Rothaarig, klein, pummelig, schwerfällig oder einfach nur uncool. In nahezu jeder Klasse sitzt ein Kind, das anders ist. Und die anderen lassen ihn oder sie dieses „anderssein“ spüren.
Es ist kein neues Phänomen. Schon Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts besang der österreichische Liedermacher und Maler Arik Brauer in seinem Lied „Rostiger die Feuerwehr kommt“ das Schicksal von Außenseitern in der Schule. Auch heute noch sitzen in sehr vielen Schulklassen zumindest ein bis zwei Kinder, welche von den anderen aus den unterschiedlichsten Gründen ausgegrenzt werden. Oft können die Mitschüler nicht einmal erklären, warum sie den einen oder anderen eigentlich nicht mögen. Am schlimmsten trifft es Eltern natürlich, wenn ausgerechnet das eigene Kind so ein Außenseiter-Problem hat. Wie kann man ihm nun am besten helfen? Zunächst sollte man abklären, warum das Kind von den anderen gemieden oder verspottet wird. Alleine durch das Erkennen der eigentlichen Problematik ist schon sehr viel gewonnen und man kann leichter und gezielt helfen.
Klassenclown oder Totalrückzug
Zum Beispiel hat ein lernbehindertes oder lernschwaches Kind oft ein Problem mit sich selbst. Es fühlt sich nicht dazugehörig zu der restlichen Klassengemeinschaft und kompensiert dieses Verhalten nicht selten durch Verstärken seiner “Andersartigkeit”, indem es durch bewusstes Provozieren der Lehrer auffällt oder zum Klassenclown wird. Manche wiederum neigen dazu, sich völlig zurückzuziehen und durch dieses Verhalten allerdings erst recht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu locken, die dann oft erst erkennen, dass dieses Kind ja anders ist als man selber und ihm fortan oft mit Feindseligkeit begegnen.
Entwicklungsverzögerungen, sei es im sozialen Bereich oder im körperlichen, können natürlich auch an einer Ausgrenzung aus der Gemeinschaft schuld sein. Gerade im ersten Schuljahr hinken viele Kinder mit der Schulreife noch etwas hinten nach. Sie interessieren sich vielleicht noch nicht für Dinge, die für die meisten aus der Klasse schon faszinierend sind. Vielleicht sind sie körperlich noch nicht so gereift, sind vielleicht besonders klein oder aber auch pummelig. Oft sind diese Kinder schwerfällig beim Turnunterricht. Diese “Mankos” genügen oft schon als Grund um von den anderen ausgelacht oder verspottet zu werden.
Wie kann man dem Kind konkret helfen?
Das Beste wäre es, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Jeder kennt sein Kind wohl am besten. Vor allem wenn es durch körperliche “Mankos” vor Schuleintritt auffällt, könnte sich eine Ausgrenzung durch die zukünftigen Kollegen schon abzeichnen. Bei besonders kleinen oder noch nicht wirklich schulreifen Kindern empfiehlt es sich, seinen oft eigenen Ehrgeiz zurückzustecken und das Kind vielleicht doch erst ein Jahr später einschulen zu lassen, wenn es in seiner Entwicklung gegenüber den anderen aufgeholt hat. Bei motorisch eher ungeschickten Kindern kann man Sportarten wie Gymnastik oder Geräteturnen als zusätzliche Freizeitgestaltung nachmittags einplanen und so die Reifung des Kindes positiv beeinflussen.
Vorurteile
Leider sind viele Kinder auch schon mit gewissen Vorurteilen behaftet – nur allzu leicht nehmen sie sich ein Vorbild an so manchem Erwachsenen und grenzen Kinder aus ihrer Gemeinschaft aus, weil diese zum Beispiel Gastarbeiterkinder sind, oder nicht so begütert. Andere werden als “uncool” eingestuft, weil sie nicht so modern gekleidet sind oder nicht die gleichen Interessen haben – zum Beispiel Fußball spielen bei Buben – wie der Großteil der Klasse.
Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern ist hier natürlich besonders wichtig, sodass aus einem manchmal kleinen Problem erst gar kein großes werden muss. Auch das wirkliche Zuhören, wenn das Kind von der Schule erzählt, kann schon sehr aufschlussreich sein. Wichtig wäre es, meint sie, wenn Lehrer es schaffen könnten, dieses soziale Miteinander zum ständigen Thema zu machen und fließend in den Unterricht einzubauen, nicht nur innerhalb einer oder zwei Extra-Stunden pro Woche.
Ein Schulwechsel, zum Beispiel durch Umzug, kann natürlich auch zu gröberen Problemen führen.
Der “Neue” oder die “Neue” haben es oft nicht gerade leicht, wenn sie in eine schon zusammengeschweißte Gemeinschaft eindringen. Hier können – nach einer kurzen Eingewöhnungszeit – Einladungen von Klassenkameraden, mit welchen sich das eigenen Kind gerne anfreunden möchte, unterstützend wirken, aber auch der Kontakt mit anderen Eltern und daraus entstehende gemeinsame Freizeitgestaltung können Freundschaften sehr fördern.
Little Handicaps
Manches Kind ist in irgend einer Art und Weise “gehandicapt”, es sieht zum Beispiel einfach “nur” schlecht und muss deshalb eine Brille tragen.
Frau Mag. Schröder meint auch gerade bei diesem Problem mit der Stärkung des Selbstbewusstseins des Kindes viel helfen zu können.
Wenn das Kind darüber klagt, dass es gehänselt wird, es auf die Seite nehmen und mit ihm gemeinsam die Brille betrachten, ihm klar machen, dass sehr viele Menschen Brillen tragen, in den unterschiedlichsten Formen und Farben, ihm einfach Aufmerksamkeit schenken und zeigen, dass man es ernst nimmt mit seinem Problem – das Kind auch die Brille unbedingt selbst aussuchen lassen.
Nicht der Mutter muss die Brille gefallen, sondern in erster Linie dem Kind. Es gegen Hänseleien wappnen mit Argumenten, wie : “Ja, ich sehe schlecht. Aber ich finde meine Brille schön, sie ist außergewöhnlich!”
Das nimmt dem Gegner oft den Wind aus den Segeln und er ist verblüfft über so viel Selbstbewusstsein und plötzlich ist das Ganze oft kein Thema mehr. Andere wiederum kommen aus einer ärmeren Familie oder aus einer Familie mit relativ alten Eltern, in der dem Kind vielleicht andere Werte vermittelt werden, als sie heute nun einmal modern oder cool sind oder auch aus einer Familie, deren Ursprung in einem anderen Land mit anderen Sitten und Gebräuchen liegt. Die leichteste Problemlösungsmethode wäre Anpassung an die nun einmal gängigen Normen und Umgangsformen unter Kindern.
Kinder, welche als “Muttersöhnchen” verschrieen sind, haben es in einer Klassengemeinschaft oft besonders schwer ihren Platz zu behaupten. Bei Kindern, deren Bindung an die Mama besonders stark ist, heißt es, diese etwas zu lösen und dem Kind mehr Selbstständigkeit zuzumuten. Das fällt anfangs sicher schwer, man will ja den Sprössling schließlich vor allen Schwierigkeiten schützen, aber man muss ihn auch seinen eigenen Weg gehen lassen.
Doch es gibt Trost für alle Eltern, deren Kind die Außenseiterposition in einer Klasse einnimmt.
Sie haben einfach ein besonderes Kind. Gerade diese Kinder sind oder werden oft besondere Menschen, wenn sie lernen mit ihrer “Andersartigkeit” gut umzugehen und sich sympathisch für die anderen darzustellen.
Text: Andrea Wipplinger, Gerlinde Heil
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Bild: pixabay/Gerd Altmann