Krank statt gesund durch Fiebermittel

In letzter Zeit sind Paracetamolpräparate als Fieber- und Schmerzmittel für Kinder in Verruf geraten. Wir haben Primar Univ.-Prof. Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde am Landesklinikum St. Pölten, dazu befragt.

Es ist Samstagabend und die kleine Lea hat bei Tisch den Kopf auf den Arm gestützt. Sie ist quengelig und stochert mit glasigem Blick lustlos im Essen herum. „Was sind denn das für Tischmanieren?“, rügt ihre Mutter Christina. Da beginnt Lea zu weinen. Ein Blick genügt und die besorgte Mutter greift zum Fieberthermometer. Das Ergebnis: knapp über 39 Grad Celsius – und das natürlich am Wochenende.

Christina überlegt nicht lange und sucht im Medikamentenschrank fiebersenkende Zäpfchen, die sie eigens für den Fall der Fälle stets auf Vorrat hat. Dass mit der Gabe des Präparates nicht nur das Fieber gesenkt, sondern gleichzeitig das Risiko für eine Asthmaanfälligkeit erhöht werden könnte, das ist der fürsorglichen Mutter in diesem Moment nicht bewusst. Wenn ein Kind stärker fiebert oder Schmerzen hat, spricht bei einem stabilen Gesamtzustand nichts gegen den Griff in die Hausapotheke. Gängige Präparate enthalten meist die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol. Doch von Letzterem wird zunehmend abgeraten. Primar Univ.-Prof. Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde am Landesklinikum St. Pölten, hat fratz&co gesagt warum und was für ihn als Mittel der ersten Wahl gilt.

Mit Hausverstand

Fieber ist keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers, um Infekte abzuwehren. „Fieber bei banalen Infekten ist daher nicht sofort ein Grund, es zu senken, wenn es dem Kind insgesamt gut geht und der Allgemeinzustand nicht verschlechtert ist“, betont Zwiauer. Doch man sollte nicht außer Acht lassen, dass bei einer Selbstmedikation möglicherweise ernsthafte Krankheiten verschleiert werden können. Voraussetzung dafür, ein Kind fiebern zu lassen bzw. zur medikamentösen Selbsthilfe zu greifen, ist daher immer, dass der kleine Patient in einem guten Gesamtzustand ist und keine Allgemeinsymptome wie Unruhe, Mattigkeit etc. zeigt. Bei der Gabe von fiebersenkenden Mittel durch die Eltern ist auch das Umfeld, also Familie, Kindergarten oder Schule, miteinzubeziehen, z. B. ob fieberhafte Infekte kursieren. Stellt sich nach der Verabreichung des Medikaments nach entsprechender Zeit keine Besserung ein, ist es ohnehin angesagt, einen Arzt zu konsultieren. Die Entscheidung über das Vorgehen: Fiebermittel oder das Kind fiebern lassen, beziehungsweise einen medizinischen Beistand aufzusuchen, ist nicht zuletzt oft nur mit Hausverstand zu treffen.


Text: Helene Fiegl

Foto: AnneMS – shutterstock.com


Fratz&Co hat nachgefragt: Asthma durch Paracetmol

fratz&co: Paracetamol wird mit Asthma in Zusammenhang gebracht. Es soll auch leber- und nierenschädigend sein. Ist das richtig?

Prim. Univ.-Prof. Karl Zwiauer: Der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Paracetamol und dem Auftreten von Asthma bei Kindern konnte in der International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC) gefunden werden. Diese große, weltweit einzigartige Querschnittsstudie wurde 1991 initiiert, um die Ursachen für die steigende Asthmahäufigkeit zu ergründen. In einer dritten Untersuchungsphase wurde der Zusammenhang zwischen dem steigenden Einsatz von Paracetamol und dem Anstieg der Asthmaprävalenz untersucht. Insgesamt wurden 200.000 Eltern aus 31 Ländern mit Kindern im Alter zwischen sechs und sieben Jahren per Fragebogen befragt. Wie in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlicht, erhöhte der Einsatz von Paracetamol im ersten Lebensjahr das Risiko für Asthmasymptome im Alter zwischen sechs und sieben Jahren um 46 Prozent. Dieser Zusammenhang ließ sich bei Gleichaltrigen, die das Medikament nicht bekommen hatten, nicht nachweisen. Das erhöhte Risiko für Atemwegssymptome war dosisabhängig. Kinder, die häufig Paracetamol erhalten hatten, wiesen ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko für Asthmasymptome auf. Ein Zusammenhang ergab sich auch bei älteren Kindern. Wenn auch die Zahlen einen statistischen Zusammenhang beweisen, sind Ursache und Wirkung anhand dieser Untersuchung nicht eindeutig zu klären, da es sich um eine epidemiologische Untersuchung handelt, die keine Ursache-Wirkung-Beziehung herausfinden kann. Vor einem unkritischen Einsatz von Paracetamol als Fiebersenker sollte aber gewarnt werden. Zusätzlich spricht die leber- und nierenschädigende Wirkung von Paracetamol bei Überdosierung gegen eine lockere und freizügige Verwendung dieser Substanz.

fratz&co: Wie lange weiß man schon von den unerwünschten Wirkungen?

Prim. Univ.-Prof. Karl Zwiauer: Die Untersuchungen zu den Schädigungen von Leber und Niere bei Überdosierungen sind schon älteren Datums, die Zusammenhänge zwischen Paracetamol und Asthma aber erst kürzlich publiziert worden.

Fratz&co: Haben Sie den Eindruck, dass die Eltern noch zu wenig darüber wissen beziehungsweise, dass das generell zu wenig kommuniziert wird?

Prim. Univ.-Prof. Karl Zwiauer: Jahrelang ist Paracetamol als einfaches und auch von den Eltern problemlos einsetzbares Medikament propagiert worden. Die Fälle von Intoxikationen und Überdosierungen, die sich in den letzten Jahren gehäuft haben, und insbesondere die epidemiologischen Zusammenhänge zwischen Paracetamol und Asthma lassen das Medikament aber in einem neuen Licht erscheinen, zumal andere schmerzund fiebersenkende Medikamente diese Probleme nicht haben.

fratz&co: Was ist für Sie das Mittel der ersten Wahl?

Prim. Univ.-Prof. Karl Zwiauer: Wenn für die Behandlung von Kindern mit fieberhaften Infekten und Schmerzzuständen ein Medikament benötigt wird, dann ist das nichtsteroidale Antiphlogistikum Ibuprofen eine gute Wahl. Es wirkt sowohl gegen Fieber, als auch Entzündungen und Schmerz und zeichnet sich durch eine besonders große therapeutische Breite sowie exakte Dosierbarkeit aus. Die Gefahr unerwünschter Effekte durch eine Überdosierung ist dadurch sehr gering. Das Medikament ist somit auch für Eltern sicher und einfach zu handhaben.


Was tun im Falle des Falles?

Fieber und Schmerzen treten bei Kindern oft gleichzeitig auf, wobei aber auch reine Kopfschmerzen oder Migräne keine Seltenheit sind. Je kleiner das Kind, umso schwieriger ist es, zu erkennen, wo es schmerzt. Bei einem besorgniserregenden Allgemeinzustand oder starkem Temperaturanstieg sollte unbedingt ein Arzt zu Rate gezogen werden. Fieber ist eine körpereigene Waffe zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten durch Bakterien oder Viren. Durch die Temperaturerhöhung kann der Körper seine Abwehrkräfte mobilisieren, um so die eingedrungenen Krankheitserreger effektiv zu entfernen. Wenn ein Kind fiebert, hilft es sich also selbst. Hohes Fieber, ab etwa 39 °C, kann allerdings wichtige Körperfunktionen beeinträchtigen und ist für den Organismus sehr belastend.


Checkliste: Schmerzen erkennen

  • Allgemeines Unwohlsein, weinen, jammern
  • Ungewöhnliche Blässe
  • Appetitlosigkeit
  • Schonhaltungen, Kind will sich nicht halten lassen
  • Bei Kopfschmerzen: greift sich an die Stirn, Lichtempfindlichkeit, bei Migräne können zudem Übelkeit, Erbrechen oder Augenflimmern auftreten
  • Bei Mittelohrentzündung: stechender Schmerz, Kind greift sich ans Ohr, dreht den Kopf, ist unruhig, fiebrig
  • Bei Mandelentzündung: Halsschmerzen, hohes Fieber, oft auch Kopf- und Gliederschmerzen


Checkliste: Was tun bei Fieber?

  • Regelmäßig die Temperatur kontrollieren
  • Keine Anstrengungen
  • Lockere Kleidung, keine überheizten Räume
  • Bei Schüttelfrost wärmen, bei Hitze kühlen
  • Viel trinken, auch Suppen können gegeben werden
  • Fieber mit Hausmitteln senken: lauwarme Wadenwickel oder Waschungen bei leichtem Fieber, aber nur wenn die Haut temperiert ist. Sind beispielsweise die Waden kühl, so nützt der Wickel nichts. Säuglinge sind zu klein für Wadenwickel.
  • Ab einer Körpertemperatur von etwa 39 Grad Celsius wird in der Regel ein fiebersenkendes Mittel empfohlen.


Pro und Contra

Ibuprofen:

Im Vergleich zu Paracetamol zeichnet es sich durch eine wesentlich höhere therapeutische Breite aus. Die Gefahr einer Überdosierung ist somit wesentlich geringer. Neben dem fiebersenkenden und schmerzstillenden Effekt besitzt Ibuprofen eine stark entzündungshemmende Wirkung. Das ist bei bestimmten Erkrankungen, wie Mandel- oder Mittelohrentzündungen, von Vorteil.

Paracetamol:

Eine Überdosierung, die oft dadurch vorkommt, dass sich der gewünschte Erfolg nicht rasch genug einstellt und die Eltern die Dosis in zu kurzen Abständen erneut verabreichen, kann negative Folgen haben wie Leber- und Nierenprobleme, zudem kann die bei Fieber ohnehin vorhandene Neigung zu Dehydrierung verstärkt werden. Das Asthmarisiko kann sowohl unmittelbar nach der Einnahme als auch später, im Alter von sechs bis sieben Jahren, deutlich erhöht werden.

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