Es kann ein langer, sehr langer und beschwerlicher Weg sein, bis Sie ein fremdes Kind adoptiert haben. Fragen Sie sich, was Sie investieren wollen, um eine kleine Familie zu bekommen.
Wenn alle Versuche fehlschlagen, ein eigenes Kind zu zeugen, denken viele Paare über eine Adoption nach. Ja, es ist ein Prozess, der zur Entscheidung für oder gegen eine Adoption führt. Denn diese wird ihr ganzes bisheriges Leben verändern, in Teilen sogar auf den Kopf stellen. Am Anfang ist oftmals der bereits erwähnte Kinderwunsch. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit ist gar nicht so selten wie viele Menschen denken. Gerade bei Ihnen als Frau ist der Wunsch nach einem Baby, nach einer kleinen Familie oft groß. Aus dem Wunsch kann Sehnsucht werden, die, wenn sie nicht erfüllt wird, zu seelischen Erkrankungen führen kann. Reicht ein Kinderwunsch aus, um ein fremdes Kind anzunehmen? Die Antwort ist eindeutig: „Nein!“ Denn mit einem nicht-leiblichen Kind kommen zwar die selben Pflichten wie beim leiblichen Nachwuchs auf Sie zu. Und noch einiges mehr.
Vollwertige Eltern
Was heißt die Adoption zunächst einmal rein rechtlich? In Österreich dürfen Ehepaare und Singles unter bestimmten Voraussetzungen wie Mindestalter sowie wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen ein Kind adoptieren. Das heißt, sie werden formell und juristisch die Eltern dieses Kindes. Folglich sind Sie Mami oder Papi mit allen Rechten und Pflichten. An erster Stelle steht dabei, dass Sie dem Nachwuchs ein sicheres, geborgenes Zuhause geben müssen. Es sollte genug Platz in Ihrer Wohnung oder Ihrem Haus zur Verfügung stehen. Beengte Verhältnisse können schon ein Hinderungsgrund sein. Ausreichend Platz bedarf wirtschaftlicher Stärke: Sie müssen – gegebenenfalls mit Ihrem Partner zusammen – genug verdienen, um sich eine entsprechend große Wohnung oder ein Haus leisten zu können. Daneben muss das Kind gut versorgt werden – mit Essen und Trinken, mit Kleidung und Spielsachen, später mit Material für die Schule et cetera. Ja, natürlich sollten sich auch Mamas und Papas solche Gedanken machen, bevor sie ein leibliches Kind zeugen. Allerdings hat bei einer Adoption der Staat eine Fürsorgepflicht, die er in Form eines intensiven Prüfungsverfahrens wahrnimmt. Ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse machen daher eine Adoption aussichtslos.
Job und Kind
Es geht aber noch um weit mehr als das bloße wirtschaftliche Versorgen des Kindes. Denn es bedeutet, wie ein eigenes Baby auch, dass Sie Einschränkungen hinnehmen müssen. Dies geht bei Hobbies los, die dann eventuell kürzer kommen oder ganz gestrichen werden müssen. Auch der Arbeitsplatz muss im Blick behalten werden. Ist Ihr Job mit einem Kind vereinbar? Es kann durchaus sein, dass ein adoptiertes Kind mehr Aufmerksamkeit braucht als ein leibliches. Haben Sie genug Puffer für solche Mehrbelastungen? Und: Ist dafür gesorgt, dass eine verlässliche Person auf das Kind aufpassen kann? Neben diesen eher pragmatischen Fragen gilt es auch zu klären, wie Sie mit eventuellen psychischen Belastungen klar kommen. Wird ein Säugling adoptiert, wächst das Kind von Anfang an in Ihrem Umfeld auf. Hier sind meist die geringsten Komplikationen zu erwarten. Aber: Säuglinge und Babys sind gefragt, die Wartelisten lang. Je älter die Kinder sind, desto „einfacher“ kann man sie adoptieren. Allerdings können damit auch die Probleme entstehen.
Denn ein Kind, das zuvor in einer anderen Umgebung gelebt hat, muss Sie nicht unbedingt lieben. Sie hingegen sollten auch diesem Kind Ihre uneingeschränkte Liebe schenken. Das gilt auch und besonders für den Fall, dass das Adoptivkind nicht dem entspricht, was weithin als Standard gilt. Wenn es verhaltensauffällig oder traumatisiert ist, wenn es eine chronische Krankheit oder ein Handicap hat. Sie müssen auch dann voll und ganz zu diesem Kind stehen. Fragen Sie sich auch, wie Sie damit umgehen könne, wenn Ihr persönliches Umfeld das Kind ablehnt. Weil es kein leiblicher Nachwuchs ist, weil es in seiner Art anders ist oder weil es zum Beispiel eine andere Hautfarbe hat. All das muss im Vorfeld einer Adoption genau bedacht werden. Und: Sind Sie bereit einen langen, mitunter steinigen Weg bis zur Adoption zu gehen? Denn die Annahme eines Kindes ist mit reichlich Bürokratie, Wartezeit und gerade bei Adoptionen im Ausland auch mit finanziellen Belastungen verbunden. Weiters müssen Rückschläge einkalkuliert werden.
Persönliche Eigenschaften
Nicht zuletzt kommt es auf die Soft-Skills an, wie die persönlichen Eigenschaften inzwischen im Fachjargon genannt werden. Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft sind sinnvolle Elemente, um auch schwierige Situa tionen zu meistern. Dabei hilft auch, wenn Sie in selbst in extremen Situationen ruhig und ausgeglichen bleiben. Sie sollten in der Lage sein, anderen Menschen Grenzen aufzuzeigen, denn gerade Kinder testen tagtäglich, wie weit sie gehen können. Da sind eben manchmal Nerven wie Drahtseile gefragt. Und in anderen Situation das Zeigen von Gefühlen. Liebe, Zuneigung, Dankbarkeit – all das möchte und muss das Adoptivkind spüren.
Selbst wenn bis jetzt alles für eine Adoption spricht – es gibt immer noch mögliche Problemfaktoren. Die liegen in ihrem direkten Umfeld. Denn Ihr Partner sollte voll und ganz auf Ihrer Linie schwimmen und wie Sie die Adoption wollen – mit allen Konsequenzen. Meist kristallisiert sich schon in den ersten Gesprächen heraus, ob eine Adoption überhaupt für beide Parteien in Frage kommt. Schwieriger ist es da schon, wenn bereits Kinder in der Familie sind. Denn in Ihr Leben wird mit einer Adoption ein Konkurrent treten, zum Beispiel bei der Liebe der Eltern. Das müssen die Kinder nicht so empfinden, es kann aber passieren.
Text: Stefan Trockel
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