Zum siebenten Mal beging der 2014 gegründete Verband für gemeinnütziges Stiften (VgS) heute den Europäischen Tag der Stiftungen mit einer hochkarätigen Konferenz in Wien. Unter dem Motto „Krisen bewältigen, Zukunft gestalten“ stand das nachhaltige Wirkungsvermögen von gemeinnützigen Stiftungen zur Bewältigung der multiplen Krisen unserer Zeit im Mittelpunkt. Laut aktueller Studie des Verbandes fördern gemeinnützig tätige Stiftungen in Österreich das Gemeinwohl mit 115 Mio. Euro jährlich – um 30 Prozent mehr als bisher angenommen. Höhepunkt der Veranstaltung war die Auszeichnung von Gabriele und Gerhard Ströck als Stifterin und Stifter des Jahres. Mit der WE&ME Stiftung hat die Familie einen wegweisenden Schritt für die Erforschung und Behandlung der schweren somatischen Multisystemerkrankung ME/CFS gesetzt.
Persönliche Betroffenheit zählt zu den stärksten Beweggründen für gemeinnütziges Engagement. Auch die gemeinnützige Stiftung der diesjährigen Stifterin und des Stifters des Jahres, Gabriele und Gerhard Ströck, nahm ihren Ausgangspunkt in einem Schicksalsschlag innerhalb der Familie: Mit Christoph und Philipp sind gleich zwei der drei Söhne von Gabriele und Gerhard Ströck an ME/CFS (Myalgische Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome) erkrankt. Hinter dieser für viele Menschen unbekannten Krankheit steckt eine schwere Fehlregulation des Nervensystems, des Immunsystems und des Stoffwechsels, die für Betroffene eine extreme Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bedeutet und zum Teil sogar zur Bettlägerigkeit zwingt. „Bis zu 80.000 Menschen sind allein in Österreich nach internationalen Schätzungen und Hochrechnungen daran erkrankt – meist unerkannt, weil ME/CFS im österreichischen Gesundheitssystem nicht erfasst wird und es oft zu Fehldiagnosen kommt, die diese Erkrankung dem psychosomatischen Formenkreis zuordnen“
, geben Gabriele und Gerhard Ströck Einblick und führen aus: „Dies hat dazu geführt, dass die Grundlagenforschung für ME/CFS extrem vernachlässigt worden ist. Die deutsche Gesellschaft für ME/CFS vergleicht diese Lücke mit einem Forschungsrückstand von ca. 40 Jahren. Das Resultat ist, dass es in Österreich derzeit weder genug ausgebildete Ärzte und spezialisierte klinische Anlaufstellen noch eine Therapie oder eine ausreichende soziale Absicherung gibt.“
Dieser Missstand war für die Familie Ströck zentraler Anlass zur Gründung der gemeinnützigen WE&ME Stiftung im Jahr 2020. Ihre Mission ist es, Politik und Institutionen im Gesundheitssystem zum Handeln aufzurufen, um medizinische, aber auch rechtliche Versäumnisse zu beseitigen und die wissenschaftliche Forschung finanziell zu unterstützen.
„Aus einer schmerzlichen persönlichen Betroffenheit ist in der Familie Ströck innerhalb weniger Jahre ein effektives und erfolgreiches gesellschaftliches Engagement entstanden, das vieles verändert, Betroffenen Hoffnung gibt und zugleich die Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Gesundheitssystem in einer guten Mischung aus Beharrlichkeit, Kompetenz und Respekt zu den notwendigen Verbesserungen drängt. Forschungsprojekte in Österreich, aber auch international in einer Kooperation mit Universitäten in den USA konnten bereits initiiert werden. All das soll Patientinnen und Patienten dieser schweren Krankheit ein besseres Leben ermöglich“
, hob Laudator Rudolf Anschober die Pionierarbeit der WE&ME Stiftung hervor.
Günther Lutschinger, Geschäftsführender Vorstand des Verbandes für gemeinnütziges Stiften, unterstrich die große Bedeutung des Engagements für den wissenschaftlichen Fortschritt: „Mit Zuwendungen in der Höhe von 1 Millionen Euro hat die Stiftung wesentlich dazu beigetragen, die Erforschung von wirkungsvollen Therapien und Medikamenten voranzutreiben.“
Die Stiftungsvorstände Gabriele und Gerhard Ströck nahmen den Preis mit den folgenden Worten entgegen: „Wir bedanken uns beim Verband für gemeinnütziges Stiften für diese wichtige Anerkennung, die ein bedeutender Schritt auf unserem Weg ist, mehr Menschen auf diese schwere Krankheit und die prekäre Versorgungslage aufmerksam zu machen.“
Um noch mehr bewirken zu können, rief die Familie gleichzeitig zum Spenden auf: „Jede Spende zählt und wird zu 100 Prozent für internationale und nationale Studien und Weiterbildungsmaßnahmen eingesetzt!“
Über 7 Milliarden Euro langfristig für gesellschaftliche Projekte gewidmet
Im Rahmen des weiteren Konferenzprogramms beleuchteten Persönlichkeiten wie Andreas Knapp (Nachbar in Not gemeinnützige Privatstiftung), Peter Kaiser (Österreich Hilft Österreich), Martin Kotynek (Media Forward Fund) oder Gerda Holzinger-Burgstaller (ERSTE Bank) was heimische gemeinnützige Stiftungen im Kampf gegen Naturkatastrophen und humanitäres Leid sowie für mehr Bildungschancen und Medienfreiheit leisten. VgS-Vorstand Günther Lutschinger gab dabei erstmals Einblick in die neuesten Studienergebnisse zum gemeinnützigen Stiftungssektor: „767 Stiftungen mit rein gemeinnützigen Zwecken, 60 kirchliche Stiftungen und rund 100 gemeinnützige Fonds sind derzeit für das Gemeinwohl hierzulande aktiv. Zusätzlich engagieren sich – als Besonderheit in Österreich – zahlreiche Privatstiftungen neben eigennützigen auch für gemeinnützige Anliegen. In Summe lagen ihre Ausschüttung für wohltätige Projekte 2023 bei mindestens 115 Millionen Euro – wesentlich mehr als in bisherigen Modellen angenommen!“
Eine aktuelle Hochrechnung des in gemeinnützigen Stiftungen verwalteten Gesamtvermögens geht von mindestens 7 Mrd. Euro als Untergrenze aus. Je nach Wertentwicklung sind bis zu 10 Mrd. Euro möglich, die aufgrund der langfristig angelegten Struktur von Stiftungen nachhaltig der Gesellschaft zugutekommen.
Gemeinnützigkeitsreform wirkt, KEST-Besteuerung bremst!
Wie Lutschinger betonte, habe das gemeinnützige Stiften in Österreich durch das 2024 in Kraft getretene Gemeinnützigkeitsreformgesetz wieder deutlichen Rückenwind erhalten. Neben zahlreichen Neugründungen verzeichnete der VgS durch die verbesserten Steuergesetze deutlich mehr Anfragen von vermögenden Personen und Institutionen. Gleichzeitig gelte es seitens der zukünftigen Bundesregierung noch einige Hebel in Bewegung zu setzen, um den Stiftungsstandort Österreich weiter zu stärken: „Es braucht dringend Verbesserungen bei der nach wie vor überbordenden Bürokratie und den langwierigen Gründungsverfahren. Vor allem ist bei der Reform ein wichtiges Anliegen auf der Strecke geblieben: Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern werden Erträgnisse gemeinnütziger Stiftungen in Österreich durch die KEST besteuert, wodurch nur 75 Prozent der Erträge beim guten Zweck ankommen. So manche Stiftung ist deshalb in einen Nachbarstaat abgewandert, weil sie von dort aus mehr bewirken kann!“
Weitere Infos: https://www.gemeinnuetzig-stiften.at
Aussender: Verband für gemeinnütziges Stiften
Foto: Ludwig Schedl
Datum: 2024-10-01
Anmerkung fratz.at: Bei den hier stehenden Nachrichten handelt es sich um Originaltexte der jeweiligen Aussender.