Multimedia-Kids

Peter ist konzentriert. Manuela auch. Nur Nele lächelt siegessicher und lehnt sich zurück. Sie ist die Erste. Ihre Konsole liegt vor ihr auf dem Boden. Die Lehrerin ist zufrieden und sieht auf die große Uhr über der Tür: Bald sind die zehn Minuten um. Dann sollten alle mit den Übungen fertig sein. Wir schreiben nicht das Jahr 2080, nein: 2008 ist’s, Oktober und wir sind mitten in Wien: Die erste „vollelektronische“ Klasse – um im Jargon zu bleiben – hat Unterricht …

Die Zukunft hat begonnen

Das Tamagotchi hat längst das Zeitliche gesegnet, hip ist Nintendo DS, und zwar immer und überall: in der Pause, zu Hause, am Spielplatz … und nun auch – ja, Sie haben richtig gelesen – in der Schule! Anfang September wurde in Wien die erste Nintendo DS Lite-Klasse ins Leben gerufen. Ort des zukunftsweisenden Geschehens ist die Ganztags-Integrations- Volksschule im dritten Bezirk. Im Rahmen eines Pilotprojektes und einzigartig in Europa bedient sich die erste Klasse des Lieblingskastls der Kinder: Hier steht der Nintendo DS Lite nicht nur für Spielspaß pur, sondern auch für Lernvergnügen!

Bring die Kuh durchs Tor

Mit einem Stift zeichnet der 6-jährige Peter einige Striche. Fertig ist der virtuelle Zoo, und die Kuh kann unbeirrt das Scheunentor passieren. Logische Denkaufgaben lösen, nicht im Bilderbuch und schon gar nicht auf der Tafel, vielmehr auf dem Nintendo DS Lite: So lernt man heute! Neben Peter piepsen Bilderrätsel, Rechenaufgaben und auch Buchstabenrätsel um die Wette über die kleinen Bildschirme. Pardon: Sie piepsen nicht, denn der Ton ist tabu. Statt Bösewichten Zahlenrätsel, statt Egoshooter das kleine Einmaleins. Und wenn die Zeit um ist, kommt das Feedback postwendend. Das macht den Konsolenunterricht so wertvoll!

Kleine Pioniere

„Wir sind die erste Schule Europas, wenn nicht gar weltweit, die den Nintendo DS bereits in der Grundschule einsetzt“, lächelt Direktor Eduard Voss breit über sein erfahrenes Pädagogengesicht. Als die Lehrerin Beatrice Marschik mit der Idee an ihn herantrat, die Nintendo DS Lite-Konsole in den Unterricht einzubauen, war der Vater dreier Kinder und nunmehrige Großvater nicht restlos begeistert: Eine gewisse Skepsis, gesteht er, habe ihn schon geplagt. „Ich selbst hatte ja kaum Erfahrungen mit diesen Spielekonsolen. Aber als ich die ersten Übungen, beinahe autosuggestiv, erfahren hatte, war jegliche Skepsis verschwunden“, erzählt der bärtige Endfünfziger. „Wichtig ist, dass man sich mit den neuen elektronischen Medien auseinandersetzt. Wir waren ja auch die erste Schule, die einen PC für den Verwaltungsbereich bekommen hat. Es lag demnach auf der Hand, diese Tradition fortzusetzen – wieder Vorreiter zu sein!“

10 gewinnt – immer!

Zahlenkolonnen jagen über den handtellergroßen Bildschirm, ähnlich wie beim Memory klappen Kärtchen auf und zu – doch in Summe ergibt die Lösung immer 10. Das mathematische Abenteuer „10 gewinnt“ erfordert Hirnschmalz, Tempo und kombiniert Mathe- Fertigkeiten mit Logik. Kein Problem für die Kids, die begeistert „spülen“ – spielen & üben. Ein Leben ohne Computer: Das ist heutzutage undenkbar. Bereits Grundschüler lernen, wie sie im Internet an Informationen herankommen. Spielerisch üben Kinder lesen und schreiben, und das ganz individuell. Zu Hause nutzen die Kids den Rechner allerdings nicht nur zum Lernen. Neben dem Hören von Musik gilt ihre große Leidenschaft dem Computerspiel. Dass Menschen jeden Alters gerne am Computer zocken, schlägt sich in eindrucksvollen Zahlen nieder: Die Spiele- Industrie fährt inzwischen mehr Umsatz ein als die Kollegen aus Hollywood. Weltweit hat der Jahresumsatz eine Rekordmarke von 30 Milliarden Dollar erreicht. Alleine in Japan ist der Nintendo DS Lite bis heute 24 Millionen Mal über die Ladentische gewandert …

Man rechne hoch!

Inzwischen hat auch Political Correctness in die Konsolen Einzug gehalten. Bei „Einsatz Erde – die Tierretter“ ist die Erde das Spielfeld. Das Ziel: als junger virtueller Tierarzt bedrohte Tierarten zu retten und Tiere zu heilen. Daneben können die jungen „Brinkmänner der Fauna“ auch gleich alles über die Charaktere der Tiere, die medizinische Grundversorgung und über die Lebensräume von Sattelrobben erfahren. Schöne, neue, vernetzte Welt!

Verantwortung

Mit den ersten Computerklassen in Österreichs Schulen ist – Anfang der 1990er-Jahre – auch die Bereitschaft gestiegen, elektronische Medien in den Unterricht einzubauen. Herbert Rosenstingl von der „Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen“ (kurz: BuPP) vergleicht die Grundsätze, nach denen PC und Konsolen im Unterricht Verwendung finden, mit zwei Säulen: „Erstens ist es die Auswahl und zweitens sind es die Rahmenbedingungen, die stimmig sein müssen. Bei der Auswahl legen wir großen Wert auf den pädagogischen Anspruch. Die Vielfalt muss gewahrt bleiben. Medienkompetenz zu erlernen ist wichtig – im geschützten Rahmen des Unterrichts, der die Rahmenbedingungen vorgibt. Aber die Verantwortung kann nicht alleine bei der Schule liegen. Wenn PC und Konsule im Unterricht Platz haben sollen, dann müssen auch die Eltern eingebunden werden. Allerdings: Die Gegebenheiten zu ignorieren oder gar zu verhindern, ist kontraproduktiv.“ Damit wäre wohl auch die Frage nach der Ausweitung dieses „Experimentes“ beantwortet.  Die Erfahrungswerte, wie und in welchem Ausmaß Kinder und Jugendliche Spielekonsolen im Lernbereich einsetzen können, erheben unter anderem PraktikantInnen des Instituts für Erziehungswissenschaften der Uni Wien, und zwar anlässlich des Wiener Ferienspiels. Die Resonanz ist gewaltig: „Wir sehen, dass in den Konsolen ein ungeheures Potenzial steckt. Das Geheimnis liegt in zwei Begriffen – Forderung und Förderung“, so Herbert Rosenstingl vom BuPP. „Wir wählen nach den Gesichtspunkten Vielfalt, Differenzierung und Aufgabenbewältigung aus. Einbinden statt verbieten, ermöglichen statt verhindern: Die Kinder haben das Interesse ohnedies – und so schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, ist Rosenstingl überzeugt.

Spielend lernen

Nach Einschätzung der Experten sollten sich Eltern viel häufiger in den Alltag ihrer Zöglinge einmischen: Denn die Wirkung von elektronischen Spielen hänge auch vom familiären Umfeld und der Zeit vor dem Bildschirm ab. „Je realer und glaubwürdiger ein Spiel ist, umso eher findet eine Übertragung in die Wirklichkeit statt“, meint die Nintendo- Lehrerin Beatrice Marschik. „Unser Angebot ist auf zehn Minuten täglich beschränkt und unmittelbarer Bestandteil des Unterrichts. So wie eben früher das ,Schönschreiben‘.“ Der soziale Aspekt steht dabei im Vordergrund: „Jeweils zwei Kinder teilen sich einen Nintendo. Verantwortung und Sorge für den anderen Partner tragen, das lernen die Kinder sozusagen spielend.“ Außerdem gibt es besondere Übungen, die nur zu zweit lösbar sind und so den Gemeinschaftssinn fördern. Der Nintendo DS Lite begleitet die Kids bis in die vierte Klasse. Neben Logik-Spielen werden künftig auch Vokabel- und Mathetrainer eingesetzt. „Was noch fehlt, sind Fremdsprachen wie Kroatisch oder Türkisch, um Migrantenkinder besser fördern zu können“, meint Eveline Witek, die ebenfalls mit dem Nintendo arbeitet. „Lernschwächen und auch sprachliche Barrieren können durch die Konsole reduziert werden.“

Die zehn Minuten sind um. Nele legt ihre Konsole beiseite – irgendwo fehlt noch das Gelb auf einer Sonnenblumenblüte, die sie zu zeichnen begonnen hat. Nele ist in eine duale Welt aus Analog und Digital hineingeboren, und ganz selbstverständlich nutzt sie beide Möglichkeiten. Bis die Sonnenblume ausgemalt ist … dann kommt noch eine lustige Wolke mit Gesicht dazu!

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10 gewinnt

Das Lernspiel „10 gewinnt“ ist ein packendes mathematisches Abenteuer. Mit Hilfe lustiger Feen gilt es, knifflige Aufgaben in mehr als 30 ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Übungen zu lösen. Der Clou: Die Lösung aller Aufgaben steht schon im voraus fest. Sie lautet immer: 10 oder ein Vielfaches von 10! Nur der Weg zur Lösung ist von Aufgabe zu Aufgabe verschieden: Mal ist Addition, mal Subtraktion gefragt. Jede Aufgabe erfordert Hirnschmalz, Tempo und die Kombination von Mathe-Fertigkeiten und Logik. Das ideale Spiel ab sechs Jahren.

Einsatz Erde – Die Tierretter

Als junger Tierarzt eröffnet der Spieler seine eigene Klinik. Doch zu seinen Patienten zählen nicht nur die einheimischen Tiere, sondern auch exotische Jungtiere. Ob Diagnose, Behandlung oder Nachuntersuchung – durch jede erfolgreiche Behandlung erlangt der Nachwuchsarzt das Vertrauen und den Respekt seiner Patienten. Rätsel, die unter anderem gelöst werden müssen: Warum werden Tiere plötzlich krank? Und wer ist daran schuld? Insgesamt warten mehr als zwölf verschiedene Tiere auf die „Ärzte aus Leidenschaft“ – vom Babytiger bis hin zur Jungrobbe. Jeder ab drei Jahren, der in die Welt der Tiere eintauchen möchte, darf zum Stethoskop greifen.

Foto: Rawpixel.com – shutterstock.com

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