„Sei schön brav und tua der Oma folgen.“ Wer jenseits der vierzig noch ein Kind bekommt, muss mit Sätzen wie diesen rechnen. Zu Unrecht, denn Österreichs Mütter werden immer älter.
In der Werbeindustrie gelten noch immer die gleichen Klischees wie vor 20 oder 30 Jahren. Wenn Mütter mit Kind auftauchen sind sie meist Mitte 20, schlank, fit, liebevoll und äußerst entspannt. Egal ob in Magazinen oder im TV: Mütter sind jung – prinzipiell!
Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Lag das Durchschnittsalter einer Frau, die zum ersten Mal Mutter wurde im Jahr 1984 noch bei 24,1 Jahren, so stieg es bis 2020 auf 29,7 Jahre. Innerhalb der EU liegen die Österreicherinnen damit im Mittelfeld, was ihr Alter bei der ersten Geburt eines Kindes betrifft. Spitzenreiterin sind die Italienerinnen, die durchschnittlich 31,4 Jahre alt sind, wenn sie ihr erstes Kind auf die Welt bringen, gefolgt von den Spanierinnen, die bei der Erstgeburt im Schnitt 31,2 Jahre alt sind. Übrigens die Mütter in Deutschland sind bei ihrer ersten Geburt nur unwesentlich älter als die österreichischen – nämlich 29,9 Jahre.
„Tua scheen da Oma folgen“
Wer jenseits des 40ten Geburtstages noch ein Kind zur Welt bringt muss später mit durchaus skurrilen Situationen rechnen – so wie Elisabeth M. „Wir waren mit Freunden im Wiener Augarten brunchen, als mir mein Sohn, damals fünf Jahre alt, kurz entfleuchte. Ich bin ihm nach und habe gerufen Paul komm her. Ein älterer Herr der zufällig die Szene beobachtet hat, meinte zu Paul: Sei scheen brav und tua da Oma folgen“, erzählt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Obwohl das Durchschnittsalter bei Frauen, die ihr erstes Kind kriegen, kontinuierlich steigt hält sich in der Gesellschaft und hier paradoxerweise bei der älteren Generation weiterhin das Bild, dass die meisten Frauen zwischen 20 und 30 ihr erstes Kind bekommen.
Ledig, alt und jede Menge Falten
Die Zeiten als die italienische Rocksängerin Gianna Nannini 2010 mit 54 ihr erstes Kind bekam und damit vielerorts für rote Ohren und heiße Diskussionen sorgte sind – so scheint es – auch 12 Jahre später noch längst nicht vorbei. Mit welch untergriffigen, ja geradezu beleidigenden Formulierungen Nannini damals bedacht wurde, zeigt ein Artikel aus der Berliner Morgenpost, der ein knappes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Penelope erschien: „(…) nachdem die ledige Italo-Rockerin Gianna Nannini im November 2009 mit 54 Jahren ihre erste Tochter Penelope („Baby Rock“) zur Welt brachte, die sie voller Stolz keinem einzigen Klatschmagazin vorenthielt – obwohl auch sie sich allmählich eher der Physiognomie Bob Dylans angleicht als einer klassischen neapolitanischen Mama nach Art der frühen Sophia Loren.“ Der Autor – ein Mann.
Späte Mutterschaft – eine Reaktion auf die Umwelt
Dabei sind die die Gründe für das steigende Lebensalter der Mütter nicht zuletzt der sich verändernden Um- und Arbeitswelt geschuldet. Das Österreichische Institut für Familienforschung hat schon vor einigen Jahren herausgefunden, dass die späte Mutterschaft selten bewusst gewählt ist, sondern eine Reaktion auf Lebensbedingungen. Aus den untersuchten Biografien ergibt sich u.a., dass „späte Mütter“ (über 30) oft
• bestens ausgebildet und beruflich etabliert sind,
• den richtigen Partner gefunden bzw. ihn überzeugt haben,
• sich „alt genug” fühlen, nachdem sie ihre Jugend genossen haben,
um das Projekt Nachwuchs zu starten (mehr dazu hier: Mutter mit 40 – why not?):
Mütter über 40 leben am häufigsten in Wien und im Burgenland
Zeitenwende – 2021 war ein besonders Jahr: Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie, die im Jahr zuvor zu flächendeckenden Lockdowns und dem Erliegen des öffentlichen Lebens in weiten Teilen Europa geführt hatte, stieg die Anzahl der Geburten in Österreich wieder. Seit 2016 war diesbezüglich ein Rückgang zu verzeichnen. Auch in Deutschland war ein ähnliche Phänomen zu verzeichnen.
Ein Blick auf die Statistik dieses „Ausnahmejahres“ zeigt deutlich, dass das „Kinderkriegen“ jenseits der 30 bzw. 40 längst zum Alltag geworden ist. Fast 61 Prozent aller Frauen die in diesem Jahr ihr erstes, zweites, drittes (etc.) Kind bekamen war älter als 30 Jahre. Immerhin 4,5 % waren älter als 40 – wobei das östererichinterne Ranking von den Wienerinnen und den Burgenländerinnen angeführt wird. Von den 19.259 Geburten, die 2021 in Wien gezählt wurden sind 5,94 % Frauen über 40 zuzurechnen. Im Burgenland waren es 5,59 %.
Übrigens: Während das Durchschnittsalter der Mütter, die 2021 ein Kind bekamen bei 31,5 Jahren lag, lag jenes der Väter bei 35,5. 17,2 Prozent der Kinder, die in diesem Jahr auf die Welt kamen hatten einen Vater, der älter war als 40. Allerdings zählt die Statistik Austria bei den Männern nur die Sprösslinge, die einer ehelichen Beziehung entspringen und das waren nur 58%.
Bild: Sujet pixabay – Janko Ferlic
Datenquellen: Eurostat, Statistik Austria, eigene Berechnungen