Andreas läuft dunkelrot an. Seine Mutter ist am Telefon, wie der speziell für sie eingerichtete Teletubbie-Klingelton verrät. Vorbei ist’s mit der Coolness – ein knappes „Was gibt’s“ soll den umstehenden Kids signalisieren, dass man mit elf Jahren längst nicht mehr zu denen gehört, die über den eigenen Verbleib Auskunft geben müssen.
Der Coolness-Faktor
Simsen, fotografieren, videofilmen. Danach erst folgt das ursprüngliche Gadget – telefonieren. Das wollen die „Heavy- User“ von heute, sprich: die Frucht, die wir nähren. Die drei Platzhirsche unter den Telefonanbietern, Motorola, Nokia und Sony Ericsson, haben dies längst erkannt und zugegebenermaßen auch mitgeprägt. Was heutzutage in den Händen der Kiddys fiept und bimmelt, ist viel mehr als der alte „Telefonknochen“ von vor – sagen wir mal – „unglaublichen“ fünf Jahren. Die mobile Telefonie ist zum multimedialen Unterhaltungscenter avanciert: Kommunikation, Kino, Fotoapparat und Jukebox in einem. Nicht zu vergessen die Möglichkeit, Spiele zu laden und im Internet zu surfen.
Doch das Handy – oder Mobile bzw. Cellular, wie das tragbare Wunderding im internationalen Sprachgebrauch genannt wird (das Wort „Handy“ ist eine rein deutsche Erfindung) – erweist sich zudem gewaltigen Modeströmungen unterworfen und wird beinahe im Wochenrhythmus durch die Wunschlisten der „Must-Haves“ gebeutelt. Auf die Marke kommt es also an, und die erwähnten Großen bombardieren den Markt ununterbrochen mit Neuheiten, schneller oft, als man Klingeltöne downloaden kann. Will Andreas’ Mutter ihrem Sprössling keinen unwiderruflichen psychischen Schaden zufügen, täte sie übrigens besser daran, sich mit Britney oder meinetwegen Madonna anzukündigen … aber ganz bestimmt nicht mit den Teletubbies.
Der Marken-Faktor
„iPhone“ – ein Name, der sich verkauft. Sagenhafte Geschichten rankten sich um die eierlegende Wollmilchsau unter den mobilen Alleskönnern. „Erste- Stunde-Käufer“ campierten nächtelang vor den New Yorker Apple- Stores. Tatsächlich entpuppte sich das iPhone als zunächst stylisches Muss, erst in zweiter Linie aber als nützliches Telefon. Und das, obwohl die „Early Adopter“ mindestens EUR 400 hinblättern mussten, um in den Genuss zu kommen, vorne mit dabei zu sein. Das iPhone hat eine Sonderstellung inne. Aber die Marke mit dem Apfel hatte in „Kindsköpfen“ ja schon immer etwas ganz Besonderes. MP3-Player – die iPods – zeichneten sich weniger durch ihre Leistungsmerkmale aus als vielmehr durch ihre weißen Kopfhörer.
Wer Weiß trug, war angesagt. Und zwar so sehr, dass andere nachzogen und ebenfalls auf Weiß umstiegen. Anders verhält es sich bei den Mobiltelefonen, die für alle sichtbar getragen werden; umso mehr, als einige Hersteller wie Nokia und Sony auch noch Hochleistungs-Stereolautsprecher auf den Markt gebracht haben. Abgesehen davon, dass aus „Ein-Zentimeter-Soundblastern“ kein vernünftiger Ton kommen kann, ist in Zeiten der Wegwerfmusik (nach dem Motto: laden, brennen/speichern, hören, vergessen) weniger der Sound, sondern vielmehr das „Zurschau- Tönen“ gefragt. „Es ist eine Frage der Straße“, meinte der USSoziologe Richard Sennett, zum Mobiltelefonverhalten unter Jugendlichen befragt. „Wer richtig klingelt, hat’s zu mehr gebracht als die Kids einen Block weiter.“ Nicht umsonst heißen die Top Drei der Diebstahlliste unter Jugendlichen Nokia, Sony und Motorola.
Der Kosten-Faktor
Sie merken es bereits: Early Adopter, Handy, stylish – so spricht man heute. SMS, MMS, MP3 – wir reden in Kürzeln und wir leben mit ihnen. Auch wenn der durchschnittliche Heranwachsende nicht weiß, was diese Kürzel ausgesprochen bedeuten: Das Wissen, worum es geht, reicht allemal. Mit knapp vierzig ist man heutzutage praktisch scheintot, zumindest vor der Telefon-Ausstellungswand im Elektromarkt. Das Nützliche ist „bäh“, das Vernünftige „uncool“ und das Erschwingliche „… bist du deppert?“. Also muss ein Kompromiss her, und der lautet: Handy ohne Vertrag – und das von einem der großen Drei. B-Free, Klax, Plaudertaschen, Yesss! … Das Angebot auf dem Prepaid-Sektor unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch, dass das Netz der Eltern und vice versa meist kostengünstig angerufen werden kann, sofern man sich für eine „Prepaid-Karte“ des familiären Hauptproviders entschließt.
Nicht zu vernachlässigen sind jedoch die Netze der besten Freundinnen und Freunde. Wer seine Haupttelefonate mit einem anderen Netz bestreitet, der zahlt – und das nicht zu knapp. So sind die durchschnittlich EUR 25 Taschengeld pro Kopf und Ohr im Handumdrehen versimst oder verplappert. Provider bieten zudem auch oftmals Familienrabatte für den Zweitoder Drittanschluss an. Auf jeden Fall sollte dabei auf eine Klausel mit maximaler Gesprächszeit geachtet werden, damit das Mitteilungsbedürfnis nicht in die Armutsfalle führt. Unglaubliche zehn Jahre hat es gedauert, bis der Handymarkt auf Senioren – immerhin die finanzkräftigste Käuferschicht – aufmerksam geworden ist. Große, gut lesbare Tasten, maximal noch die Möglichkeit, Kurznachrichten zu verschicken … das genügt. Dass auch für Kleinkinder ebensolche Handys angeboten werden – mit der Einschränkung maximal drei Nummern anwählen zu können –, ist nur eine Begleiterscheinung.
Der Polit-Faktor
Eine von der EUKommission in Auftrag gegebene Studie untersuchte von März bis Mai 2007 europaweit die Nutzung von Internet und Mobiltelefonen unter Kindern der Altersgruppen neun bis zehn sowie 12 bis 14 Jahre. Eine wesentliche Erkenntnis: Die befragten Kinder sind mit Internet und Mobiltelefon durchaus vertraut. Die Befragung ergab darüber hinaus, dass drei Viertel aller Neun- bis Zehnjährigen und 90 Prozent aller 12- bis 14-Jährigen bereits über ein eigenes Mobiltelefon verfügen.
Für Österreich dürfte diese qualitative Befragung jedoch nur wenig aussagekräftig sein, da lediglich 32 Jungen und Mädchen beider Altersgruppen zu ihren Nutzungsgewohnheiten interviewt wurden. Sehen wir uns nochmals Andreas an: Multimediafähig soll das Handy sein. Und so werden Bilder, Filmchen und Musikfragmente getauscht und verschickt, mit Bluetooth abgeglichen und angesehen. Übrigens findet Andreas Filme auf einem Handydisplay „voll super“. Dieser Umstand sollte den Herren in Hollywood zu denken geben. Wozu investieren Spielberg & Co. Millionen US-Dollar in Breitbildqualität, wenn drei mal vier Zentimeter auch reichen?
Der Sicherheits-Faktor
Mit eindringlichen Worten warnte Bayerns Sozial- und Familienministerin Christa Stewens (CSU) erst kürzlich vor den Risiken der Handy-Nutzung durch Kinder und Jugendliche. Viele junge Menschen seien schon einmal abgezockt worden, etwa durch kostspielige Service- oder Rückrufnummern. „Auch unzulässige Medieninhalte wie brutale Gewalt- und Pornofilme, die von jungen Menschen von Handy zu Handy ausgetauscht werden, haben die Schattenseiten im Umgang mit diesem Medium gezeigt”, so die Politikerin. Leider sei für viele Eltern der Medienkonsum ihrer Kinder ein Buch mit sieben Siegeln – das gelte auch fürs Handy.
Kaum ein Medium hat in den vergangenen Jahren einen derartigen Boom erlebt. Angesichts des Gefährdungspotenzials stehe hier auch die Wirtschaft in der Verantwortung, fordern Kinder- und Jugendschützer. Doch gerade bei internetfähigen Handys gestaltet es sich für Eltern sehr schwierig, die Mediennutzung ihrer Sprösslinge zu kontrollieren. Hier sind neue technische Schutzmaßnahmen notwendig, und auch die Politik ist gefordert, den Handy- Providern, die ohne rigorose Schutzmaßnahmen jedem alles anbieten, Beschränkungen aufzuerlegen. Handys verpflichtend mit einer kindersicheren Grundkonfiguration auszuliefern, wäre ein Ansatz. Doch wie bei allen Sicherungsmaßnahmen würde diese wahrscheinlich nur so lange halten, bis einer für ein paar Euro den Entsperrcode auf dem Schulhof weitergibt …
Angaben ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Gewähr; können bei Sonderaktionen abweichen. Stand Mai/08 | |
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Gilbert Brandl
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