Das Problem
Der Tag hat 24 Stunden. 8 Stunden Erwerbstätigkeit. 1 Stunde Fahrzeit. 1 Stunde Einkaufen. 1 Stunde Haushalt. 1 Stunde Kinder-Versorgen. 1 Stunde „quality-time“ mit den kids. 1 Stunde Beziehungspflege mit dem Partner. Ein strenger Zeitplan? Einfach Alltag, wenn man Job, Kinder, Haushalt und Partnerschaft unter einen Hut bringen will und muss. Richtig spannend wird es erst, wenn noch außerordentliche Zeitfresser, wie Krankheiten, Verletzungen und Schul – und Kindergartenferien dazukommen.
Trotzdem soll Beruf und Familie kein Widerspruch sein, wie Politiker/innen nicht müde werden zu betonen. Vor rund vier Jahren wurde daher die Rechtslage den Erfordernissen der modernen Gesellschaft angepasst und das Recht auf Elternteilzeit geschaffen (Jawohl, liebe Papas, diese Regelung gilt auch für Väter!).
Die Rechtslage: § 15 h Mutterschutzgesetz und § 8 Väter-Karenzgesetz
Mütter und Väter haben nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Herabsetzung der bisherigen Arbeitszeit bzw. auf Änderung der Lage der bisherigen Arbeitszeit.
Damit Mama oder Papa einen Anspruch auf die sogenannte Elternteilzeit hat, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
1. Im Betrieb müssen mehr als 20 Arbeitnehmer/-innen beschäftigt sein,
2. Ein mindestens 3 jähriges, ununterbrochenes Arbeitsverhältnis vorliegen und
3. Ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind bestehen.
Wichtig: Der/die Arbeitnehmer/in muss die Elternteilzeit spätestens 3 Monate vor dem beabsichtigten Beginn dem Arbeitgeber schriftlich bekannt zu geben.
Achtung: Kündigungs- und Entlassungsschutz
Ab der Bekanntgabe der beabsichtigten Elternteilzeit, frühestens aber 4 Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung, besteht Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser endet 4 Wochen nach Ende der Elternteilzeit, spätestens aber 4 Wochen nach Vollendung des 4. Lebensjahres des Kindes.
Aufpassen: Eine Kündigung ist möglich, wenn neben der Teilzeitbeschäftigung ohne Zustimmung des Arbeitgebers eine weitere Erwerbstätigkeit aufgenommen wird.
Die Praxis:
Soweit, so theoretisch. Aber wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt für Teilzeit-Wiedereinsteigerinnen wirklich aus? fratz&co hat sich bei der Arbeiterkammer, der traditionellen Anlaufstelle für Problemfälle, erkundigt. „Leider ist es gerade für gut ausgebildete Mütter oft problematisch, die Wochenarbeitszeit zu verringern. Die Unternehmen argumentieren, dass in bestimmten Positionen keine Teilzeitbeschäftigung möglich sei“, weiß die AK-Expertin Silvia Lechner-Stingl.
Natürlich hat der Gesetzgeber in seiner Weisheit auch den Fall bedacht, dass ein Unternehmen sich nicht an den Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung halten will. Das Verfahren zur Durchsetzung der Reduzierung der Arbeitszeit ist einigermaßen kompliziert:
Das Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung muss mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Kommt innerhalb von 4 Wochen ab Bekanntgabe der gewünschten Teilzeit keine Einigung zustande, kann die Arbeitnehmerin die Teilzeitbeschäftigung zu den von ihr bekannt gegebenen Bedingungen antreten – sofern nicht der Arbeitgeber binnen weiterer 2 Wochen zu Gericht geht.
Das große „aber“: Wer will schon in einem Betrieb arbeiten, in dem er sich das Recht, Beruf und Familie vereinbaren zu können, vor Gericht erkämpfen musste?
Der Effekt: Die Betroffenen suchen sich, wenn möglich, einen anderen Posten. Kündigen wollen sie nicht, denn dann würden sie die Abfertigung verlieren. „Einvernehmliche Lösung“ nennt man das dann.
Die Mutter: Andrea K. (41), Lohnverrechnerin, Zwillinge
fratz&co: Was haben Sie für einen beruflichen Werdegang?
Andrea K.: „Ich habe nach der HAK-Matura sowohl die Buchhalterprüfung als auch die Personalverrechnerprüfung gemacht. Ich war fast zwanzig Jahre im selben Unternehmen tätig. Mit 37 habe ich dann meine Zwillingsmädchen bekommen.“
fratz&co: Was haben sie mit ihrem Arbeitgeber vereinbart?
Andrea K.: „Wir haben schriftlich zweieinhalb Jahre Karenz vereinbart. Dazwischen habe ich auch immer Kontakt mit der Firma gehalten. Ich war zB bei Weihnachtsfeiern und Ausflügen dabei.“
fratz&co: Was ist passiert, als sie wieder anfangen wollten?
Andrea K.: „ Ein halbes Jahr vor Ende der Karenzzeit habe ich die Elternteilzeit beantragt. Aber seitens des Arbeitgebers hat es geheißen, er hätte statt mir zwei Damen aufgenommen und jetzt sei für mich kein Platz mehr. Sie haben mir einen anderen Job im Unternehmen angeboten. Ich hätte zwar denselben Verdienst gehabt, aber die Arbeit entsprach nicht meiner Ausbildung. Es wäre eine reine Fakturierungstätigkeit gewesen. Bei dieser Arbeit hätte ich meine Ausbildung vergessen und hätte nie wieder als Lohnverrechnerin arbeiten können. Ich habe abgelehnt.“
fratz&co: Wie haben Sie das Problem dann gelöst?
Andrea K.: „Ich bin zur Arbeiterkammer Niederösterreich gegangen. Es ist dann zu einem Prozess mit meinem Arbeitgeber gekommen. Der Richter hat gesagt, der Arbeitgeber kann jede Tätigkeit anbieten, wenn sie adäquat ist. Das heißt, in meinem Fall im Büro. Die Firma hat mir dann freiwillig eine Abfertigung angeboten und wir haben das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gelöst. Ich habe dann rasch wieder eine Stelle in der Lohnverrechnung gefunden.“
fratz&co: Welchen Tipp würden Sie anderen Frauen für den Wiedereinstieg geben?
Andrea K.: „Wenn jemand Karriere machen will, würde ich zu einer geringfügigen Beschäftigung neben der Karenz raten. So ist man immer vor Ort.“ Nachsatz: „Aber wenn sie einen los werden wollen, machen sie das sowieso!“
Die Expertin: Silvia Lechner-Stingl,
Mitarbeiterin der Arbeits- und Sozialrechtsabteilung der AK Niederösterreich
fratz&co: Wie bewerten Sie aus Expertensicht diesen Fall?
Silvia Lechner-Stingl: „Ich weiß aus Erfahrung, dass sich viele Mütter eine Teilzeitbeschäftigung wünschen. Teilzeitarbeit wird zwar oft kritisch gesehen, weil sie die Ansprüche im Alter schmälert und außerdem durch das geringere Verdienst eine Abhängigkeit vom Partner schafft. Aber in der Realität ist es die einzige Möglichkeit, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen. Leider ist der Fall von Andrea K. nicht untypisch. Je besser die Ausbildung einer Frau ist, desto schwieriger ist Teilzeitarbeit.
fratz&co: Was halten Sie von Telearbeit?
Silvia Lechner-Stingl: „ Im Unterschied zur Teilzeitarbeit besteht darauf kein Anspruch. Es ist immer eine Vereinbarung mit dem Dienstgeber notwendig. Natürlich kann man viele Arbeiten auch zu Hause am Bildschirm erledigen. Der Nachteil: Der Kontakt zu den Kollegen fehlt und oft haben Mamas zu Hause keine Ruhe und müssen dann in der Nacht arbeiten.“
Infos unter www.arbeiterkammer.at
Wichtig: Hier findet man eine Reihe Musterbriefe zum Thema Teilzeitarbeit.
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