Die Sorge um die nächste Generation schüren Begriffe wie Krise, Arbeits- oder Chancenlosigkeit. Sind trilinguale Kindertagesstätten, pädagogischer Tanzunterricht und Kids Yoga die richtige Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts?
Arbeitgeber und Führungskräfte brauchen Leute, die für sich selbst denken können – die Initiative ergreifen können und die Lösung des Problems sind. Sie brauchen Menschen, die Vertrauen aufbauen können und mit anderen auskommen sowie komplexe Herausforderungen in Teams ohne viel Überwachung meistern können“, weiß der internationale Bestseller-Autor Dr. Stephen Covey aus jahrelanger Zusammenarbeit mit Unternehmen. Oft gehen Eltern von der Fehlannahme aus, dass wenn der Stundenplan nur voll genug ist, die späteren Jobchancen um ein Vielfaches steigen. Der Nachwuchs sieht sich zunehmend erhöhtem Leistungsdruck ausgesetzt, der den Charakterentwicklungsprozess wesentlich stören oder Gesundheitsprobleme auslösen kann. Vor allem private Anbieter proftieren von der tief sitzenden Angst und Sorge um die Zukunft der Kinder. „Erfolg sollte nicht unbedingt an erreichten Ergebnissen, sondern vielmehr an Freude und Erfüllung gemessen werden. Ist der Musikunterricht beispielsweise zu streng, lässt die Motivation schnell nach“, weiß Sandra Velásquez, Psychologin und ehemalige ATV „Supernanny“. So sollte auf Persönlichkeit und Vorlieben des Kindes eingegangen werden, um es optimal zu fördern. Will man die Entwicklung eines gesunden Selbstempfindens und sozialer Kompetenzen unterstützen, müssen Eltern in ihrer Rolle als Mentoren ihren Kindern altersgemäße Freiräume geben und bewusst Verantwortung übertragen, aber auch klare Grenzen aufzeigen. Die Vorbildfunktion ist hier entscheidend, denn Beziehungsfähigkeit, Arbeitsmoral und -ethik wird meist „weitervererbt“. Aber Velásquez warnt: „Bedingungslose Liebe bedeutet nicht, dass ich alles, was mein Kind tut, mögen muss. Man sollte Kritik ehrlich, jedoch kindgerecht kommunizieren und immer auf das Verhalten und nicht die Person Bezug nehmen!“ Es ist also weniger eine Investition von Geld, als eine Investition von Zeit und Energie erforderlich, sowohl für die persönliche Entwicklung des Kindes als auch für die eigene. Kontraproduktiv ist das international immer häufiger werdende Phänomen der „Helikopter-Eltern“, ein Begriff, der vor Jahren in Amerika popularisiert wurde. Damit sind Eltern gemeint, die zur Überkontrolle und -fürsorglichkeit neigen und ständig um ihre Kinder kreisen. Wertvolle Möglichkeiten durch eigene Erfahrungen zu wachsen, bleiben diesen Kindern dadurch verwehrt. Denn mit jeder selbst gemeisterten Herausforderung oder jedem selbst gelösten Problem gewinnen sie nachhaltig Sicherheit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und erschaffen das Fundament für den beruflichen und persönlichen Erfolg.
Text: Derya Efe
Foto: Vyacheslav Osokin – shutterstock.com
Raus aus dem Hamsterrad!
Im Interview mit fratz&co liefert Klaus Werle, Autor von „Die Perfektionierer“ sowie ehemaliger Produktmanager bei Procter & Gamble, Denk anstöße, um dem Optimierungswahn unserer Gesellschaft nachhaltig zu entkommen.
fratz&co: Nimmt der Trend zum Perfektionismus ab oder zu?
Klaus Werle: Der Trend zum Perfektionismus nimmt extrem zu. Nach dem Wegfall der großen Ideologien ist das einzig verbliebene Credo, zumindest der westlichen Welt: Du kannst alles schaff en, wenn Du nur willst. Zudem wurden die klassischen Perfektionierungsbereiche Ausbildung und Beruf verlassen und längst auch unser Privatleben erobert.
fratz&co: Wie hievt man sich aus der Perfektionsfalle raus?
Klaus Werle: Aus dieser Perfektionsfalle entkommt man, indem man sich darüber klar wird, wo die eigenen Stärken liegen. Was macht mir Freude? Worin bin ich wirklich gut? Stärken stärken, anstatt an Schwächen herumzulaborieren. Man muss nicht nur wissen, was man will; man muss auch bereit sein, auf anderen Feldern lockerzulassen und sich auch mal mit der zweitbesten Lösung zufriedengeben.
fratz&co: Was können Eltern tun, um ihre Kinder erfolgreich zu fördern?
Klaus Werle: Eltern sollten ihren Kindern vor allem Selbstbewusstsein und Selbständigkeit vermitteln. Das Gefühl, dass sie sie lieben und ihnen vertrauen. Dass sie da sind, wenn sie gebraucht werden, aber nicht einengen, wenn das Kind haben will. Sie sollten ihnen Angebote machen, aber sie nicht in einen dicht gedrängten Stundenplan pressen. Kinder müssen ihr Lerntempo selbst bestimmen.