Notendruck: „Die Eltern haben ja keine Ahnung“

Ein Umfrage des Lerninstituts LernQuadrat zum Thema „Familie und Noten“ zeigt: Österreichs Schüler*innen sind oft allein im Kampf gegen den Notendruck.

Die prägnantesten Aussagen aus der Studie auf den Punkt gebracht:

  • 15- bis 19-Jährige sprechen mit der Familie nicht gern über die Schule
  • Instabile Familienverhältnisse erschweren die Bewältigung von Schulproblemen
  • Den Leistungsdruck allein zu stemmen macht krank

Familie und Schule driften in der Lebenswelt der Schüler*innen im „Oberstufenalter“ deutlich auseinander. Zwar interessieren sich 72 Prozent der Eltern nach wie vor für die schulischen Leistungen ihrer Kinder, ihre Meinung ist aber fast der Hälfte der Jugendlichen egal. Jede/r Vierte ist davon überzeugt, dass die Eltern die Leistung ohnehin nicht mehr richtig beurteilen können. Umgekehrt geht von der Familie in diesem Alter nur mehr selten besonderer Leistungsdruck aus. Den machen sich die Jugendlichen überwiegend selbst und gleiten dabei oft in die Isolation, manchmal sogar gefolgt von erheblichen psychischen Problemen. Dies geht aus einer aktuellen österreichweiten Umfrage hervor, die das Nachhilfeinstitut LernQuadrat bei 15- bis 19-jährigen Schüler*innen durchführte.

Niemand da zum Reden

„57 Prozent der befragten Jugendlichen fänden es hilfreich, mit der Familie über ihre Schulsorgen sprechen zu können. Aber jede/r Fünfte dieser Altersgruppe findet daheim niemanden mehr zum Reden“, berichtet LernQuadrat Unternehmenssprecherin Angela Schmidt. Dort, wo es gelingt, ist fast immer die Mutter erste Ansprechperson. „Mädchen suchen bei Fragen, Ängsten und Problemen eher den Kontakt zur Familie, während sich Burschen in der Pubertät offenbar besonders hartnäckig abkapseln“, so Schmidt. An unangemessenen Reaktionen der Familie dürfte dies selten liegen. Nur 10 Prozent der Jugendlichen haben Angst vor eventuellen Strafen bei Versagen in der Schule, häufiger wird daheim getröstet als geschimpft – zumindest bei den besseren Schüler*innen. Und 38 Prozent der Eltern bieten dem Nachwuchs Nachhilfe an, wenn es in der Schule nicht läuft.

 

„Die Eltern haben ja keine Ahnung“

Deutlich zeigt die LernQuadrat-Umfrage auch den Einfluss der Familienkonstellation auf die Bewältigung von Schulproblemen. Schüler*innen mit einem stabilen Mutter-/Vater-Verhältnis zeigen auch stabilere Lösungsmechanismen im Kampf gegen den Notendruck und fühlen sich zu Hause mehr gehört und besser verstanden als Kinder alleinerziehender Eltern. Letztere sind auch deutlich häufiger mit Sorgen und Zukunftsängsten in Sachen Schule konfrontiert.

„Einen klaren Zusammenhang zeigt die Befragung auch zwischen dem Interesse der Eltern und dem Schulerfolg ihrer Kinder“, bemerkt Schmidt. Während 79 Prozent der guten Schüler*innen von starkem Interesse der Eltern an ihren Noten berichten, sind dies bei den schlechten Schüler*innen nur 55 Prozent. Auffällig auch: 25 Prozent der schlechten Schüler*innen beklagen, dass ihre Familie viele Sorgen hat, aber nur 14 Prozent der guten Schüler*innen. Und gerade wenn der Schulerfolg ausbleibt, hört man von Seiten der Jugend besonders häufig: „Die Eltern haben ja eh keine Ahnung.“

 

Druck ist allein nicht zu bewältigen

46 Prozent der befragten Schüler*innen berichten von immer stärker werdendem Leistungsdruck, fast ebenso viele von wachsenden Versagensängsten. 37 Prozent reagieren auf schlechte Noten mit Zorn und Ärger, 27 Prozent wollen am liebsten gar nicht darüber reden. „Der Druck entsteht in den Köpfen der jungen Menschen und nur selten durch die Familie. Im Gegenteil: Viele Jugendliche versuchen sogar, mit ihren Schulproblemen die Familie nicht zu belasten und alles allein zu lösen“, betont Familienpsychologin Mag. Karin Alt. Gerade in der Pubertät, der herausforderndsten Zeit des Lebens, wirke sich dies oft verheerend aus.

„Zudem wurden die Jugendlichen während der Corona-Pandemie noch stärker darauf getrimmt, sich allein zurechtzufinden. Sie mussten oft Leistung unter schwierigsten Bedingungen bringen, ohne fragen zu können oder Hilfe zu erhalten“, ist die Expertin überzeugt. Ihr Fazit: „Unsere Jugend ist krank. Depressive Symptome, Ängste, Zwänge, Essstörungen etc. sind an der Tagesordnung. Der Druck ist für die jungen Menschen allein oft nicht mehr zu bewältigen.“

 

Bild: pixabay/Hans Kretzmann