Beschleunigte Geburt

„Schneller gebären dank Geburtsgel!“

Was neuerdings durch die Medien geistert, ist zwar für jene, die eben erst eine komplizierte Geburt hinter sich gebracht haben, nur mäßig hilfreich. Allen anderen, deren Niederkunft noch ansteht, könnte aber dank des Wundermittels manches erspart bleiben. Warum mussten Frauen so lange auf diese laut Werbung „revolutionäre“ Innovation warten? Und gibt es noch andere Möglichkeiten der „Geburtsbeschleunigung“, vor allem auf dem Gebiet der Alternativmedizin?

 

30 Prozent weniger Wehen?

Nun: Ganz neu ist die Anwendung von Gleitmitteln bei Entbindungen nicht. Schon in der römischen Antike setzte man Olivenöl ein, um den Geburtskanal leichter passierbar zu machen. Diese Praxis birgt jedoch auch Risiken. So kann etwa Öl, das in den Blutstrom der Mutter oder in die Lungen des Kindes gelangt, zu schweren Komplikationen führen, etwa zu Embolien. Schweizer Forscher haben nun mit „Dianatal“ ein zähflüssiges, synthetisches Gleitmittel entwickelt, das ebenso sicher wie nützlich sein soll. So geht es zumindest aus einer ersten Studie hervor, an der 183 Erstgebärende beteiligt waren. Eine Hälfte der Frauen bekam bei Geburtsbeginn das Gel in die Vagina appliziert, die andere nicht. Das Studienergebnis: Bei Anwendung des Gleitmittels habe sich die Geburt insgesamt um bis zu 30 Prozent oder 106 Minuten, die für Mutter und Kind besonders belastende Austreibungsphase durchschnittlich um 26 Minuten verkürzt.

Schneller ist nicht leichter

In Österreich betrachten Hebammen die „Innovation“ aus der Schweiz zurückhaltend. „Ich finde es absurd, dass Frauen solch ein Gel zum Gebären brauchen sollen“, findet Ulrike Ploil vom Hebammenzentrum in Wien klare Worte. Für die gebärende Frau sei vor allem eine liebevolle, aufmerksame und respektvolle Begleitung hilfreich. „Je weniger in den natürlichen Geburtsverlauf eingegriffen wird, umso eher geht die Frau daraus gestärkt hervor“, erzählt Ploil aus ihrer fast 20-jährigen Hebammentätigkeit. Bis ein Kind geboren wird, braucht es eine bestimmte Anzahl von Wehen. Die eine Frau hat bereits eine oder zwei Wochen vor der Geburt leichte, gut zu ertragende Wehen und bekommt dann ihr Kind in ein oder zwei Stunden. Bei der anderen sind die ersten Wehen bereits Geburtswehen. Eine schnelle Geburt wird übrigens nicht automatisch als leichter empfunden denn eine langsame, betont Hebamme Ploil. Oft sei es sogar umgekehrt. Denn bei einer längeren Geburt wird die Frau von den Wehen weniger überrumpelt, sie hat Zeit mitzuwachsen.

Sanfte Hilfen

Nun machen es aber bestimmte medizinische Indikationen – etwa ein Blasensprung oder ein länger überschrittener Geburtstermin – unabdingbar, dass die Geburtswehen rasch einsetzen. Passiert das nicht von allein, haben Hebammen Tricks auf Lager, die Geburt voranzutreiben. Da wäre beispielsweise der berühmt- berüchtigte Wehencocktail – eine Mischung aus Aprikosensaft, Rizinusöl und Alkohol. „Der Wehencocktail kann den Geburtsbeginn beschleunigen, führt aber nicht automatisch zu einer leichteren Geburt“, räumt Hebamme Ploil ein. „Wenn die Frau noch nicht für die Geburt bereit ist, wird der Cocktail alleine nicht wirken.

Einer der Gründe, warum eine Geburt „stockt“: Angst. Große Angst verkrampft und stört den Wehenhormon-Haushalt. Der Hebamme kommt nun die wichtige Aufgabe zu, der Frau zu helfen, ihre Angst in den Griff zu bekommen, sich auf den Geburtsprozess einzulassen und langsam einen Umgang mit dem Schmerz zu finden. Als Hilfsmittel haben sich hier ätherische Öle bewährt, die beruhigend auf die Psyche wirken. Auch entspannende Musik, ein warmes Bad oder eine Massage tun oftmals Wunder. Sanfte Heilmittel machen dann Sinn, wenn die Geburt nicht eindeutig fortschreitet oder die Frau sehr erschöpft ist. Die Craniosacral-Therapie etwa hilft Blockaden im Becken der Frau zu lösen. Wie Studien zeigen, erleichtert und verkürzt kompetent angewendete Akupunktur die Geburt durch körperliche und psychische Entspannung der werdenden Mama.

Individuelle Entscheidung

Eine Damm-Massage mit pflanzlichen Ölen kann zwar die Gefahr tiefer Dammrisse reduzieren, nicht aber die Geburt beschleunigen. „Damm-Massage- Öl erhöht die Reibung in Kombination mit Fruchtwasser. Das Dianatal- Geburtsgel hingegen bildet einen bioadhäsiven, einen gut haftenden Gleitfilm in der Vagina und erleichtert so das Rausgleiten des Kindes“, erläutert der Entwickler des neuen Produkts, Gynäkologe Dr. Andreas Schaub, den Unterschied. Er ist davon überzeugt, dass mit seinem Gleitgel viele Kaiserschnitte bzw. Eingriffe mit Saugglocke oder Zange vermieden werden können.

Ob Geburtsgel oder Akupunktur, Wehencocktail oder Entspannungstechniken: Frau darf letztlich für sich alleine entscheiden, ob sie von der Geburtsbeschleunigung profitieren möchte – oder der Geburt einfach freien Lauf lässt …

Mag. Karin Martin
Foto: ZouZou/Shutterstock.com


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