Sternenkinder

Totgeburten sind keine Einzelfälle

Jede vierte Frau erlebt zumindest einmal, dass ihr Kind noch während der ersten Schwangerschaftswochen stirbt. Die perinatale Sterblichkeit (d.h. alle vor, während und bis zum 7. Tag nach der Geburt gestorbenen Kinder, die mehr als 500 g wogen) liegt in Österreich zwischen 0,5 und 1,5 Prozent. Es sind also keinesfalls traurige Einzelfälle!
Und doch ist der Tod des eigenen Kindes kein Thema der Öffentlichkeit, man spricht nicht gerne über eine „Fehl- oder Totgeburt“. Viele betroffene Eltern fühlen sich dementsprechend alleine und in ihrer Trauer unverstanden.

Ganz gleich in welcher Schwangerschaftswoche das Baby aber auch auf die Welt gekommen sein mag, ganz gleich wie groß, wie schwer, ob lebendig oder tot: Was da einmal gelebt hat und jetzt gestorben ist, war für die Betroffenen ihr Baby, auf das sie sich schon sehr gefreut, das sie gefühlt und mit dem sie gesprochen haben.

Das Leben dieses Kindes war da, und damit ist auch die Trauer berechtigt. Durch Schweigen und Verdrängen kann der Verlust nicht ungeschehen gemacht werden.

Fehlgeburt

Nach einer Fehlgeburt oder einem intrauterinen Kindstod bis zur 12. SSW wird meist eine Kürettage (Ausschabung) bei der Frau vorgenommen. Nach der 12.-14. SSW müssen die betroffenen Frauen nach dem Tod ihres Ungeborenen den ganzen Prozess einer Geburt durchmachen – ohne Aussicht auf ein lebendes Kind.
Schock, Angst und Hilflosigkeit sind verständlicherweise groß, wenn man erfährt, dass das eigene Baby verstorben ist; oder dass es – weil schwer krank – frühzeitig geboren werden muss und somit nicht lebensfähig sein wird.

Fällt die Entscheidung für einen Kaiserschnitt, so muss die betroffene Frau das tote Kind nicht selbst gebären, hat aber die Operationsbeschwerden. In der Regel wird den Schwangeren jedoch zu einer normalen, also vaginalen Geburt geraten, weil damit der schmerzhafte aber wichtige Verabschiedungsprozess einsetzt. Das hilft später in der Trauerarbeit.

Die Wehen werden von der Frau schmerzhafter und verzweifelter erlebt als normal. Schon deshalb ist eine gute Betreuung während der Geburt von großer Bedeutung. Viele Frauen empfinden eine Epiduralanästhesie als Erleichterung. Schmerzmittel die betäuben, werden dagegen eher abgelehnt.

Begrüßung & Abschied

Für die meisten Frauen ist es zunächst wichtig, in den schlimmen Stunden rund um die Geburt die Nähe lieber Menschen zu spüren. Verständlicherweise haben viele Eltern auch große Angst davor ihr Sternenkind zu begrüßen und in die Arme zu nehmen.
Es ist das Baby aber weder kalt, noch entstellt, wie man meinen könnte. Vielmehr sieht es wie jedes andere schlafende Neugeborene aus. Nur die Lippen haben eine dunkelrote Färbung, so als wären sie mit einem Lippenstift angestrichen.

Die Begegnung ist ohne Zweifel schmerzvoll, wird aber von den Eltern in der Regel als großer Schatz erlebt und nie bereut. Oft ist es auch für Geschwisterkinder wichtig, das Brüderchen oder Schwesterchen gesehen zu haben, zumindest auf einem Erinnerungsfoto.

Grundsätzlich ist es sinnlos, Kinder schonen zu wollen, ihnen nicht die Wahrheit zu erzählen. Denn dass etwas nicht stimmt, spüren sie immer.

Wird das Kind registriert

Standesamtlich registriert werden nur Babys, die mit über 500 g das Licht der Welt erblicken.
Natürlich können die Eltern aber ihrem Kind in jedem Fall einen Namen geben. In den meisten Krankenhäusern liegen Erinnerungskarten der Selbsthilfegruppen auf. Hier können u.a. auch der Hand- und der Fußabdruck des Kindes festgehalten werden. Zu den schönen Erinnerungen zählt für viele Betroffene zudem die Segnung bzw. Taufe des Kindes.

Grundsätzlich kann auch jedes Kind, das während der Schwangerschaft gestorben ist, im Familiengrab oder in einem Kindergrab bestattet werden. “Dies gilt nach einem neuen Gesetz auch für Babys unter 500 g”, betont Petra König. “Für viele Betroffene ist es einfach wichtig, zu wissen, wo ihr Kind begraben liegt.”

Das “Leben danach”

Nach dem Tod des Kindes sehnt man sich meist danach möglichst schnell nach Hause zu kommen. Man möchte einfach Ruhe haben. Gleichzeitig ist es freilich ein sehr schwieriger und sehr emotionaler Moment, wieder das Zuhause zu betreten, das man vor wenigen Tagen noch “in guter Hoffnung” verlassen hat.
Es wird hier besonders deutlich, dass viele Planungen und Wünsche, wie z.B. das Einrichten des Kinderzimmers, plötzlich ihren Sinn verloren haben.

Die Frau erlebt neben Geburtsverletzungen einen extremen Hormonumschwung, der bei jeder Wöchnerin zu tiefen Depressionen führen kann. Sie ist in dieser Zeit weder seelisch noch körperlich belastbar genug, um den Schock über den Tod ihres Kindes allein bewältigen zu können. Oft kämpft sie auch mit Versagens- und Schuldgefühlen.

Immer ein Platz im Herzen

Natürlich werden immer wieder Situationen auftreten, in denen man erneut in dieses Gefühl der Trauer hineinkommt, z.B. an Feiertagen wie dem Muttertag. “Erstgebärende leiden oft sehr darunter als Mutter ignoriert zu werden, nur weil ihr Kind nicht mehr auf der Erde lebt”, gibt Petra zu bedenken.
Auch während einer erneuten Schwangerschaft können die schrecklichen Erfahrungen und Ängste wieder hoch kommen. Oftmals reicht es, vermittelt zu bekommen, dass diese Reaktionen “normal” sind.

Manchmal wird es sinnvoll sein, mit einer erfahrenen Hebamme oder einem Psychologen die traumatischen Erfahrungen aufzuarbeiten.Das verstorbene Kind wird wie gesagt immer seinen Platz im Herzen seiner Familie behalten. Nur die Wehmut schwindet mit der Zeit.

Perinatale Sterblichkeit – Zahlen & Fakten

Unter den Todesursachen steht – mit ca. 60% – die Hypoxie (Sauerstoffmangel) an erster Stelle. In 90% der Todesfälle kann auch eine ursächlich beteiligte Plazentainsuffizienz nachgewiesen werden.
70% aller perinatal verstorbener Kinder haben ein Geburtsgewicht von 2500 g und weniger. Ursache dafür ist einerseits der hohe Anteil der Frühgeborenen. 30-40% sind sogenannte ”small-for-date-babies” (dystrophe Kinder), die in Folge der unzureichenden Versorgung der Plazenta untergewichtig sind.

Für eine Totgeburt können auch schwere Defekte beim Kind verantwortlich sein. Bei einem Drittel der Fälle ist die Ursache aber unbekannt.

Alarmzeichen erkennen

Nach dem Tod des Ungeborenen verschwinden die Schwangerschaftshormone aus dem Blut der werdenden Mutter und damit die Schwangerschaftsempfindungen.
Es kann auch sein, das eine schnelle Gewichtsabnahme einsetzt, weil das Fruchtwasser resorbiert wird. Die Wehen setzen meist 2-3 Tage nach dem Kindstod ein. Auch deswegen: bei Gewichtsabnahme und Wehen zum Arzt!

Hilfreiche Links zum Thema Sternenkinder

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter folgenden Link:

Text: Jürgen Steiner
Foto: Inara Prusakova/Shutterstock.com

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