Gerade mal 3,5 Prozent aller österreichischen Väter gehen in Karenz, also etwa 5400 Männer. Immerhin, denn vor sechs Jahren waren es noch weniger als zwei Prozent. Viel weiter lässt sich die Zahl nicht zurückverfolgen, eine echte Vaterkarenz gibt es hierzulande erst seit dem Jahr 2000. Nach einer dringenden Forderung der EU wurde auch Vätern das Recht zugebilligt, sich eine Zeit lang voll oder teilweise aus ihrem Job auszuklinken, um ganz und gar Papa zu sein.
Kündigungsschutz: Ja, aber.
Die Karenzregelung funktioniert analog zu jener der Mütter: Nach der Geburt eines Kindes kann jeder Vater mit Ende des Mutterschutzes – Vaterschutz gibt es nicht – in Karenz gehen. Diese muss mindestens drei Monate und darf maximal zwei Jahre dauern. Diese zwei Jahre kann man sich mit der Partnerin teilen, bis zu zweimal darf abgewechselt werden.
Gleichzeitig in (Teilzeit-)Karenz gehen, wie es zum Beispiel in Deutschland möglich ist, können die beiden Elternteile nicht. Wie bei den Müttern gilt auch für Väter in Karenz ein Kündigungs- und Entlassungsschutz, der bis vier Wochen nach Ende der Karenzzeit gilt.
Theoretisch gilt dieser Schutz auch vor Antritt der Karenz ab Bekanntgabe. Da werdende Väter nicht schwanger sind, gibt es da allerdings einige Fallstricke zu beachten: Man sollte die Karenz keinesfalls vor der Geburt und nicht früher als vier Monate vor Antritt bekanntgeben, zu diesem Zeitpunkt besteht nämlich noch kein Kündigungsschutz.
Nach der Geburt heißt es aber handeln: Wenn man gleich zu Beginn die Karenz antreten möchte, muss der Arbeitgeber das spätestens acht Wochen nach der Geburt wissen. Löst man seine Partnerin ab, hat die Meldung spätestens drei Monate vor Ende des Karenzteils der Mutter zu erfolgen. Hier gilt es sich genau zu informieren, sonst ist der Kündigungsschutz dahin.
Neue Rollen
Und der ist, wie der Fall Antoine Hauska zeigt, dringend notwendig. Noch zeigen die Unternehmen für Väter, die in Karenz gehen, eher wenig Verständnis. Das ist ein Grund für die geringe Zahl der Karenzväter, wie eine Studie der Forschungsstelle Männerberatung Graz zeigt, die letztes Jahr im Auftrag der Entwicklungspartnerschaft „Karenz und Karriere” erstellt wurde.
Als hinderlich erweist sich auch das traditionelle Rollenverständnis der Österreicherinnen und Österreicher: Viele Männer sehen sich gerne als Ernährer, viele Frauen für die Familienbetreuung prädestiniert. Wer das Schema durchbricht, muss sich schnell einmal rechtfertigen. Mängel erkennen die Autoren der Studie auch beim Kinderbetreuungs- Angebot und bei der finanziellen Kompensation der elterlichen Arbeit. Männer verdienen im Schnitt mehr als Frauen, deshalb ist eine Vaterkarenz oft mit empfindlichen finanziellen Einbußen verbunden.
In diesem Zusammenhang kritisiert die Studie auch die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld, die es vielen gut verdienenden Vätern praktisch unmöglich macht, mit ihrem Arbeitgebern eine vernünftige Teilzeit-Karenzregelung zu finden. Dabei sollte das Kindergeld den Vätern die Karenz schmackhaft machen: Wenn auch der zweite Elternteil in Karenz geht, verlängert sich der Kindergeldbezug auf 36 Monate.
Beispiel Skandinavien
Die Väterkarenz scheitert also oft an den gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel anderer europäischer Länder. Besonders Skandinavien wird gerne als Vorbild herangezogen. Im kleinen Island etwa gehen acht von zehn Männern in Karenz. Der Grund: Wenn der Vater das nicht tut, werden der Familie drei Monate von der Karenz abgezogen. Noch wichtiger ist jedoch, dass man als Mann oder Frau in Karenz in Island 80 Prozent des letzten Verdienstes bekommt … So ist es auch in Schweden.
Dafür sind die Karenzzeiten dort kürzer: ein Jahr in Schweden, neun Monate in Island. Die Erfahrungen aus Skandinavien zeigen, dass gerade diese kurzen, gut bezahlten Karenzzeiten dafür sorgen, dass Kinder und Karriere einander nicht mehr ausschließen. Und das motiviert gerade Väter, sich stärker in die Familienarbeit einzubringen – auch nach der Karenz. Voraussetzung dafür sind jedoch hochwertige, flexible und ausreichende Kinderbetreuungsplätze.
In Schweden hat jedes Kind ab dem ersten Geburtstag das Recht auf einen Betreuungsplatz. Davon profitieren Kinder, Mütter, Väter und Unternehmen, die ihre Mitarbeiter trotz Kindersegens zeitig wieder an Bord haben. Der einzige Wermutstropfen: Das schwedische Sozialsystem verursacht immense Kosten, die sich in rekordverdächtig hohen Steuern niederschlagen.
Gekündigt statt karenziert: Antoine Hauska
„Vor genau einem Jahr habe ich bei meiner Firma um Teilzeitkarenz angesucht. Einen Tag später wurde ich gekündigt und gleich freigestellt. Das ist ein amerikanisches Unternehmen, die nach der ,Hire and Fire’-Mentalität funktionieren.
Offenbar wollte die Firma 110 Prozent der Mitarbeiter haben. Ich bin dann ein halbes Jahr arbeitslos gewesen und jetzt seit zwei Monaten selbstständig. Das Kindergeld bekommt weiterhin meine Frau. Tatsächlich kümmere ich mich hauptsächlich um unseren Martin. Ich habe aus einer früheren Beziehung bereits eine Tochter und wollte damals schon in Karenz gehen, das war mit ihrer Mutter nicht möglich. Jetzt wollte ich es besser machen.
Ich war letzten Sommer auf Urlaub und da ist mir aufgefallen: Jetzt ist eine schöne Zeit mit dem Kleinen. In vier, fünf Jahren wird er im Kindergarten und dann in der Schule sein, da wird er weniger Zeit für mich haben. In 15 Jahren macht er sowieso, was er will. Die beste Zeit, die man mit einem Kind verbringen kann, sind die ersten Jahre. Ich gehe einmal in der Woche in die musikalische Früherziehung. Da sind zehn Kinder, neun Mütter und ein Vater, das bin ich.
Da gab es eine lustige Situation: Die Leiterin hat gesagt, die Mütter könnten sich jetzt setzen. Ich bin dann stehen geblieben.”
Herbert Six
„Ich habe bei meinem ersten Kind, als ich nicht in Karenz war, gesehen, dass mir so viel Zeit mit dem Kind verloren geht. In der Babyphase hätte es aus meiner Sicht und der Sicht meiner Frau wenig Sinn gehabt, zu Hause zu bleiben. Das zweite Jahr hat dann sehr gut gepasst. Ich wollte nicht nur für Patricio mehr dasein, sondern überhaupt mehr daheim sein.
Diese Zeit war auch sehr gut für Mariesol, die damals dreieinhalb war. Ich war sehr viel mit beiden Kindern gemeinsam unterwegs. Und auch der Beziehung mit meiner Frau hat diese Zeit sehr gut getan. Der Patricio ist im Februar 2001 zur Welt gekommen und ich habe gleich im März bei meinem Dienstgeber, einem Zivilingenieurbüro, angemeldet, dass ich das Jahr 2002 in Karenz gehen werde. Und dann kam das neue Gesetz mit der Möglichkeit, während der Karenz Teilzeit zu arbeiten, und so konnte ich 16 Stunden in der Woche im Büro sein.
So war ich nie ganz weg. In meinem persönlichen und beruflichen Umfeld war das komplett neu. Meine Eltern haben es nicht verstanden, haben sich wegen dem Geld und meinem Job Sorgen gemacht. Im Büro war ich der erste Mann, der in Karenz ging. Und ich bin der Einzige geblieben.”
Helmut Dörflinger
„Bei meinem ersten Kind war ich noch Student, da war ich sozusagen in Karenz ohne Bezahlung. Mein erster Sohn ist jetzt 18, damals gab’s kein Karenzjahr. Mein zweiter Sohn Leonard war dann elf Monate, als ich in Karenz ging. Meine Frau ist auch Lehrerin, sie ist das erste und ich bin das zweite Schuljahr nach der Geburt voll in Karenz gegangen.
Dass ich ein Jahr zu Hause bleibe, das war irgendwie klar. Es war auch für meine Frau ganz wichtig, dass sie nach einem Jahr neu Fuß fassen konnte. Ich habe die Zeit unterschiedlich erlebt. Gut für mich und meinen Sohn war, dass dieses Schönwetter-Papa-Dasein vorbei war. Man hat einfach nicht mehr die Möglichkeit, das Kind abzugeben, wenn es Probleme gibt.
Damit gewinnt man viel Sicherheit. Ich hatte aber so das Gefühl ,Du bist in Karenz und alle Welt glaubt, du hast alle Zeit der Welt’. Auch zwischen meiner Frau und mir war die Rollenverteilung plötzlich anders. Ich hatte oft das Gefühl, da fehlt auch der Respekt. Wir sind etwas blauäugig in die Sache hineingegangen und hatten überhaupt nicht geklärt, wer wofür verantwortlich ist.
Da haben wir einiges ausstreiten müssen, was aber der Beziehung sehr gut getan hat. Ich verstehe jetzt das Hausfrauendasein, aber ich kann’s mir für mich nicht mehr vorstellen. Nur zu Hause bleiben ist mir zu langweilig.”
Interview mit Dr. Alfred Trendl
FRATZ & CO: Herr Dr. Trendl, Sie sind Teil der Expertengruppe „Väterkarenz“, die Unternehmen dabei hilft, mit dem Thema positiv umzugehen. Wie ist die Stimmung bei den Arbeitgebern heute?
Dr. Trendl: Es ist nach wie vor ein sehr fortschrittliches Thema. Aber für viele Unternehmen ist es heute ganz klar: Das Wichtigste ist es, sich um die eigenen Mitarbeiter zu kümmern. Wer seine Mitarbeiter entlastet, auch wenn es um die Familienarbeit geht, der wird auf der anderen Seite große Loyalität ernten.
FRATZ & CO: Dennoch gibt es Fälle, wo Väter entlassen wurden, nachdem sie eine Väterkarenz angekündigt haben.
Dr. Trendl: Man darf in die Väterkarenz nicht blauäugig hineingehen und sollte sich genau bei der Arbeiterkammer über die Bedingungen des Kündigungsschutzes informieren. Die Väterkarenz ist schließlich ein Anspruch, keine reine Wahlmöglichkeit. Abgesehen davon wäre eine solche Kündigung, selbst wenn kein Schutz besteht, anfechtbar, da es sich um eine eindeutige Motivkündigung handelt. Das heißt, wenn man überhaupt noch für diesen Arbeitgeber tätig sein will.
FRATZ & CO: Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür, dass in Österreich so wenige Väter ihren Anspruch auf Väterkarenz wahrnehmen?
Dr. Trendl: Es liegt vor allem am Rollenverständnis, das sich nur ein Stück weit geändert hat. Das Geld spielt auch eine Rolle, ist aber nicht das Wichtigste, es wird mehr als Argument vorgeschoben. Wenn wir zehn bekannte Gesichter hätten, die in Väterkarenz gehen, hätten wir einen Boom.
FRATZ & CO: Spielt nicht auch das System Karenz-/Kinderbetreuungsgeld, das es für gut verdienende Väter (und Mütter) wenig attraktiv macht, in Karenz zu gehen, eine Rolle?
Dr. Trendl: Ich halte die Idee eines Vatermonats für sinnvoll, dass also jeder Vater nach der Geburt einige Wochen zu Hause bleiben kann. Wenn das käme, würde sich auch die Väterkarenz schneller entwickeln.
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