Väter: Egal wie sie’s machen, es ist falsch!

Bis heute gilt die Annahme, dass ein Kind in der Hauptsache die Mutter braucht. Dass Väter auch einen Platz in der Familienmitte wollen, wird immer noch nicht als Normalfall gesehen.


Der Patriarch war einmal – die neuen Väter sind anders. Ihre wichtige Rolle im Leben der Kinder ist aber immer noch nicht unumstritten. Barbara Streidl, Journalistin Autorin des Buches „Lasst Väter Vater sein. Eine Streitschrift“ verrät im Gespräch mit fratz&co warum das so ist.

fratz&co: In Ihrem Buch „Lasst Väter Vater sein“ stellen Sie fest: Ohne Väter geht es nicht. Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Aufgaben / Funktionen eines Vaters im Leben seines Kindes?

Barbara Streidl: Er ist ganz selbstverständlich da, bei seinem Kind, für sein Kind, und zwar am besten von Anfang an. Wie die Mutter eine Beziehung zu ihrem Kind aufbaut, baut der Vater eine auf. Eine ganz eigene, geprägt von seinen Stärken und Schwächen. So wickelt, tröstet, wiegt, lacht, schimpft und spielt er als Vater mit seinem Kind – und das kann nur er.

fratz&co: Worin unterscheiden sich die Väter von heute von denen früherer Generationen?

Barbara Streidl: Das „Gedöns“, wie der bundesdeutsche Altkanzler Gerhard Schröder den Bereich „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ 1998 nannte, ist historisch gewachsen Frauensache: Es gibt hier wenig männliche Figuren oder gar Vorbilder. Dafür hat sich bis heute die Annahme gehalten, dass ein Kind in der Hauptsache die Mutter braucht. Dass Väter auch einen Platz in der Familienmitte wollen, wird immer noch nicht als Normalfall gesehen.

fratz&co: In welchen Hinsichten besteht aus Ihrer Sicht die Notwendigkeit, die Vater-Rolle weiter zu entwickeln?

Barbara Streidl: In Deutschland gleicht die Vorstellung der „guten Mutter“ einem Denkmal, das wir durch den Nationalsozialismus, die Frauenbewegung und den Neoliberalismus gebracht haben. Daneben vermuten wir erst mal nichts Zweites, ähnlich Wertvolles. Hinzu kommt, dass viele Väter in der Vergangenheit mit Abwesenheit in der Familie glänzten, autoritär waren und in der Hauptsache auf ihre Ernährer-Rolle reduziert wurden. Dass heute sowohl viele Mütter als auch Väter diesen Vorstellungen ein anderes Leben entgegen leben (möchten), wird gerne ausgeblendet. Der Wandel, in dem sich unsere Welt befindet, geschieht ja auch ganz schön rasant: Vor nicht allzu langer Zeit konnte sich niemand vorstellen, dass es Familien gibt, die aus gleichgeschlechtlichen Elternpaaren und nicht leiblichen Kindern bestehen.

fratz&co: „Vater neu“ – was macht er anders?

Barbara Streidl: Ich stelle mir den „neuen“ Vater als einen Mann vor, der die abwesenden Väter der Kriegsgenerationen, die autoritären Papas der Nachkriegsgeneration und die Workaholic-Dads der Neunziger nicht als Vorbild nehmen möchte. Der einfach nur Papa sein möchte für seine Kinder und dafür einen eigenen Weg findet.

fratz&co: Wie definieren sich die Väter heute selbst? Inwiefern fordern sie für sich selbst eine aktivere Rolle innerhalb der Familie bzw inwieweit leben sie diese? Inweiweit sind die Frauen diejenigen, die Männer in der Familie „an den Rand“ drängen?

Barbara Streidl: „Die Väter“ gibt es meines Erachtens gar nicht – dafür aber Väter, die versuchen, ihre eigenen Wege zu finden. Sie gehen mit ihrem „Wollen“ in die Familie, nennt der Tübinger Familienberater Reinhard Winter das, was ich ein schönes Bild finde: selbstbestimmt und ohne Fremdauftrag einen eigenen Platz finden bei Kindern und Partnerin. Ja, und dass da nun ein Partner auf Augenhöhe ist, mit dem zu rechnen ist, der Verantwortung übernehmen will und nicht bloß Aufgaben erfüllen, damit zurechtzukommen fällt manchen Frauen schwer.

Weil Familie eben für lange Zeit Frauenterrain war. Hinter diesem Verhalten, das in Fachkreisen als „maternal gate keeping“ bezeichnet wird, steckt in manchen Fällen eine Bindungsstörung, die die Frauen zu „Türsteherinnen“ macht, in anderen Fällen hat so etwas auch mit der Vorstellung der eigenen Weiblichkeit zu tun. Fühlt sich eine Frau erst dann so richtig weiblich, wenn sie Mutter ist, dann möchte sie davon vielleicht nichts abgeben – auch nicht an den Vater ihres Kindes.

fratz&co: Was macht es Vätern schwer, ihre Vaterrolle auszufüllen?

Barbara Streidl: Wie sie’s machen, ist es falsch: Engagiert sich ein Vater neben der Karriere auch in der Familie, werden Wickeldiplom- und Weichei-Witze über ihn gemacht, und zwar nicht nur im Kollegenkreis. Ist er trotz Familie vollzeit erwerbstätig, heißt es „typisch Mann“. Mich erinnert das an die Zerrissenheit von Frauen, die einerseits das Beste für das Kind sein sollen, andererseits ihre Fachkraft nicht am Wickeltisch verschleudern mögen.

Wer sich das ausgedacht hat – da gibt es keine Einzelperson, keinen Bundeskanzler, König, Kaiser, den wir zur Verantwortung ziehen können. Diese einander regelrecht bekämpfenden Erwartungen an Männer und Frauen sind historisch gewachsen, gesamtgesellschaftlich.

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Bild: Pixabay/Marcin

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