Santa Saus, der rasende Weihnachtsmann

Kiddycoach Gerhard Spitzer stellt das Schenken auf den Prüfstand und verrät, warum das Warten für Kids so wichtig ist.

Unzufriedene Kids trotz Unmengen an Spielzeug? Ständig neue Wünsche, die gar nicht rasch genug erfüllt werden können? Kaum Wertschätzung irgendeines Geschenkes: „Das Teil wollt´ ich ja gar nicht!“ Läuft da vielleicht etwas falsch in unserem Verständnis von wirklich glücklichen Kinderherzen? Könnte an all dem vielleicht der gute alte „Santa Saus“ Schuld haben? Schauen wir ihm doch rasch dreimal bei der Arbeit zu …

Teurer, schneller, besser

Martin, neun Jahre alt, wünscht sich ein neues City-Bike! Es muss dieses eine ganz besondere, und nebenbei ziemlich teure sein! „Nur das X9 will ich, und kein anderes!“, keift er gereizt seinen Vater an. Wie das ausgegangen ist? Nun ja, Martin bekommt das X9 tatsächlich. „Toll!“ Denken sicher viele. „Schön für Martin!“ Und dennoch ist etwas daran bedenklich: Den Wunsch, ein neues Fahrrad haben zu wollen, hat der Bub gerade einmal vor zwei Wochen zum ersten Mal ausgesprochen. Und: Als mir Martin vorgestellt wird, weil er daheim andauernd etwas zu meckern hat und sich schon jetzt wie ein heftig pubertierender Junge verhält, zeigt er mir stolz seine bereits vier Fahrräder! Sie haben es sicher schon erraten: Martins Familie kann sich einigen Luxus leisten. Vater ist viel beschäftigt. Und da ist auch schon der berühmte „Wurm“ drin: Sein Vater erkauft sich die seinem Sohn nicht gewidmete Zeit mit möglichst häufigen und immer teureren Geschenken.

Geschenke auf Bestellung

Die zehnjährige Nathalie macht soeben ihre Weihnachtsgeschenke auf. Einen Tag vor Weihnachten übrigens! Die Familie hat entschieden, dass das arme kleine und immer ungeduldige Mädchen dann nicht mehr so lange warten muss! Außerdem haben an dem Tag immer alle Verwandten Zeit, ihre Geschenke vorbeizubringen und gleich gemeinsam in die strahlenden Kinderaugen der kleinen Prinzessin zu blicken. Gut so! Sehr ökonomisch gedacht.
Zack! Schon fliegen die Fetzen des elften Packerls. „Mist! Das habe ich ja schon!!“, motzt Nathalie. Und sogleich saust die Schachtel mit dem teuren Inhalt dem Papier hinterher! Interesse? Gleich null. Nach vier weiteren Minuten sind alle Pakete geöffnet. Nun kommt das Finale: „Cool!“ quietscht die Kleine plötzlich ganz ausgelassen! Alle achtzehn!“ Ziemlich bald wird klar: Die smarte junge Dame hat ihre Geschenke kurz zuvor mittels einiger wohl organisierter Wunschlisten bei Eltern, Omas, Opas und Co. fix vorbestellt! Klug, nicht? Und so „ökonomisch“ …

Guter Start

Ich muss aber auch noch von einer guten Freundin erzählen, zu deren Söhnchens allererstem Weihnachtsabend wir geladen waren: Was sich damals an Geschenken für das Baby aufgetürmt hat, war schier unglaublich … Inklusive Schaukelpferd! Laut Etikett ist es zwar erst ab sechs Jahren tauglich, aber: Na ja – auf Vorrat. Man weiß ja nie! Aber der kleine Hosenmatz hat „… doch so toll gespielt unterm Weihnachtsbaum!“ Ja sicher! Aber mit dem Geschenkpapier, Leute!
Drei sicherlich drastische Beispiele, die zum Nachdenken anregen sollen.

Wartezeit und Wertschätzung

Wohl als Einzige haben Kinder noch das Privileg, längere Zeit auf etwas warten zu müssen … Nein, zu „dürfen“! Und genau auf diese Wartezeit kommt es an: Die bunte Fantasie, die in dieser Zeitspanne entstehen kann, birgt das eigentliche Erlebnis! Aber nicht nur das: Auch die wertvolle Tugend der Geduld kann ein Kind in der Wartezeit entwickeln. Werden Wünsche der Kinder allzu schnell erfüllt, geht einiger Zauber verloren.
Hinter dieser Erkenntnis stehen natürlich auch wichtige erzieherische Ansätze: Erfüllen sich durch „Santa Saus“ Hilfe zu oft und zu rasch die allermeisten Wünsche, gehen gleich zwei Dinge im Kombipack schief: Erstens verlernt der junge Mensch bald, sich einer bestimmten Sache langfristig und vor allem mit Anstrengung zu widmen. Zweitens geht in einer Fülle allzu schnell erfüllter Wünsche die innere Wertschätzung für jede einzelne Zuwendung verloren. Dieses Defizit erstreckt sich dann aber leider auch hinein in alle anderen Lebenslagen. Vielleicht hat Santa Saus so dazu beigetragen, dass so manchem heranwachsenden Menschen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, innere Werte, ja sogar ander Menschen richtig wertschätzen zu können?

Ruhestand für Santa Saus?

Wir meinen es gut mit unseren Kleinen, wenn wir sie beschenken. Schon klar! Aber müssen es denn bloß immer materielle Geschenke sein? Versuchen wir doch mal, uns beim Beschenken nicht nur konsequent mehr Zeit zu lassen, sondern uns auch ein gutes Stück weit wegzubewegen von jenem zutiefst materiellen Hintergrund, der unserer kapitalistischen Gesellschaft schon antrainiert worden ist! Mit anderen Worten: Kinder freuen sich auch auf bloße Ereignisse, besondere Anerkennung oder einfach tolle gemeinsame Stunden die angekündigt werden. Wenn diese dann kommen, fühlen sie sich überaus reich beschenkt! 
Martins Familie hat das übrigens ausprobiert: Schon zum zweiten Mal haben sie zu Weihnachten gänzlich auf „Packerln“ verzichtet! Dafür haben sie etwas anderes eingeführt: Unter dem Weihnachtsbaum veranstalten sie ein gemütliches „Lagerfeuer“. Der Indoor-Feuerplatz ist natürlich bloß eine gelungene Imitation mit flackernden Lichtern und Holzscheiten und Rauch. Sehr romantisch! Jetzt, ohne den früheren Geschenke-Stress haben sie nämlich alle Zeit für so einen gemeinsamen Event. 
Dann, wenn alle durch sind mit ihren Liedern und Gedichten, „packen“ sie, quasi als Überraschung, gemeinsam jeder eine tolle Idee aus, von der alle gleichermaßen etwas haben! Letztes Jahr hat Vati alle verblüfft: Er hat sich zum ersten Mal die Weihnachtsferien über frei genommen! Ein spontaner Schiurlaub für alle war somit die Überraschung des Weihnachtsfestes! Martin hat übrigens schon lange nichts mehr zu meckern daheim …

Fratz Tipps

Schenken mit Sinn

Mit jedem besonders rasch erfüllten Kinderwunsch schwinden Vorfreude und Wertschätzung und damit ein essentieller Zauber der Kindheit! 
Gönnen Sie Ihrem Kind doch die „süße Qual“ des Wartens und die Zeit der Fantasie zur Frage: „Wie wird es sein, wenn ich es erst einmal habe…?“ 
Seien Sie selbst ein Vorbild! Kaufen Sie sich selbst nicht andauernd neues Zeug!
Hören Sie aufmerksam und rechtzeitig hin um zu erfahren, welcher Wunsch Ihrem Kind wohl ein wenig „süße Qual“ wert ist.
Ein eben entstandener Wunsch sollte für Ihr Kind nur dann Wirklichkeit werden, wenn er auch eine Weile erhalten bleibt!
Ist Ihr Kind ohnehin schon ein wenig „inputsüchtig“, werden Sie es mit vielen und häufigen Geschenken nur noch schlimmer in die Überforderung treiben! 
Stellen Sie von vornherein klar:
„Mein Schatz, es wird sich bald keiner deiner Wünsche erfüllen, wenn es täglich bloß immer mehr werden!“