Österreichs Nachbarland Tschechien ist allemal eine Reise wert. Die Pilsner Region, ganz im Westen des Landes, ist (noch) ein echter Geheimtipp – und hat einiges zu bieten. Und das bei sehr moderaten Preisen. Wandern durch tiefe Wälder, Burgen, Schlösser, die charmante Stadt Pilsen und natürlich kühles Bier.
Doch was tun im „Wilden Westen“ Tschechiens? Hier fünf Inspirationen für den nächsten Urlaub.
Böhmischer Wald – Wandern in Český les
Wer Lust auf Natur und Wandern hat ist im Český les, (Mehr dazu: https://www.turisturaj.cz/podkategorie-de/02-02-bohmischer-wald) dem Böhmischen Wald genau richtig. Etwa eine Stunde Autofahrt von Pilsen entfernt sind auch Tagesausflüge in die Gegend gut möglich.
Dort wo heute ein etwa 473 km großes Naturschutzgebiet zum Wandern einlädt, befand sich der mit Zäunen und Wachtürmen gesicherte Grenzstreifen zwischen der sowjetisch dominierten CSSR und Deutschland. Auf zahlreichen Wander- und Radwegen kann man den Buchen- und Mischwald erkunden und entdeckt dabei vielleicht sogar einen Bieber, Luchs oder Uhu. Zwei lohnende Ziele sind das „untergegangene“ Dorf Pleš/Plöss und der Aussichtsturm auf dem Čerchov.
Einen Hinweis auf Pleš/Plöss geben nur noch ein Schild und ein Friedhof. Im Jahr 1930 lebten hier noch über 700 Menschen. Die hauptsächlich deutsprachigen Bewohner*innen mussten das Dorf im Jahr 1945 verlassen und in den 1950er Jahren wurde es vom kommunistischen Regime abgerissen. Nach der Grenzöffnung 1989 wurden der zerstörte Friedhof restauriert.
Eine wunderbare Aussicht bietet die höchste Erhebung von Český les, der 1042 Meter hohen Čerchov bzw. der 1900 dort errichtete Aussichtsturm. Hinauf – oder hinunter – führt der älteste Wanderweg des Böhmischen Waldes, Hanova Cesta. „Treppen“ aus Stein des 1901 fertiggestellten Weges sind noch erhalten.
Auf dem Čerchov war die Armee stationiert. Das Gebäude der ehemaligen Militärkompanie soll im Laufe der nächsten Jahre zu einer Berghütte mit Terrasse, Restaurant und Unterkünften umgebaut werden. Ein Museum in der Hütte soll künftig Auskunft über das Gebiet und die Geschichte des Ortes bieten. Was vor über 120 ein beliebtes Ziel bei Ausflüglern war wird nun langsam wieder zu einem.
Burg und Baustelle: Schloss Poběžovice
In alter Pracht soll auch das Schloss Poběžovice in Ronsberg (mehr hier: https://www.zamekpobezovice.cz/) bald wieder erstrahlen. Das Anwesen fiel der Geschichte zum Opfer. Im 15. Jahrhundert von Burgherrn Dobrohost von Ronsberg erbaut, wandelte es sich über die Jahrhunderte und unterschiedlichen Besitzern zum Schloss. Ab dem Jahr 1864 bis zum 2. Weltkrieg gehörte es der Familie Coudenhove-Kalergi. Danach wurde es vom Staat enteignet, geplündert und dem Verfall preisgegeben. Im Jahr 2020 hat die Stadt begonnen, das historische Gebäude zu restaurieren. Im Juli 2024 soll es zum Nationalen Erbe ernannt werden.
Der im Jahr 2015 entstandene „Japanische Garten“ hinter dem Schloss ehrt die erste Japanerin, die in Tschechien lebte. Mitsuko Coudenhove-Calergi, heiratete den k. und k. Diplomaten Heinrich von Coudenhove-Kalergi und zog mit ihm nach Europa. Später übersiedelte Matsuko nach Wien. Ihr ältester Sohn Hans war der letzte Besitzer des Schlosses, er musste 1945 das Land verlassen.
An die Jahrhunderte währende böhmische Herrschaft erinnern heute noch fast 2.000 Schlösser, Burgen, Burgruinen und Festungen.
Mehr Infos zu diesem Thema hier: https://www.visitczechia.com/de-de/things-to-do/category-group-pages/cultural-heritage/castles-and-chateaux
Biedermeier in Světce: die zweitgrößte Reitschule nach der Spanischen Hofreitschule
Österreich begegnet einem in der Pilsner-Region immer wieder. Nicht nur auf den Speisekarten mit Knödeln, Gulasch, Schnitzel und Apfelstrudel lässt sich die gemeinsame Geschichte der Länder feststellen. Auch in der Reithalle Světce (Link: https://www.jizdarnasvetce.cz/)
bei Tachov eiferte man einst Wien nach. Sie ist – nach der Spanischen Hofreitschule in Wien – die größte in Mitteleuropa. Gebaut wurde sie vom damaligen Herrschaftsinhaber General Alfred Windischgrätz in den Jahren 1858-1860.
Für Touristen ist Světce ein echter Geheimtipp. Das Kulturdenkmal wurde in den vergangenen 24 Jahren aufwendig und mit Liebe zum Detail restauriert und erst im März 2024 wieder für das Publikum geöffnet.
Pferde werden hier zwar nicht mehr beritten, aber man gewinnt einen Einblick wie die noblen Windischgrätz, ihre Gäste und Bediensteten im Biedermeier lebten. Gäste können den Holzdachstuhl, eingerichtete Logen, eine Schmiede oder Küche der Zeit anschauen – und ausprobieren.
Der Mode des Biedermaier nachempfundene Hüte dürfen nicht nur angeschaut sondern auch aufgesetzt werden. Es werden auch Führungen auf Deutsch angeboten.
Bummeln in Pilsen
Den Höhepunkt eines Besuchs in der Pilsner-Region bildet selbstverständlich Pilsen. In der Hauptstadt Nordböhmens spielt sich – auch dank der vielen Studierenden – reges Leben ab. Die europäische Kulturhauptstadt 2015 bietet Besucherinnen und Besuchern jede Menge Kultur und Geschichte. Im Ortsbild sind die Jahre des Kommunismus und die lange Vorherrschaft der Schwerindustrie unverkennbar.
Der Innenstadtkern besticht mit viel Grün, Cafés und dem Herzen der Stadt rund um die St. Bartholomäus-Kathedrale.
Der Legende nach geht ein Wunsch in Erfüllung, wenn man den kleinen Engelskopf an einem Gitter auf der Seite der Kirche reibt. Welcher Engelskopf ist unschwer erkennbar :-).
Neben einem Stadtbummel empfiehlt sich mit Kindern der Besuch von Techmania (Link https://techmania.cz/de/). Das Wissenschaftszentrum richtet sich besonders an Kinder und macht Naturwissenschaften erlebbar.
Im Pilsener Marionettenmuseum (Link: https://muzeum-loutek.cz/de/) können diese nicht nur angeschaut werden, sondern die Kinder dürfen mit den verschiedenen Puppen auch Theater spielen.
Weitere Tipps was und wie man Pilsen mit Kindern entdecken kann gibt es hier: Visit Pilsen – Pilsen mit Kindern (Link: https://www.plzenprodeti.cz/)
Bier – Eintauchen in die Braukultur
Wer den Namen Pilsen hört, denkt natürlich zuallererst an exzellentes böhmisches Bier. Ein Besuch der Brauerei „Pilsner Urquell“ (Link: https://www.pilsnerurquell.com/de/), in der am 5. Oktober 1842 das erste Bier nach Pilsner Brauart gebraut wurde, ist Pflichtprogramm bei einem Tripp nach Pilsen bzw. in die Region. Bei einer etwa 90 Minuten langen Führung erfährt man alles von den Zutaten, über die Herstellung bis zur Abfüllung des flüssigen Goldes. Und natürlich gibt es nach der Führung eine Kostprobe direkt aus dem Fass gezapft. Ein Genuss, den man nicht versäumen sollte.
Die Pilsner Brauerei ist stolz darauf noch heute Bier nach der Tradition des Joseph Groll zu brauen. Der in 1813 in Vilshofen/Bayern geborene Groll erlernte wie sein Vater den Beruf des Bierbrauers. Im Jahr 1842 wurde er in Pilsen verpflichtet, da er den untergärigen Brauprozess gut beherrschte und die bayerischen Bierbrauer einen guten Ruf genossen. Laut Wikipedia braute Groll exakt am 5. Oktober 1842 den ersten Sud in Pilsen, der sich in einigen Punkten von dem seiner Heimat unterschied: Er benutzte mit dem sehr salzarmen, weichen böhmischen Wasser und dem dortigen Saazer Hopfen andere Rohstoffe. Anstelle des zuvor gebräuchlichen dunklen Malzes verwendete Groll ein nur leicht gedarrtes, sehr helles Malz. Sein „Urquell“ genanntes Bier erhielt dadurch einen charakteristischen Geschmack und die typische goldgelbe Farbe. Am 11. November 1842 wurde es erstmals in den Pilsener Gasthöfen Zum Goldenen Adler, Zur weißen Rose und Hanes ausgeschenkt. In der Bevölkerung wurde es gut angenommen.
Das Bier ließ sich einst auch Kaiser Franz Josef schmecken. Weshalb er sich beim Unterzeichnen des Gästebuchs verschrieben hat, bleibt allerdings ein allerdings wohlgehütetes Geheimnis? https://www.pilsnerurquell.com/de/
Ob seine Frau Elisabeth, die schönheitsbewusste Sisi, auch in Bier badete ist nicht überliefert. Ein Bad in Bier soll entspannen und Haut und Haare mit Vitaminen versorgen. Übrigens: Zahlreiche Brauereien in Tschechien bieten Bierbäder und Spa-Behandlungen an. In der Brauerei Chodovar (Link: https://www.chodovarland.cz/) kostet ein Bierbad etwa 30 Euro.
Text und Bilder: Kathrin Ivancsits