 1 El Eibischwurzel in 250 ml kaltem Wasser ansetzen, 1 Stunde ziehen lassen auf Trinktemperatur erwärmen; 3 Tassen täglich trinken.
Spitzwegerich-Tee: Wirkt schleimlösend, beruhigt und heilt die entzündeten Schleimhäute; 1 Tl auf 250 ml kochendem Wasser; 10 min ziehen lassen; 3 Tassen täglich trinken.
Heilkompressen und mehr
Bei Blähungen oder Regelschmerzen haben sich Auflagen mit so genannten feuchtwarmen Kräutersäckchen (gefüllt mit Schafgarbe, Kamille, Lindenblüten, zu gleichen Teilen) sehr bewährt.
Waschlappen mit einer Handvoll der Kräuter füllen, mit Leukoplast verschließen und 10 Minuten in einem großen Sieb über Wasserdampf erwärmen. Anschließend so warm wie möglich auf den Bauch legen und zusätzlich noch eine Wärmeflasche bzw. ein Kirschkernsäckchen drauflegen.
Feuchte Inhalation
Bei Erkältungskrankheiten empfiehlt sich die Inhalation mit bestimmten Kräutern: 2 EL der oben angeführten Mischung von Heilbädern gegen Erkältung auf 1 l kaltes Wasser zustellen, 10 Minuten köcheln lassen.
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